30.08.2021

Im Gespräch mit Karen Taylor: Wie wir anti-Schwarzem Rassismus als Zivilgesellschaft entgegentreten

Karen Taylor von EOTO e.V. © Julia ZimmermannKaren Taylor von EOTO e.V. © Julia Zimmermann
Am 29./30. Oktober findet die Veranstaltung des BfDT "Anti-Schwarzer Rassismus geht alle an: Gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken – Vielfalt fördern" in Kooperation mit Interner LinkEach One Teach One e.V. (EOTO e.V.) und der Interner LinkStaatsministerin für Integration und Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration statt. Vorab haben wir mit Karen Taylor von EOTO über die Arbeit des Vereins und Rassismus im zivilgesellschaftlichen Engagement gesprochen.

Each One Teach One e.V. ist eine Anlaufstelle für Schwarze, afrikanische und afrodiasporische Menschen in Deutschland. Zu den Schwerpunkten des Vereins gehören neben Rassismusprävention auch Empowerment und Communitiybuilding Schwarzer Menschen in Deutschland. Das Ziel ist, die Sichtbarkeit dieser Gruppen zu erhöhen und ihre politische Teilhabe zu stärken. Zur Arbeit von EOTO gehören unter anderem verschiedene Projekte der Jugendarbeit, die wissenschaftliche Arbeit zu Lebensrealitäten Schwarzer Menschen in Deutschland mit der Studie #Afrozensus, Anti-Schwarzer-Rassismus (ASR)-kritische Bildungsarbeit und Erstellung von Bildungsmaterialien, sowie eine Antidiskriminierungsberatung. Seit 2020 ist EOTO zudem Kompetenzzentrum Anti-Schwarzer Rassismus im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!".

Immer wieder taucht der Begriff der Intersektionalität bei der Arbeit von Each One Teach One e.V. auf, zum Beispiel gibt es die Video-Reihe Interner LinkAnti-Schwarzer Rassismus - Intersektional zum Thema intersektionale Diskriminierung. Der Begriff Intersektionalität beschreibt den Umstand, dass sich oft verschiedene Formen der Diskriminierung bei Personen überlagern und verschränken. So zum Bespiel bei queeren Schwarzen Meschen, die oft sowohl Rassismuserfahrungen machen, als auch von Homophobie betroffen sind. Was bedeutet dieser intersektionale Ansatz für die Arbeit von EOTO?

Karen Taylor: „Die Grundregel, die sich daraus für EOTO ergibt ist, dass wir uns natürlich als Verein für Schwarze Menschen einsetzen, dabei aber immer im Blick haben, dass zum einen Schwarze Menschen nicht nur in der Gruppe von Schwarzen, afrikanisch, afrikanisch-diasporischen Menschen eine Marginalisierung erleben, sondern, dass sie durch die Verschränkung mit anderen marginalisierten Gruppen immer noch einer zusätzlichen Diskriminierung ausgesetzt sein können. Denn diese Diskriminierung verstärkt sich oft auch noch durch andere Kriterien, wie z.B. den sozialen Status, Gender, Ability, usw.
Wenn wir Richtung Jugend gucken, haben wir dort einen sehr starken Fokus auf die Themen gesetzt, die oft ausgelassen werden. Wenn wir uns die Schwarzen Communities anschauen, ist es eine relativ neue Entwicklung, dass auch queere Schwarze Gruppen mit in den Fokus genommen werden, also versuchen wir auch im Bereich der Jugend einen Raum zu schaffen für queere Schwarze Jugendliche. Wir wissen, dass das Gender eine große Rolle spielt – zum einen durch die Diskussion in der Dominanzgesellschaft, zum anderen aber auch durch die Diskussion, die innerhalb der Communities passiert. Im Rahmen vom Kompetenznetzwerk haben wir die Reihe zur Intersektionalität rausgebracht, weil wir merken, dass es auch in der politischen Arbeit sehr schwierig ist, gegen dieses ‚in-Silos-denken‘ anzukämpfen und wir nicht weiterkommen, wenn wir uns einfach nur isoliert als Schwarze Gruppe betrachten. Also zum einen ist es ein ‚die-Unsichtbarkeiten-aufbrechen-wollen‘, zum anderen aber auch einfach eine Notwendigkeit, sich mit anderen Gruppen zu identifizieren und zu verbünden.“

EOTO © EOTO e.V.EOTO © EOTO e.V.
Das BfDT setzt sich auf verschiedene Weisen für Vereine, Initiativen, etc. aus dem Bereich zivilgesellschaftliches Engagement ein, die sich für unsere Demokratie und eine tolerante und offene Gesellschaft einsetzen. Wie können Organisationen dafür sorgen, dass die eigenen Strukturen antirassistisch und rassismuskritisch aufgebaut sind und rassistische Diskriminierung keinen Platz hat?

