15.07.2011

Discover Football: Expertenforum zur Lage des Frauenfußballs

Team-Betreuer der acht Discover Football-Teams aus Afrika, Asien, Südamerika und Europa trafen sich am 28. Juni 2011 zum Austausch in der BfDT-Geschäftsstelle

Foto: Das Team "Sport dans la ville" aus Lyon gewann den Fair-Play-Preis beim diesjährigen "Discover Football"
Am 28. Juni 2011 ging es  international zu in der Geschäftsstelle des BfDT: Die Team-Betreuer des internationalen Frauenfußball-Kultur-Festivals DISCOVER FOOTBALL kamen in der Geschäftsstelle  zum „Expertenforum“ zusammen, um sich über die Lage ihrer Frauenfußball-Teams in ihren Herkunftsländern auszutauschen, Best-Practice-Konzepte für zivilgesellschaftliches Engagement im Rahmen des Frauenfußballs weiterzugeben und gemeinsam Lösungsansätze für aktuelle Probleme zu entwickeln.

Die Kooperation mit den Veranstalterinnen des Frauenfußball-Kultur-Festival DISCOVER FOOTBALL, das 2010 im BfDT-Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ ausgezeichnet wurde, im Rahmen des Expertenforums fand in diesem Jahr zum ersten Mal statt. Das Festival wurde durch den Verein Fußball und Begegnung e.V. ins Leben gerufen, dessen ehrenamtliche Mitglieder fast alle selbst als Spielerinnen in Berliner Fußballvereinen aktiv sind. Parallel zur Frauenfußball-WM in diesem Jahr haben sie acht Frauenfußballteams aus verschiedensten Ländern der Welt zu einem freundschaftlichen Turnier nach Berlin-Kreuzberg eingeladen. Die teilnehmenden Teams sind nicht auf Grund ihrer sportlichen Leistung ausgewählt worden, sondern bei der Auswahl stand vor allem ihr soziales Engagement im Mittelpunkt. Die meisten von ihnen haben in ihren Heimatländern besondere Hindernisse zu überwinden, um ihren Sport ausüben. Mit dabei waren in diesem Jahr Teams aus Togo, Ruanda, Frankreich, Kamerun, Indien, Brasilien, Deutschland sowie ein gemischtes Team aus Israel, den palästinensischen Gebieten und Jordanien.

Jeweils zwei bis drei der Betreuerinnen und Betreuer dieser Teams waren zum Expertenforum in die BfDT-Geschäftsstelle eingeladen. Ziel dieses Treffens war es, den Teamverantwortlichen Zeit für einen ernsthaften, inhaltlichen Austausch zu geben, da im Verlauf des Festivals auf dem Platz natürlich Fußballspiel, Kultur und Spaß im Vordergrund standen. „Wir wollten die Gelegenheit nutzen, dass so viele Engagierte aus ganz unterschiedlichen Ländern gemeinsam vor Ort sind, um gemeinsam die Fragen zu stellen: Wie steht es um den Frauenfußball in den einzelnen Ländern? Was sind die sozialen und politischen Probleme vor Ort und wie kann man zu ihrer Lösung beitragen?“, erklärte Johanna Small von Fußball und Begegnung e.V. Als besondere Expertin war Monika Staab, deutsche Fußballtrainerin und ehemalige Fußballerin, in die Runde eingeladen, um von ihren Erfahrungen als Beraterin für Entwicklungsprojekte bei der Fifa zu berichten. Sie stand den internationalen Multiplikatorinnen Rede und Antwort, gab Ratschläge für ihr sportliches und soziales Engagement in ihren Heimatländern.

Nach einer kurzen Begrüßung durch das Bündnis übernahm Monika Staab das Wort und veranschaulichte anhand von Filmmaterialien der Fifa die aktuelle Lage des Frauenfußballs. Überall auf der Welt habe der Frauenfußball zugenommen und genieße mehr und mehr Anerkennung. Dies habe nicht zuletzt auch die gute Publikumsresonanz bei der Frauenfußball-WM 2011 gezeigt. Nichtsdestoweniger friste der Frauenfußball in vielen Ländern und Regionen nach wie vor ein Randdasein und sehe sich mit großen sozialen, kulturellen und auch politischen Hindernissen konfrontiert. „Die Situation des Frauenfußball in Deutschland macht jedoch deutlich, dass man nicht aufgeben darf! Noch in den Sechziger Jahren gab es praktisch keinen Frauenfußball, heute sieht es ganz anders aus.“ Natürlich könne man die Lage der Teams beispielsweise aus Afrika nicht mit Deutschland und Europa vergleichen, doch sprichwörtlich „am Ball zu bleiben“ und nicht aufzugeben – damit sei schon viel erreicht. Es sei verblüffend zu sehen, wie glücklich ein Fußballspiel Frauen und natürlich auch Männer machen könne, die ein Leben am Existenzminimum führen. „Der Sport und die gemeinsame Aktivität lenkt sie von ihrem Alltag ab und löst Glücksgefühle aus. Dieser positive Effekt ist nicht zu unterschätzen“, bemerkte Monika Staab und erzählte von einer peruanischen Frauenfußball-Liga, deren Spielerinnen jedes zweite Wochenende einen stundenlangen, strapazenreichen Weg über die Berge gehen müssen, um sich zum Spiel zu treffen. Sie nehmen diesen Weg auf sich, weil der Spaß und das Glück, die das Spiel auslösen, alle Strapazen vergessen mache.

