16.12.2016

Fachtag am 15. Dezember 2016 in Berlin: „Jugendkulturen und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“

(Foto: Harald Kollwitz, Archiv der Jugendkulturen e. V.)(Foto: Harald Kollwitz, Archiv der Jugendkulturen e. V.)
Am Abend des 15. Dezember 2016 fand der Fachtag „Jugendkulturen und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ statt. Organisiert wurde die fünfstündige Veranstaltung vom Archiv der Jugendkulturen e.V. in Berlin-Kreuzberg. Nach einer kurzen Begrüßung durch Gabriele Rohmann, Beiratsmitglied des BfDT und Vorstandsvorsitzende des Archivs der Jugendkulturen e.V., in der die Arbeit des Vereins im Vergangenen Jahr und das Programm des Abends vorgestellt wurden, eröffnete Dr. Nils Schuhmacher das inhaltliche Programm.

Dr. Nils Schuhmacher, Kriminologe und Politologe an der Hochschule Esslingen, stellte die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit zu pauschalisierenden Ablehnungshaltungen bei Jugendlichen, die vor kurzem beim Springer VS erschien, vor. Die Ablehnung von Gruppen auf Grund von Kleidungs- oder Lebensstilen sowie infolge eines Konkurrenzverhaltens um Räume, Reviere und Ressourcen spiele bei Phänomenen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit unter Jugendlichen eine weitaus größere Rolle, als bei Erwachsenen. Zudem könne gruppenbezogene Ablehnung bei Jugendlichen widersprüchlicher sein als bei Erwachsenen, so Schuhmacher. Heute werde beispielsweise von den meisten Jugendlichen Rassismus abgelehnt, gleichzeitig aber würden andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit frei formuliert.

Im Anschluss stellte Carsten Janke, Kulturwissenschaftler, Journalist und langjähriger Mitarbeiter des Archivs der Jugendkulturen e.V. Interviews mit Szenegängern verschiedenster Jugendkulturen vor. Robert Timm von der neu-rechten „Identitären Bewegung“, der jüdische Rapper Ben Salomo, der muslimische Youtuber Younes vom Youtube-Kanal „Datteltäter“, die Sprach- und Kulturwissenschaftlerin Anna Groß vom Hip-Hop Label „SPRINGSTOFF“, der feministische Netzaktivist Tarik, Mitglieder der Facebook-Gruppe „Metalfans gegen Nazis“, und die Graffiti-Künstlerinnen Chica und Since boten einen einzigartigen Einblick in ihre Lebenswelten. Carsten Janke erkannte in vielen Interviews übergreifende Narrative oder Erfahrungen und formulierte fünf Ergebnisse:

> Die „Neue Rechte“ möchte eine Jugendkultur werden. Und das gelingt ihr zunehmend besser (“Revival des Neofolk”),
> Ablehnung von Muslimen und Sozialschwachen wird offener formuliert (“Hatespeech” im Netz),
> die Gegenstrategien können selbst wiederum die Abwertung von Anderen enthalten (Sexismus im Rap),
> manche Jugendkulturen entwickeln sich zu “männlichen Rückzugsorten” (Metal),
> klassischer Rassismus, Homophobie und Sexismus werden offener als früher diskutiert.

Danach gewährte Abdurrahim Dottermusch, Mitarbeiter des pädagogischen Unternehmens „Die Wille“, den Teilnehmenden einen Einblick in die Vielfalt muslimischer Jugendkulturen in Deutschland, aber auch in muslimische Jugendkulturen in England und in den USA. Im Anschluss berichtete er über antimuslimischen Rassismus, der sich gegen Menschen richtet, denen eine muslimische Religionszugehörigkeit zugeschrieben wird. Sein Fokus lag dabei auf den Ausprägungen des antimuslimischen Rassismus im Kleinen, wie Namensverballhornungen und dauerhaftes Ausfragen über religiöse Praktiken. Letztere schienen aus Sicht der Handelnden keine rassistischen Taten zu sein, aber die Wirkung auf die Betroffenen zeige etwas anderes.

Um diesen Formen alltäglichen Rassismus entgegen zu wirken, hat das Archiv der Jugendkulturen zusammen mit u.a. Abdurrahim Dotterbusch ein Interventionsset zusammengestellt, welches mit bedruckten Taschen, Postkarten und anderen Give-aways vor allem Jugendliche auf antimuslimischen Rassismus aufmerksam machen soll.