13.12.2011

Bundesweite Fachtagung „Sport mit Courage“ in Frankfurt am Main

Wir müssen Position beziehen!

Logo: Deutsche Sportjugend (dsj)Logo: Deutsche Sportjugend (dsj)
Die Atmosphäre der Jugendherberge Frankfurt am Mains passte zu den rund 60 Menschen, die am 06. Dezember im Vordergrund standen. Sie sind Vereinsvertreter aus Nürnberg, Sportjugendvorsitzende aus Stade oder Engagierte in Migrantenselbstorganisationen aus Gießen. Sie alle brachten einen ganzen Tag Zeit und sehr viele Fragen mit, um gemeinsam unter dem Motto „Sport mit Courage“ die Möglichkeiten und Anforderungen an das gesellschaftspolitische Engagement des Sports auszuloten.

„Die heutige Tagung ist nicht das erste Projekt, das wir mit dem Bündnis für Demokratie und Toleranz (BfDT) realisieren“, erklärte Martin Schönwandt, Geschäftsführer der Deutschen Sportjugend (dsj) die Hintergründe dieser Kooperation von dsj und BfDT und begrüßte im Namen seines Verbandes die anwesenden Teilnehmer und Teilnehmerinnen. „Als diese Tagung in Planung war“, so Schönwandt weiter, „konnten wir die Brisanz des Themas noch nicht absehen. Diese Brisanz erkannten und erkennen wir – dsj/DOSB und BfDT – jedoch auch über den heutigen Tag hinaus und arbeiten aus diesem Grund seit Jahren daran, unsere Vereinssportler und Verbandsaktiven bei aufkommenden Konflikten und Problemen mit Gewalt, mit Rassismus, mit Rechtsextremismus zu unterstützen.“ Dass das Thema ebenso permanent auf der Agenda des Bündnisses steht, unterstrich Josephine Steffen, Leiterin der Themenbereiche Toleranz und Öffentlichkeitsarbeit. „Seit 2007 arbeiten wir mit dem organisierten und Breitensport zusammen, um insbesondere jene Vereinsaktiven zu unterstützen, die sich nach der Arbeit, in der Freizeit und am Wochenende ehrenamtlich für den Sport und die dahinterstehenden Menschen engagieren. ,Sport mit Courage' haben wir die heutige Tagung genannt, wir hätten statt Courage aber auch ,Chuzpe haben' oder ,Position beziehen' schreiben können. Um Position zu beziehen, braucht es in erster Linie Haltung. Doch alle Aktivitäten, die auf dieser Haltung fußen, brauchen dann vor allem Wissen und Unterstützung. Hier setzen wir – die Kooperationspartner – und unsere heutigen Referenten und Experten an“, so Steffen in ihrer Begrüßung.

Gerd Bücker, vom Landespräventionsrat Niedersachsen und in dieser Funktion beratend für die dsj/DOSB tätig, ging im Anschluss vertiefend und auf Praxisbeispiele bezogen auf die „Aktuelle Situation im organisierten Sport“ ein und betonte dabei immer wieder, dass es keine allgemein gültigen Patentrezepte gebe, sondern jeder Verein sich individuell, aber engagiert mit Themen auseinandersetzen müsse, die auch am organisierten Sport nicht vorbeigingen. „Sport, Sportvereine, Sportler sind Teil unserer Gesellschaft und damit ebenso von rechtsextremistischen Unterwanderungsversuchen betroffen wie andere Bereiche des Alltagsleben auch“, so Bücker in seinem Input.

