25.04.2019
Interview mit RomaTrial e.V.



Seit wann gibt es RomaTrial e.V., und aus welchem Grund wurde der Verein ins Leben gerufen?
RomaTrial e.V. haben wir, Hamze Bytyçi und Veronika Patočková, 2012 gegründet, weil wir von einem Bild verzaubert waren: Ein Blitz schlägt ein, doch was zuerst wie ein Riss im Boden aussieht, entwickelt sich in Wurzeln. Sie werden immer stärker, ein Baum entsteht und trägt mit der Zeit Früchte. Das war die Animation, die 2012 aus unserem Baum-Logo entstanden ist, das sinnbildlich für unsere Arbeit steht – aus den Verletzungen der Geschichte, aus zerbrochenen Stücken etwas Neues und Bereicherndes entstehen zu lassen.
Was genau steckt hinter der Idee des RomaTrial e.V., und wer gehört zu den Akteurinnen und Akteuren des Vereins?
Unser Ziel ist es, mit kreativen Mitteln gegen den Antiziganismus, den Rassismus gegen Roma und Sinti, zu kämpfen. Wir hatten es satt, immer wieder darauf aufmerksam zu machen, was schief läuft: Diskriminierende Berichterstattung mit den immer gleichen Bildern von Armut, Elend und mangelnder Bildung, klischeehafte Abbildung von Sinti und Roma in der Kultur, fremdbestimmte Politik. Stattdessen wollten wir neue Wege einschlagen, heterogene, echte Geschichten und selbstbestimmte Bilder anbieten, Sinti und Roma „rebranden“.
Dies tun wir in drei Bereichen: Kunst und Kultur, Jugend und Bildung sowie Wissen und Politik. Unser erstes Projekt war eine Lesereihe von osteuropäischen Roma-Schriftsteller/-innen quer durch Deutschland und die Schweiz – von Halle, Dresden und Berlin über Bremen und Düsseldorf bis zu Basel und Zürich. Das war neu und ein erster Erfolg. Es folgte das Jugendradio „Radio Corel“, Theaterproduktionen wie „The Journey / DROM“, Sommer-Filmschulen „Balkan Onions“, Filmproduktionen wie „JOŽKA“, und nicht zuletzt die Erste Roma-Biennale „COME OUT NOW!“ und das Roma-Filmfestival „AKE DIKHEA?“.
Wir sind ein kleines Team von ca. zwölf aktiven Menschen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen – Menschen aus Deutschland, Großbritannien, Rumänien, Tschechien, der Ukraine und Ungarn, mit und ohne Romno-Hintergrund, Künstler/-innen, Pädagog/-innen, Projektmanager/-innen, Historiker/-innen, LGBTIQ-Aktivist/-innen, Student/-innen.
Wir arbeiten mit vielen internationalen Künstler/-innen zusammen: Die Erste Roma-Biennale hat Damian Le Bas initiiert, den wir aus Spaß „The President“ nannten und der für uns wirklich ein inoffizieller Präsident der Künste von Sinti und Roma war. Er ist sehr unerwartet verstorben, kurz nachdem wir mit den Vorbereitungen der Biennale begonnen haben. Mit seiner Frau, der Künstlerin Delaine Le Bas, arbeiten wir immer noch sehr eng zusammen.
Im diesjährigen Aktiv-Wettbewerb des BfDT überzeugte Ihr Projekt „AKE DIKHEA? Roma-Filmfestival“ durch seinen inklusiven Ansatz und die Eröffnung sonst unsichtbarer Perspektiven und wurde dafür mit 4000€ ausgezeichnet. Erzählen Sie von den Zielen und Erfolgen des Filmfestivals!
Das Filmfestival schafft einen gesellschaftlichen Raum, den es vorher in Deutschland nicht gab. Wir haben einen europaweiten Aufruf gestartet und verschiedene Communities, Organisationen und auch Einzelpersonen gebeten, uns ihre eigenen Filmvorschläge zuzusenden. Aus ihnen sucht dann eine professionelle Jury – mehrheitlich aus Filmemacher/-innen mit Romno-Hintergrund zusammengesetzt – die Festivalfilme aus. Wir haben uns am Anfang im Jahr 2017 gefragt, ob es denn überhaupt genug Filme gibt, von denen sich Roma in Europa vertreten fühlen. Doch bereits im zweiten Jahrgang konnten wir der Jury 80 Filme vorstellen!
Letztes Jahr zeigten wir 25 Kurz-, Dokumentar- und Spielfilme, das Festival haben 30 internationale Gäste besucht. Mehr als die Hälfte davon waren Filmemacher/-innen mit Romno-Hintergrund – Menschen, die für die Öffentlichkeit bis dahin unsichtbar waren und die plötzlich da standen und selbst verblüfft waren, dass sie nicht die Einzigen sind. Weil es nun den Raum für ihre Werke gibt.
Vom 4. bis zum 8. April 2019 fand außerdem der ROMADAY 2019 statt, den Sie gemeinsam mit anderen Akteur/-innen veranstalteten. Was waren Ihre Höhepunkte des diesjährigen ROMADAY, und inwiefern tragen Events wie der ROMADAY zum Engagement gegen Antiziganismus bei?
Den ROMADAY organisieren wir seit 2014 mit dem Maxim Gorki Theater zusammen, seit 2016 dann auch mit dem Bündnis für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas. Das Bündnis haben wir zusammen mit der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas initiiert und es vereint über 20 Institutionen im Kampf gegen Antiziganismus – von Amnesty International und der Antidiskriminierungsstelle des Bundes bis zum Zentralrat der Juden in Deutschland. Alleine das ist schon eine einmalige Sache.
Der Höhepunkt war die politische ROMADAY-Parade durch die Mitte Berlins – mit Reden von Petra Pau und Ferda Ataman, von der Beraterin für Menschenrechte am Bundestag Karen Taylor, der Mitinitiatorin von #unteilbar Berenice Böhlo und vielen mehr. Und mit einem künstlerisch gestalteten LKW an der Spitze, mit Sonne am Himmel und lauter Musik. Das ist wohl einer der seltenen Momente, wenn Passant/-innen auf der Straße Sinti und Roma mit einem Lächeln begegnen.
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen während Ihrer täglichen Tätigkeit im RomaTrial e.V., und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Es würde unsere Arbeit enorm erleichtern, wenn wir nicht jedes Jahr aufs Neue schauen müssten, wie wir unsere Projekte finanzieren. Die Förderer wollen immer wieder „innovative“ Projekte unterstützen – doch wir sind davon überzeugt, dass es eben feste, regelmäßige Veranstaltungen braucht, um eine nachhaltige Änderung in der Gesellschaft herbeizuführen. Wie das Filmfestival AKE DIKHEA?, die Roma-Biennale, den ROMADAY und andere. Das wünschen wir uns für die Zukunft.