15.03.2013
Interview mit Frau Dr. Pierrette Herzberger-Fofana
Frau Dr. Pierrette Herzberger-Fofana ist Sprecherin für Schule, Ausländer/-innen und Migration im Stadtrat Erlangen für die Grüne Liste, Mitglied im Schulausschuss sowie im Ausländer/-innen- und Integrationsbeirat. Sie arbeitet als Lehrerin am Ohm-Gymnasium in Erlangen.Erlangen nimmt an den Internationalen Wochen gegen Rassismus teil. Welche Veranstaltungen sind geplant?
Es sind zahlreiche Veranstaltungen geplant, etwa ein Dokumentarfilm über die Bombenangriffe von Dresden, Vorträge über die Lage der Flüchtlinge, eine Ausstellung über Sinti und Roma, ein Konzert mit Flüchtlingen, Lesungen von Asha Noppeney („Tochter der Kriegernomaden“) und Gerald Asamoah („Dieser Weg wird kein leichter sein. Mein Leben und ich“), ein Film über die Rechtsmusikszene, ein Puppentheater, Vorträge, etc. Aus dem offiziellen Flyer der Stadt Erlangen können Sie entnehmen, dass wir eine breite Palette an Themen anbieten. Wir sind neben Leipzig und München, die Stadt, die die umfangreichsten Wochen gegen Rassismus durchführt.
Das Ohm-Gymnasium wird am 20. März zur „Schule ohne Rassismus“. Was bedeutet das für die Schüler/-innen? Wer hat sich besonders engagiert, um diesen offiziellen Titel zu bekommen? Stehen auch die Schüler/-innen hinter diesem Projekt?
Am 20. März, dem Tag der Verleihung, werden wir zahlreiche Workshops für alle Klassen (ausgenommen die Abiturklassen) anbieten. Die Themen sind sehr vielfältig. Für mich wurde ein Traum wahr. Nebenbei und mit aller Bescheidenheit möchte ich darauf hinweisen, dass es von Anfang bis Ende meine Idee war.
Im Januar 2009 hat der Ausländer- und-Integrationsbeirat (AIB) die „Woche gegen Rassismus“ in Erlangen initiiert und mich gebeten als Stadträtin und Lehrerin am Gymnasium dieses Projekt zu unterstützen. Ich arbeite seit Jahren auf diesem Gebiet und besitze eine umfangreiche Publikationsliste, die die verschiedenen Aspekte der Diskriminierung beleuchtet. Deshalb habe ich gerne das Angebot des AIB angenommen. Die „Grüne Liste“ zeigt sich großzügig, so dass es möglich war, in kürzester Zeit ein durchaus interessantes Programm auf die Beine zu stellen, um aus dieser Premiere eine erfolgreiche Veranstaltung durchzuführen. Dafür habe ich eine Ausstellung konzipiert mit dem folgenden Titel: „Von Martin Luther King zu Barack Obama. Über 100 Jahre Diskriminierung“. Es handelt sich um 40 Bildtafeln, die die „Civil Rights Disobedience“, oder Bürgerrechtsbewegung, mit den schwarzen Heldinnen und Helden dieser traurigen Kapitel der amerikanischen Geschichte schildern. Sie umfasst die Epoche von der Abschaffung der Sklaverei bis zur Verabschiedung des Gesetzes, das allen African Americans das uneingeschränkte Wahlrecht gewährte. Die Ausstellungseröffnung fand unter der Schirmherrschaft und persönlichen Anwesenheit des Oberbürgermeisters der Stadt Erlangen statt. Sie wurde in der Volkshochschule gezeigt und 2010 im Rathaus Foyer.
Aus diesem Anlass lud ich 2009 auch das afrodeutsche Ensemble „Kosmos BRD“, Träger des Kulturpreises der Stadt München "Lichterkette" ein. Es präsentierte sein Stück am Ohm Gymnasium und es war für die Schülerinnen und Schüler eine neue kulturelle Erfahrung. Der Katalog zur Ausstellung kommt dieses Jahr heraus und ein Exemplar wird dem Präsidenten Barack Obama überreicht. Dafür habe ich bereits Kontakt mit der ehemaligen US-Botschafterin im Senegal, die z.Z. im State Department in Washington tätig ist, aufgenommen. Jedes Jahr seit 2009 habe ich eine Veranstaltung durchgeführt.
