25.07.2012

Projektbericht “Save me – eine Stadt sagt JA!”

Von Sabine Kaldorf

Aacher Kochgruppe (Sabine Kaldorf)
Bettine mit ihrem Patenkind Abdullah (Sabine Kaldorf)
Austausch am Patenstammtisch (Sabine Kaldorf)Austausch am Patenstammtisch (Sabine Kaldorf)
„Ich mache mit, weil man Freunde und Mitmenschlichkeit nicht wie Materielles kaufen kann. In Zukunft werde ich die Kampagne auch gerne unterstützen, um Anderen zu helfen, so wie meiner Familie und mir geholfen wurde!” sagt Ali über “Save me- eine Stadt sagt JA!”. Er meint es ernst. Konsequent wirbt er für die Kampagne, wo immer er kann. Gast war er beim Asylpolitischen Forum in Schwerte und bei der Jahresversammlung von Amnesty International in Magdeburg 2010. Dabei sprach er nach anderthalb Jahren schon so gut Deutsch, dass es nicht schwer fiel zu verstehen, wofür er warb. Beide Ziele der Kampagne kann Ali aus eigener Erfahrung nur befürworten: Deutschland soll den UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, kontinuierlich bei dessen Resettlement-Programmen unterstützen und besonders schutzbedürftige Flüchtlinge dauerhaft aufnehmen. Resettlement bedeutet, dass sich ein Land bereit erklärt Flüchtlinge aufzunehmen, die eigentlich zunächst in ein anderes Land geflohen sind – allerdings weder dort noch in ihrem Heimatland sicher und menschenwürdig leben können. Darüber hinaus sollen die Flüchtlinge bestmöglich in die Gesellschaft integriert werden - in Save me-Städten mit Hilfe der Patinnen und Paten. Ali kam in eine Save me-Stadt und erlebte Strukturen, die ihm und seiner Familie beim Zurechtfinden in einem völlig fremden Land helfen. Deswegen kann er schon frühzeitig auf Deutsch von seinen Träumen berichten: „Bauingenieur möchte ich studieren.” Alle, die Ali trafen, konnten sich das gut vorstellen. Seine Träume liegen allerdings derzeit auf Eis: Seine Schulabschlüsse werden nicht anerkannt, um einen Platz an einem Berufskolleg bewirbt er sich bislang vergebens, wie viele andere Flüchtlinge auch.

Gut, nicht alleine zu sein!


„… weil ich mich nach meiner Ankunft hier nicht alleine gefühlt habe. Dank der Save me - Kampagne und der freundlichen Worte habe ich direkt viele hilfsbereite und freundliche Menschen kennengelernt”, meint Agnes zur Kampagne. Auch Dinah findet es wichtig, mit Enttäuschungen nicht alleine zu sein: Sie hatte es doch eigentlich geschafft: Sie hat den Realschulabschluss, dabei ist sie noch keine drei Jahre in Deutschland. „Und jetzt will sie unbedingt Augenoptikerin werden, dabei hat sie in der Integrationsklasse kaum Mathe und Physik gehabt” stöhnt ihre Patin. Alles gute Zureden hilft nichts, keine Alternative wird auch nur ernsthaft erwogen. Als die Bewerbung am Aufnahmetest scheitert, einigen sich Patin und “Patenkind” noch ein Schuljahr auf der Handelsschule einzuschieben und damit die Aussichten auf einen Ausbildungsplatz zu verbessern. Für Agnes, Dinah und Ali ist es wichtig, in solch bedrückenden Situationen nicht alleine zu sein.

Wie kann Unterstützung aussehen?

