07.11.2013
Interview mit Herrn Dr. Tim Cassel
Zur Veranstaltung "Vereine stark machen - Im Norden"
Am 16. und 17 November 2013 findet die Tagung "Vereine stark machen – Im Norden" in Malente statt.
Was genau ist das Projekt "Schleswig-Holstein kickt fair" und was ist ihre Aufgabe als Projektleiter?
Das Projekt "Schleswig-Holstein kickt fair" wurde im Januar 2007 vom Schleswig-Holsteinischen Fußballverband ins Leben gerufen als Reaktion auf gewalttätige und fremdenfeindliche Vorkommnisse auf und neben den Fußballplätzen in Schleswig-Holstein. Meine Aufgabe als Projektleiter ist es von Beginn an in Zusammenarbeit mit 13 ehrenamtlichen Beauftragten aus den Kreisfußballverbänden in Schleswig-Holstein nachhaltige Maßnahmen gegen diese Vorkommnisse zu entwickeln. Dazu gehören zum Beispiel die Entwicklung und Durchführung von umfassender Präventionsarbeit durch Sensibilisierungs- und Aufklärungsveranstaltungen in den Vereinen vor Ort, Qualifizierungsmaßnahmen für Trainer/-innen, Spieler/-innen und Vereinsverantwortliche sowie Maßnahmen zur aktiven Konfliktschlichtung und –aufarbeitung bei konkreten Vorfällen.
Warum veranstaltet der SHFV zusammen mit dem BfDT überhaupt eine Workshopreihe zum Thema "Toleranz im Sport"?
Diese Workshopreihe, die wir bereits 2008 erstmalig gemeinsam veranstaltet haben ist die ideale Form um Vereine bei der Wahrnehmung ihrer sozialen Aufgaben zu unterstützen. Denn hier bekommen sie kostenlos Informationen, können sich mit Vertretern/-innen anderer Vereine oder Organisationen austauschen und auch ihre Probleme und Bedürfnisse gegenüber Verbandsverantwortlichen äußern. Ziel ist es auch zu ermitteln, welche Bedürfnisse Vereine haben und welche Art der Unterstützung sie vom Verband oder auch der Politik erwarten. Zusammen sollen Forderungen erarbeitet und formuliert werden, die nach Möglichkeit in den nächsten Jahren gemeinsam umgesetzt werden sollen.
Wen soll die Tagung "Der Geist von Malente – Vereine stark machen - Im Norden" ansprechen?
Die Tagung soll Personen ansprechen die in den Vereinen Schleswig-Holsteins aktiv sind und/oder auch organisatorische Aufgaben übernehmen wie Spieler/-innen, Trainer/-innen, Betreuer/-innen aber auch Vereinsverantwortliche, denn alle sind gefordert, dafür zu sorgen, dass sich ihr Vereinsleben und der Sport insgesamt ohne Gewalt, Ausgrenzung, Diskriminierung, Homophobie und Rassismus entwickelt, dass das Ehrenamt gestärkt wird und auch die Vereinsarbeit weiterhin finanziell von der öffentlichen Hand gefördert wird. All diese Themen werden in den vier Workshops behandelt. Dabei ist es für eine Teilnahme egal, ob man einem Fußballverein oder einem anderen Sportverein oder gar einer nichtsportlichen Organisation angehört. Diese Themen sind in allen Vereinsformen relevant und insofern steht diese Tagung allen Interessierten offen.
Warum findet die Tagung in Malente statt?
Die ehemalige Sportschule Malente, heute Uwe Seeler Fußball Park, ist ein sporthistorischer Ort, schließlich hat hier die deutsche Nationalmannschaft vor und während der Weltmeisterschaft 1974 gewohnt. Hier ist auch der legendäre Geist von Malente entstanden, der dazu geführt hat, dass die Mannschaft letztendlich Weltmeister werden konnte. Dieser Geist steht seitdem für den grundlegenden Wert der Gemeinschaft, der für unser gesamtes Zusammenleben unerlässlich ist und im Grunde auch den roten Faden durch alle Workshops darstellt. Denn die Frage lautet doch: Wie kriegen wir es gemeinsam hin, unseren Sport und unsere Gesellschaft insgesamt so zu gestalten, dass alle miteinander und für sich selbst klar kommen? Es gibt kaum einen besseren Ort um auch heute über Gemeinschaft im Sport nachzudenken als Malente.
Warum halten Sie es für wichtig, dass sich Fußballvereine auch (noch) mit dem Thema Extremismus auseinandersetzten?
Es ist grundsätzlich auch Aufgabe von Sportvereinen sich gesellschaftspolitisch so zu positionieren, dass deutlich wird, welche Werte die Basis unserer Gesellschaft sind. Und dazu gehört ganz wesentlich, Zeichen gegen Extremismus, Ausgrenzung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen und Fremdenfeindlichkeit zu setzen. Denn schließlich haben Vereine auch eine erzieherische Rolle für ihren Nachwuchs. Das heißt nicht, dass Sportvereine per se politisch sein sollen, aber sie sollen grundsätzliche Werte vermitteln und offensiv vertreten.
Ist es für Vereine möglich weitere Themen wie Kinderschutz, Gewaltprävention, Homophobie und Rassismus neben dem Spielbetrieb im Vereinsleben anzusprechen und zu kontrollieren? Welche Erfahrungen haben Sie bisher gemacht?
Es ist für Vereine möglich, diese Themen anzusprechen und so kontrollieren. Das werden wir auf der Tagung auch deutlich machen, schließlich gibt es in Schleswig-Holstein einige Vereine, die das in vorbildlicher Art und Weise seit Jahren machen. Dass die Einflussnahme allerdings auch ihre Grenzen hat, schließlich wird das Vereinsleben von Ehrenamtlichen organisiert, deren Zeit ohnehin schon knapp ist und die sich in erster Linie mit dem Sport an sich beschäftigen wollen, sollte jedem bewusst sein. Aber ein gewisses Maß an gesellschaftspolitischer Positionierung und Engagement muss man von jedem Verein erwarten können.