2010 war es die Lesung meines eigenen Buches „Berlin 125 Jahre danach. Eine fast vergessene deutsch-afrikanische Geschichte“ Letztes Jahr habe ich den einzigen afrodeutschen Überlebenden des KZ Buchenwald eingeladen. Gert Schramm, mit der Lesung seiner Biographie „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“. Für die Schüler/-innen haben sich neue Horizonte eröffnet, denn die meisten wussten nicht, dass auch schwarze Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Opfer der Nazigewalt waren.
Seit 2009, habe ich versucht Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit ausländischen Wurzeln als Pate für unsere Schule zu gewinnen. Als ich erfuhr, dass der ehemalige Fußballnationalspieler Gerald Asamoah in der Nachbarstadt bei der Spielvereinigung Greuther Fürth spielt, bin ich zu ihm gefahren und habe ihn persönlich gefragt. Es war mir ein persönliches Anliegen den gesellschaftlichen Beitrag der Afrodeutschen bzw. Afrikaner/-innen oder schwarzen Menschen zu zeigen. Denn wir gelten zu oft als die „Sichtbare unsichtbare Minorität“.
Für unsere Schüler/-innen ist es wichtig, dass sie die kulturelle Vielfalt, welche die jetzige Gesellschaft prägt hautnah erleben. Als die Schüler/-innen erfuhren, dass Gerald Asamoah, ein Prominenter, ehemaliger Nationalspieler, unser Pate sein wird, waren sie hell begeistert. Lehrer/-innen und Schüler/-innen freuen sich auf die kommende Veranstaltung am 20. März 2013. In jeder Klasse wurden zwei Anti-Diskriminierungsbeauftragte gewählt, um die Nachhaltigkeit unseres Projekts zu gewährleisten. Die Schüler/-innen haben auch aktiv an der Gestaltung des Programms mitgewirkt. So werden z.B Länder-Plakate gemalt, die an den Wänden zum Sekretariat hängen sollen. Es sind alle Länder dabei, die in der Schule repräsentiert sind. Sie werden auch die Veranstaltung dokumentieren. Bei der Begrüßung ist es vorgesehen, dass die Schüler/innen „Willkommensschilder“ in den entsprechenden Sprachen schwenken. Unser Pate, Gerald Asamoah, wird in seiner Muttersprache von den Schülerinnen und Schülern begrüßt. Einige Schüler/-innen haben angeregt, kulinarische Gerichte neben dem traditionellen Kartoffelsalat anzubieten. Andere möchten in Nationaltrachten kommen. Es sprudelt an Ideen. Der Phantasie wurde keine Grenze gesetzt. Mit der Verleihung des Titels „Schule ohne Rassismus“ verpflichten sich die Schüler/-innen einmal im Jahr eine Veranstaltung gegen den Rassismus durchzuführen. Es ist zwar nicht viel aber trotzdem eine gute Gelegenheit, um sich darauf zu besinnen, dass es möglich ist.
Auch Erlangen steht auf gegen Nazis! Was erhoffen Sie sich von der Kampagne in Ihrer Stadt? Wird Erlangen auch in Zukunft so engagiert sein, ist schon etwas geplant, worauf Sie hier hinweisen möchten.
Die Stadt hat aufgerufen Flagge zu zeigen und gegen die Nazis aufzustehen. Ich glaube, dass die Schüler/-innen damit ihr Engagement gegen Nazis zeigen werden. Wir wollen Jugendliche wachrütteln, damit, was geschehen ist, nie wieder passieren wird. Das Motto der Stadt Erlangen ist „Offen aus Tradition“. Die Bürger/-innen wollen, dass die Stadt nazifrei bleibt, auch wenn vereinzelt braune Elemente gesichtet werden.
Am internationalen Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember, haben zahlreiche Menschen bei uns protestiert, um ihre Solidarität mit den NSU Opfern zum Ausdruck zu bringen. Denn das erste Opfer stammt aus unserer Nachbarstadt Nürnberg. Parteiübergreifend haben alle Erlangerinnen und Erlanger gezeigt, dass sie empört waren und solche kriminellen Aktionen nicht dulden werden. Sicherlich gibt es wie in allen Städten dunkle Flecken, aber man spürt, dass der Geist der Toleranz und des Zusammenlebens in Erlangen lebendig ist. Eine solche Kampagne wird positive Wirkung auf Kinder und Jugendliche haben. Sie wird dazu beitragen, dass sie lernen mit Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur zu leben. Es ist auch ein Schritt zur erlebten Demokratie und Toleranz. Die Vorurteile, die jeder/jede unbewusst in sich verbirgt, werden abgebaut. Dann können sich alle Menschen, unabhängig von ihrer Weltanschauung, Herkunft und Religion frei entfalten.