Dass Sport auch dazu beiträgt, zivilgesellschaftliche Ziele voranzubringen, machen die Vertreter der Teams bei ihrer Vorstellungsrunde deutlich. Das Team Slum Soccer aus Indien bietet Mädchen aus den indischen Slums die Möglichkeit, ihrem Alltag zu entfliehen, sich weiterzubilden und Halt in der Gemeinschaft zu finden. Das Kameruner Team nutzt den Frauenfußball, um bei den Spielen über die Gefahren von HIV/AIDS aufzuklären. „In Kamerun denken die meisten Männer, AIDS sei ein Problem der Frauen und werde nicht von Männern übertragen. Bei unseren Spielen verteilen wir Flyer und versuchen, mehr öffentliches Bewusstsein für die Krankheit zu schaffen. Von der Regierung bekommen wir keinerlei Unterstützung – eher im Gegenteil. Aber wir sind schon froh, dass Frauenfußball nicht verboten ist“, bemerkte Tambe Dickson Ashu, Trainer und Mitarbeiter der gemeinnützigen Organisation ELENA. In Togo wiederum nutzt die Mannschaft den Fußball um sich für Menschenrechte und Frieden in ihrer Heimat einzusetzen. Das jüdisch-muslimische Team aus Israel, Jordanien und den palästinensischen Gebieten sieht sich mit ganz eigenen politischen Problemen konfrontiert. „Die Spielerinnen aus den palästinensischen Gebieten haben leider im letzten Moment ihre Teilnahme am Festival abgesagt. Wir wissen nicht warum, vermuten aber, dass sie politisch unter Druck gesetzt wurden“, erzählte einer der Betreuer. Schnell wurde deutlich: Die Möglichkeiten, sich durch den Sport zu engagieren, sind vielfältig und schwierig zugleich.

Unter Monika Staabs Anleitung setzten sich die Teilnehmer des Expertenforums nach der Vorstellungsrunde in zwei kleineren Gruppen zusammen und sammelten Stärken, Schwächen, Chancen und Hindernisse des Frauenfußball, wie sie ihn in ihren Ländern erleben und kennen. Positiv vermerkt wurde das gute Image, das Fußball in der Welt genießt. Das mache die  Arbeit für den Frauenfußball um Vieles leichter. Chancen bieten zudem vor allem Vernetzungsmöglichkeiten wie das Festival Discover Football und Förderungen von großen Vereinen, Assoziationen und Verbänden. Diese gebe es nur leider nicht sehr oft. Bemängelt wurde generell das geringe Interesse am Frauenfußball und die Tatsache, dass es keine Lobby, keine Gelder und keine Unterstützung gebe – besonders in der so genannten Dritten Welt. Dort sind die Hindernisse, denen sich die kleinen Vereine ausgesetzt sehen, zahlreich und vor allem sozialer, politischer, ökonomischer aber auch kultureller Natur. Diese müssten erst einmal überwunden werden und dazu brauche man Unterstützung. „Es ist unheimlich schwer, Gehör zu finden“, bestätigt auch Monika Staab. Selbst in der Fifa müsse man jedes Mal von Neuem kämpfen, um Gelder, Kapazitäten und Aufmerksamkeit für bestimmte Problemfelder zu erhalten. „Aber es lohnt sich immer, dranzubleiben und sich zu engagieren. Man darf nie aufgeben!“ Mit diesen motivierenden Worten, ihrer E-Mail-Adresse und der Aufforderung sich jeder Zeit an sie zu wenden, wenn vor Ort Hilfe benötigt würde, gingen die Teilnehmer des Expertenforums zurück zum Festivalplatz, wo der Austausch und die Vernetzung noch einige Tage intensiv fortgesetzt wurden.

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