Karen Taylor: „Was wir sagen können ist, dass es vor allem einen politischen Willen von der Führungsebene geben muss, die Organisation dahingehend zu entwickeln. Es reicht nicht, sich Menschen of Color oder Schwarze Menschen reinzuholen und dann zu sagen ‚Wir sind divers‘. Denn wir müssen feststellen, dass eigentlich alle Strukturen rassismuskritisch betrachtet werden müssen und wir überall Ausschlüsse und Diskriminierung vorfinden. Das ist einfach eine Tatsache und das sprechen die wenigsten Organisationen so klar aus.
Der zweite Schritt ist dann, sich professionelle Hilfe zu holen, d.h. professionelle Gespräche mit Personen zu führen, die das beruflich machen und sich die Struktur angucken. Auch muss individuell definiert werden, wo man hinwill. Oft ist ein erster Schritt eine Bestandsaufnahme. Es wird also innerhalb der eigenen Belegschaft gefragt, wie Diskriminierung wahrgenommen wird, ob es Beschwerdemöglichkeiten gibt und wie mit Beschwerden umgegangen wird. Oft ist es dann so, dass genau solche Beschwerdemechanismen entweder verbessert oder erstmal eingerichtet werden müssen. Ich glaube, das ist etwas, was sehr handhabbar ist und auch direkt zeigt, wo eine Organisation steht, wenn sie diesen Prozess beginnt. Ganz wichtig ist, dass man diese Prozesse nicht einfach nur ablädt auf die – oft wenigen – Menschen, die Rassismuserfahrungen machen oder sagt: ,Die sind jetzt Diversitätsbeauftragte oder Expert/-innen'. Ansonsten bringt man diese Menschen, auch wenn sie vielleicht sogar mit der Intention angefangen haben, in dieser Struktur genau das zu verändern, in eine schwierige Lage.“

Um anti-Schwarzem Rassismus entgegenzuwirken braucht es eine Wissensrundlage, eine Bestandsaufnahme der Lebensrealitäten Schwarzer Menschen. Aus diesem Grund hat Each One Teach One e.V. eine Umfrage ins Leben gerufen – den Interner LinkAfrozensus. Untersucht werden Demografie und sozio-ökonomischer Hintergrund, Diskriminierungserfahrungen, Rechtsbewusstsein und Handlungsbedarfe. Die Ergebnisse der Umfrage werden im Herbst 2021 veröffentlicht. Wie genau können die Ergebnisse genutzt werden? Wie können sie evtl. auch im Kontext zivilgesellschaftlichen Engagements aufgegriffen werden?


Karen Taylor: „Die Intention war zum einen, eine Datenlage von den Lebenserfahrungen von Menschen afrikanischer Herkunft, Schwarzen und afrodiasporischen Menschen in Deutschland zu haben. So eine Umfrage gab es in diesem Umfang noch nicht. Das ging einher mit dem Interesse daran, wie Schwarze Menschen in Deutschland arbeiten, ob sie entsprechend ihrer Abschlüsse angestellt sind, wo sie wohnen und so weiter. Diese Daten sollen uns auch communityintern ein besseres Bild von uns geben, denn wir werden sehr oft einfach nicht erwähnt, nicht mitgezählt, nicht mitgedacht. Die Daten sollten aber auch für die politische Arbeit genutzt werden, sodass wir ganz klar aufzeigen können, wo Menschen afrikanischer Herkunft systemisch ausgeschlossen werden. Ich gehe davon aus, dass uns die Daten zu sehr präzisen Forderungen verhelfen werden, die auch von der Zivilgesellschaft aufgegriffen werden können. Denn Aussagen wie ‚Ich habe so und so viel Zeit für ehrenamtliche Arbeit in der Woche‘ oder ‚Ich leiste bereits so und so viel Stunden ehrenamtliche Arbeit in der Woche‘ können von der -Zivilgesellschaft aufgegriffen werden, um Angebote und direkte Ansprachen in Richtung Menschen afrikanischer Herkunft zu machen. Wir sehen, dass es in den weißen Dominanzstrukturen der Zivilgesellschaft noch nicht so oft zu einer Verbindung mit den Schwarzen Communities kam. Wenn diese aber zeigen, dass es durchaus ein Interesse gibt, ehrenamtliche Arbeit zu machen und beispielsweise die Freiwillige Feuerwehr, die ja immer wieder sucht, weiß, dass es bei den Schwarzen Communities Zeit gibt, kann die Ansprache verändert werden. Von daher glaube ich, dass unsere Ergebnisse auch für die gesamte Zivilgesellschaft sehr relevant sein werden."