17.01.2012
Mit Medikamenten für die Menschenrechte: Projektbericht der Medizinischen Flüchtlingshilfe Erlangen
Von Henriette Kraft
”Ihren Ausweis, bitte.” Fast alle von uns machen sich bei dieser Aufforderung keine weiteren Gedanken, nur – was ist, wenn ich keinen Ausweis habe? Sprich: wenn ich ”illegal” in Deutschland bin, ohne Bleiberecht, ohne Papiere, ohne Krankenversicherung. Bis vor einiger Zeit habe ich darüber auch noch nicht viele Gedanken verloren, bis ich mich in der ”AG Medizin und Menschenrechte” wiederfand und mich mit Schicksalen von Asylbewerbern und Illegalisierten konfrontiert sah.Alles begann vor etwa zwei Jahren, als Erlanger Medizinstudenten auf die Idee kamen einen Standpunkt der medizinischen Flüchtlingshilfe in Erlangen aufzubauen. Seitdem haben wir ein Telefon, über das die Hilfesuchenden Kontakt mit uns aufnehmen. Letzte Woche habe ich das Telefon an mich genommen, heute betreut Martina die wöchentliche Sprechstunde. So bekommt sie die Nachricht: Eine Frau, die schon längst hätte abgeschoben werden sollen, untergetaucht und jetzt hochschwanger wieder aufgetaucht ist, bekommt in den nächsten Tagen ihr Kind. Also handelt sie ganz schnell: Sie verständigt Judith, die die Frau vorher betreut hatte, ordert Florian, der sie mit seinem Auto ins Krankenhaus bringt und spricht dort mit der Frauenärztin, die sich bereit erklärt, sie anonym zu behandeln. Es geht allerdings nicht immer mit so viel Aufregung zu bei unserer Arbeit. Oft geht es auch darum, einem Asylbewerber eine neue Brille zu finanzieren oder an einen Psychologen zu vermitteln.
Wenn wir nicht in der Telefonsprechstunde sitzen, kümmern wir uns um diejenigen, die zwar ”legal” in Erlangen sind, deren Bleiberecht aber ungewiss ist. Viele von uns gehen in den Gemeinschaftsunterkünften der Asylbewerber mehrmals in der Woche ein und aus. Dann spielen wir mit den Kindern, geben den Jugendlichen Deutsch-Unterricht und plaudern mit den Erwachsenen. Es ist immer wieder ein wunderbares Gefühl, die strahlenden Augen der Kleinen zu sehen, die sich nach etwas Abwechslung von der Langeweile sehnen.
Uns ist aufgefallen, in was für einem schlechten Zustand die Zähne dieser Kinder sind. So kommt Theresa auf die Idee, wir können doch einen Workshop zur Zahnhygiene machen. Gesagt, getan: Mit ein paar Kommilitonen veranstalte ich eine Zahnputz-Aktion. Mit der Unterstützung einer Zahnärztin üben wir mit den Kindern: ”Hin und her, hin und her, Zähneputzen ist nicht schwer”. Auch die Eltern bekommen Zahnbürsten und Zahnpasta geschenkt und am Ende malen wir noch fleißig Backenzähne aus.
Noch bevor es kalt wird, erinnert sich Christina daran, dass wir wieder ”Weihnachten im Schuhkarton” unterstützen sollten. Also organisieren wir einen Spendenaufruf, sammeln Geschenke und verpacken an einem gemütlichen Samstagvormittag liebevoll Dutzende von Kartons.
Und dann bleibt natürlich immer die Frage: Wie machen wir auf unsere Arbeitsgruppe aufmerksam und wie mobilisieren wir Leute für unsere Arbeit? Da Ann-Sophie meint, dass es sehr gute Filme zum Thema unserer AG gebe, initiiere ich mit Kommilitonen schnurstracks ein thematisches Hörsaal-Kino, um unseren Mitstudierenden die Augen für die Problematik der Flüchtlingspolitik in unserer Stadt zu öffnen.
Es ist sehr schön, Teil einer Gruppe von Medizinstudenten zu sein, die sich gegenseitig inspirieren und motivieren, und dafür aufzustehen, dass wir unseren Mitmenschen, die nicht das Privileg hatten, in unserem Land geboren worden zu sein, ein menschenwürdiges Leben bei uns und mit uns ein Stück näher bringen.
