15.09.2011
Nachbereitung der Jugendgedenkreise nach Auschwitz
Jugendliche TeilnehmerInnen zu Besuch beim Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma vom 22.-23.08.2011 in Heidelberg

Das BfDT und das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma organisierten die Jugendgedenkreise nach Auschwitz zum 2. August in diesem Jahr zum vierten Mal gemeinsam. Junge Sinti und Roma begleiten Überlebende des Holocausts nach Auschwitz, um ihre eigene Geschichte kennenzulernen und die Traumata der Groß- und Urgroßelterngeneration zu verstehen. Insgesamt 500.000 europäische Sinti und Roma wurden durch die Nationalsozialisten ermordet, 2.900 von ihnen in der Nacht auf den 2. August 1944, als das sogenannte „Zigeunerlager“ in Auschwitz liquidiert wurde. In 2011 wurden die jungen Sinti und Roma, die an der Gedenkreise teilnahmen, erstmals von jugendlichen Angehörigen der deutschen Mehrheitsgesellschaft begleitet. Ziel dieser Erweiterung war es, das Wissen über die Minderheit der Sinti und Roma in Deutschland zu zu verbreitern und Vorurteile abzubauen. Der enge Zusammenhalt der Gruppe nach den intensiven Erlebnissen und Begegnungen in Polen verdeutlichte, dass dieses Ziel durch die gemeinsamen Tage erreicht werden konnte.
Das Wiedersehen in Heidelberg zum Nachbereitungstreffen wurde entsprechend positiv aufgenommen. Schnell wurde deutlich, dass alle TeilnehnmerInnen in den Tagen und Wochen nach dem Besuch der Gedenkstätte Auschwitz immer wieder an die Erlebnisse vor Ort denken mussten und sich intensiv mit ihren Eindrücken beschäftigt hatten. Im Rahmen von zwei Workshops hatten sie in Heidelberg Gelegenheit, diese Eindrücke zum Ausdruck zu bringen und in konkrete Ideen für zukünftiges Engagement umzuwandeln. Am Nachmittag des 22. Augusts reflektierten sie zunächst ihre Erinnerungen an die Reise anhand eines Bilderteppichs. Jeder Teilnehmer suchte sich ein Foto der Reise aus und teilte den anderen seine persönlichen Assoziationen und Gedanken zu dem Bild mit. Dies war ein fruchtbarer Auftakt zu einem regen Austausch über die Erfahrungen vor Ort, die Begegnungen von Minderheit und Mehrheit und den Umgang mit der Geschichte. Anschließend entwickelten die Jugendlichen in Kleingruppen Ideen, wie die Zukunft der Gedenkreise aussehen könnte – zum einen ganz praktisch vor Ort, zum anderen aber auch in weiterer Zukunft, wenn eine Begegnung mit Überlebenden des Holocausts nicht mehr möglich sein wird. „Es ist ganz wichtig, dass die Geschichte und die Erinnerungen der Überlebenden in den Familien weitergetragen wird. Vielleicht können in Zukunft die Enkel und Urenkel die Rolle übernehmen, die Geschichte ihrer Vorfahren zu erzählen“, bemerkte ein junger Sinto. Abgeschlossen wurde der Nachmittag mit der Vorführung der bewegenden Rede von Zoni Weisz, der am 27. Januar 2011 als erster Sinto am Tag der Befreiung von Auschwitz vor dem Deutschen Bundestag sprach.
Am Morgen des 23. August ging es dann in die praktische Arbeit. Die Jugendlichen sollten in Kleingruppen in einem Planspiel eine Idee für ein zivilgesellschaftliches Projekt gegen Antiziganismus in der heutigen Gesellschaft entwickeln. Die Vorgaben waren streng: Das Projekt sollte an vier Wochenenden mit einer Gruppe von fünf Engagierten und einem Budget von 200 Euro umsetzbar sein. Im Anschluss sollten sich die Teilnehmer in einem demokratischen Entscheidungsprozess nach Abwägen der Vor- und Nachteile der einzelnen Konzepte für das beste Projekt entscheiden. Dafür bekamen sie auch einen besonderen Anreiz: Sollte die Idee überzeugen und umsetzbar sein, könnte das BfDT die Durchführung des Projekts ermöglichen. Die TeilnehmerInnen machten sich mit viel Eifer an die Arbeit und entwickelten einige sehr gute Projektideen. Als Sieger ging die Idee eines Antiziganismus-Projekttages mit anschließendem Kulturfest z.B. an einer Schule hervor. Die TeilnehmerInnen aus ganz Deutschland wollen per E-Mail-Verteiler in Kontakt bleiben, um die Idee weiter auszubauen. Das BfDT und das Dokumentations- und Kulturzentrum werden gemeinsam daran arbeiten, die Rahmenbedingungen für das Projekt möglich zu machen.
Nach dem Planspiel wurde die Gruppe durch die ständige Ausstellung im Dokumentationszentrum geführt. Hier wurde ihnen nochmals das ganze Ausmaß der Verfolgung und Ermordung der europäischen Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten durch die intensiven Hintergrundinformationen bewusst. „Diese Eindrücke werde ich nie mehr vergessen und von jetzt an allen meinen Freunden erzählen, was ich über Sinti und Roma gelernt habe. Das Andenken der ermordeten Sinti und Roma sollte ebenso gewahrt werden wie das aller anderen Opfergruppen“, schloss eine Teilnehmerin nach dem zweitägigen Treffen.