So ist es gut, dass wir mittlerweile in rund 60 Städten in Deutschland Save me-Kampagnen gebildet haben, neun davon in NRW. Wer uns unterstützen möchte, bekundet das auf der Internetseite der einzelnen Städte. Untermauern kann man das durch ein Statement und ein Foto. Diese Menschen nennen sich in den meisten Städten “Patin oder Paten”, aber auch die Begriffe “Botschafterin oder Botschafter” und “Unterstützerin oder Unterstützer” haben sich bewährt, denn der Patenbegriff ist missverständlich. Wir fragen ja gar nicht nach Zeit oder Geld, es geht uns erst einmal um das Bekenntnis. Wer darüber hinaus mehr machen möchte, kann sich in der politischen Arbeit und / oder in der Begleitung von Flüchtlingen engagieren. Wie und wann sich jemand einbringt, machen die Flüchtlinge und die Paten untereinander ab. Das geht von gelegentlichen Handwerksarbeiten bis zum konsequenten Diktat-Üben.

Für Fragen und als regelmäßige Austauschmöglichkeiten gibt es zum Beispiel Stammtische, internationale Kochgruppen, Öffentlichkeitsaktionen, Stadtführungen in deutscher und arabischer Sprache und Filmreihen. Besonders wichtig: Zum Beispiel beim gemeinsamen Kochen begegnen wir uns auf Augenhöhe - wenn irakisch gekocht wird, dann sind wir die Lernenden.

Alles ganz einfach?

Natürlich nicht: „Da müsste noch so viel geschehen, aber ich schaffe es in der mir zur Verfügung stehenden Zeit einfach nicht”. Solche und ähnliche Aussagen von Patinnen und Paten haben uns in Bonn zum Schluss gebracht, dass die Begleiter selber mehr Unterstützung brauchen. Supervision war das Stichwort, aber die ist teuer und schon aus Prinzip sollte für erbrachte Leistung gezahlt werden. So haben wir einen Antrag beim Bonner Spendenparlament gestellt, der uns neben dem erforderlichen Geld auch eine Steigerung des Bekanntheitsgrades eingebracht hat.

Sichtbare Erfolge

Einfacher als in der direkten Begleitung der Flüchtlinge sind unsere Erfolge auf der politischen Seite zu sehen: Bis heute gibt es 49 kommunale Ratsbeschlüsse, in denen ein Resettlement-Programm gefordert wird und die Stadt oder der Kreis sich bereit erklärt, in diesem Zusammenhang Flüchtlinge aufzunehmen. Sechs dieser Städte liegen in NRW, und auch der Landtag NRW hat eine entsprechende Erklärung verabschiedet. Und im Dezember 2011 hat die Innenministerkonferenz beschlossen, tatsächlich ein Resettlement-Programm einzurichten. Damit ist unsere erste Forderung erfüllt.

Und wie geht es weiter?


Auch wenn wir den Beschluss der Innenministerkonferenz begrüßen, ist die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge mit jährlich 300 nur ein Anfang und lässt viel Spielraum zur Steigerung. Auch die Ausgestaltung des Programms lässt noch manche Wünsche offen. So ist nicht einzusehen, warum Deutschland den aufgenommenen Flüchtlingen trotz Prüfung durch UNHCR und deutsche Behörden den Flüchtlingsstatus gemäß Genfer Konvention verweigert.

In der praktischen Arbeit sind durch die Save me-Kampagne Strukturen entstanden, die auch in Zukunft Flüchtlingen das Ankommen und die Integration in Deutschland erleichtern können. Und dies betrifft nicht nur Menschen, die über das Resettlement-Programm nach Deutschland kommen: Überall in unseren Städten gibt es Flüchtlinge, die sich Begleitung wünschen und denen Hilfestellungen beim Zurechtfinden in einer fremden Kultur zu wünschen wären.

Fragen?

Die Vertreter der Save me-Kampagnen Städte in NRW treffen sich regelmäßig, nun schon zum 11. Mal, um gemeinsam Aktivitäten zu planen und Informationen auszutauschen. Manchmal ermutigen wir uns gegenseitig und an Interessierte geben wir unsere guten Erfahrungen gerne weiter. Auch über Ihr Interesse freuen wir uns. Mailen Sie uns an:
Sabine Kaldorf , Kampagne@save-me-bonn.de , Save me-Kampagne Bonn
Ingeborg Heck-Böckler i.heck-boeckler@amnesty-aachen.de, Save me-Kampagne Aachen

Interner LinkHomepage Save me Kampagne