Dass Codes, Symbole, rechtsextreme Eltern, die ihre Kinder in der Zwergensportgruppe anmelden oder Sponsoren, die sich später als rechtsextrem herausstellen, Probleme für demokratisch gesinnte Sportvereine darstellen, belegten die Referentinnen und Referenten der insgesamt vier Workshops, die in zwei Phasen angeboten wurden. So zeigte Ronny Blaschke, Journalist und Autor des Buches „Angriff von Rechtsaußen: Wie Neonazis den Fußball missbrauchen“ auf, welche Fallstricke hinter T-Shirt-Beschriftungen und Musik stehen und wie jugendaffin rechte Propaganda – eben auch verbunden mit Elementen des Sports – heutzutage funktioniert. Angelika Ribler von der Sportjugend Hessen und weit über die hessischen Landesgrenzen als Beraterin im Sport tätig, ließ alle Teilnehmer ihres Workshops aufstehen und bat sie, sich entlang ihrer Positionierung zu der Frage „Soll ein Kind rechtsextremer Eltern aus dem Verein ausgeschlossen werden?“ aufzustellen. Die Mehrzahl der Anwesenden stellte sich an jene Stelle, die symbolisierte, dass ein Ausschluss nie die erste Wahl sein kann, denn eine Lösung und Auseinandersetzung mit dem Problem wird damit nicht erreicht. Großen Zuspruch fanden auch jene Workshops, die das Thema „Courage und Rechtsextremismus“ nicht explizit in den Vordergrund stellten, aber deren Inhalte und Tipps das gesellschaftliche Engagement der Vereine unterstützen sollte. In „Fundraising – Ehrenamtliche Arbeit stärken durch Förderung und Eigeninitiative“ berichtete Dr. Harald Seehausen vom SG Bornheim Grün-Weiß aus Frankfurt von seinen fiskalischen Ideen und Herangehensweisen. Der SG Bornheim Grün-Weiß gründete auf seinem Gelände das erste – durch einen Sportverein getragene – Kinder und Familienzentrum und erreichte die Umsetzung seiner Projektideen durch kreative Spenden- und Fördermitteleinwerbung. Kolja Müller begleitete Harald Seehausen. Als 5-jähriger begann Müller im Verein Fußball zu spielen und bringt bis heute sein Wissen als ehemaliger Stiftungsreferent in die Vereinsarbeit ein. Während des Workshops wurde immer wieder deutlich: Die Stärken eines Vereins, seine Verdienste in der Kinder- und Jugendarbeit und sein außerschulisches Bildungsengagement müssen im Vordergrund stehen, wenn potentielle Geldgeber angesprochen werden sollen. Viele Vereine sind sich ihres eigenen Beitrags für den gesellschaftlichen Zusammenhalt gar nicht in Gänze bewusst, doch eben damit können sie unter anderem bei verantwortungsbewussten, regional ansässigen Unternehmern und Firmen punkten. Potentiale standen auch im vierten, von Ansgar Drücker, dem Geschäftsführer vom Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V. (IDA e.V.), geführten Workshop im Mittelpunkt. Vereine, die sich interkulturell öffnen und mit lokalen Initiativen, Migrantenselbstorganisationen und eigenethnischen Vereinen vernetzen, sprechen dadurch mögliche zukünftige Sportlerinnen und Sportler an, die bisher noch nicht im Blickpunkt standen. Und auch bei religiösen oder kulturellen Verständigungsproblemen ist eine Öffnung der richtige Schritt, denn bevor Vorurteile sich festsetzen, ist es ratsam, den Dialog mit den einzelnen Gruppen zu suchen.

Nach insgesamt viereinhalb Stunden versammelten sich alle Tagungsteilnehmer erneut im Podium, das nunmehr auch den Vorstandsvorsitzenden der dsj und Beiratsmitglied im Bündnis, Ingo Weiss, begrüßen konnte. Die Kooperationspartner hörten sehr aufmerksam zu, als die Referenten den Auftrag der morgendlichen Begrüßung erfüllten, der darin bestand, Wünsche, Anregungen und Ideen für mögliche Regionaltouren in 2012 und 2013 zu sammeln. Dahinter steht das bereits in 2008 und 2009 erfolgreich umgesetzte Konzept beider Partner den Tagungsauftakt in vier regional stattfindenden und zwei Tage andauernden Konferenzen zu vertiefen, um noch mehr Menschen die Möglichkeit zu geben zu den genannten Themen zu arbeiten und die Tipps und Angebote mit in ihre Vereine zu nehmen. Mit der Themenauswahl des 06. Dezembers zeigten sich die Anwesenden sehr zufrieden und würden sich lediglich mehr Zeit und an der einen oder anderen Stelle eine Vertiefung wünschen. Als mögliche Veranstaltungsorte wurden bereits Wetzlar, Prenzlau, Köln, Nürnberg und Jena ins Spiel gebracht. Ingo Weiss, der die Teilnehmer zum Schluss der bundesweiten Fachtagung verabschiedete, sagte zu – auch im Namen des Bündnisses – die an diesem 06. Dezember gesammelten Ideen und Wünsche mit in die weiteren Planungen einzubeziehen, um möglichst bald und konkret an dem Ziel weiterzuarbeiten, die an diesem Tag gewonnenen Erkenntnisse in regionalen Touren zu vertiefen, um am Ende damit eben auch eines zu unterstützen: immer dann Position zu beziehen, wenn ein respektvolles und gleichberechtigtes Zusammenleben gefährdet ist.