21.11.2013
„Fußball bedeutet auch gesellschaftliche Verantwortung“
Abschlussveranstaltung zur Wanderausstellung „Kicker, Kämpfer, Legenden“ des Centrum Judaicum am 1. Juli beim BfDT
Anlässlich des bevorstehenden Endes der Wanderausstellung „Kicker, Kämpfer, Legenden - Juden im deutschen Fußball" in der Geschäftsstelle des Bündnisses für Demokratie und Toleranz (BfDT) lud das BfDT am 1. Juli in die Geschäftsstelle ein. An dem strahlenden Sommertag nutzten gut 30 Gäste den WM-Spiel-freien Nachmittag, um in den Räumlichkeiten des BfDT einen Blick auf den Ursprung des deutschen Fußballs zu werfen und über aktuelle Tendenzen der Antidiskriminierungsarbeit im Sport zu diskutieren. Im Anschluss wurde bei kühlen Getränken und Brezeln die Ausstellung besichtigt und in lockerem Rahmen weiterdiskutiert.
Die vom Centrum Judaicum konzipierte Ausstellung, die noch bis zum 12. Juli beim BfDT gastiert, erzählt die fast in Vergessenheit geratene Geschichte jüdischer Fußballspieler und Funktionäre vor und während des Nationalsozialismus. Sie spannt jedoch auch den Bogen zu heutiger Diskriminierung und Rechtsextremismus im Fußball. Die geladenen Teilnehmer der Podiumsdiskussion Klaus Schultz, Diakon der evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau und Verleiher der Ausstellung, Vernen Liebermann, Fußballspieler beim jüdischen Verein TuS Makkabi Berlin, Thomas Hafke, Leiter des Fan-Projekts Bremen e.V. und Dr. Gregor Rosenthal, Geschäftsführer des BfDT spiegelten diese Verbindung von Fußballhistorie und aktueller Fußballarbeit für mehr Toleranz im Sport wider.
Einführend gab Klaus Schultz in einem Kurzreferat einen Überblick zum Ursprung des deutschen Fußballs, der ganz wesentlich von Juden mitgeprägt wurde. Tatsächlich war es der deutsche Jude Walther Bensemann, der den Fußballdurch englische Mitschüler in einem Schweizer Internatkennen lernte und so begeistert davon war, dass er den Sport nach Deutschland holte und sowohl den DFB als auch die Zeitschrift „Kicker" mitbegründete. Jüdische Spieler wie Julius Hirsch und Gottfried Fuchs, der 1912 gegen Russland 10 von insgesamt 16 deutschen Toren schoss, waren zu Anfang des 20. Jahrhunderts ebenso große Stars wie heute Michael Ballack oder Mesut Özil. Umso erschütternder ist es, dass 1933 niemand Einspruch erhob, als dieselben Spieler plötzlich als Juden diffamiert aus den Mannschaften gewiesen und später verfolgt und ermordet wurden.
"Um die Geschichte derJuden im deutschen Fußball war es viel zu lange still"
Doch auch heute kommt es leider immer wieder zu Situationen, in denen Minderheiten aufgrund ihrer Hautfarbe oder Religion auf dem Spielfeld beleidigt und bedroht werden. Vernen Liebermann musste diese Erfahrung machen, als er 2006 mit seiner Mannschaft von TuS Makkabi Berlin gegen Alt-Glienicke antrat und von einer Gruppe Neo-Nazis im Publikum massiv beleidigt und bedroht wurde. „Besonders enttäuschend war, dass weder der Schiedsrichter noch andere Offizielle eingeschritten sind, obwohl die antisemitischen Sprüche auf dem ganzen Platz zu hören waren", erzählte Liebermann. Als er seine Mannschaft aus Protest gegen die Schmähungen aufforderte, geschlossen vom Platz zu gehen und das Spiel abzubrechen, wurde er dafür sogar noch vom Schiedsrichter mit einer gelb-roten Karte bestraft. „Diese Erfahrung hat mich ein Stück weit wachgerüttelt", sagte Liebermann, denn vorher sei er in Deutschland zum Glück nie persönlich mit Antisemitismus konfrontiert worden. Doch der Vorfall habe ihm gezeigt, dass dieses Problem nach wie vor akut ist, so dass man ein deutliches Zeichen dagegen setzen müsse.
Dies ist auch die Motivation, die Thomas Hafke bei seiner Fan-Arbeit im Fan-Projekt Bremen e.V. antreibt. Durch intensive Aufklärungsarbeit und die Arbeitsgruppe Werder Fans gegen Diskriminierung ist es gelungen, rechte Gruppen sowie rassistische und antisemitische Sprüche weitestgehend aus dem Weser-Stadion und dem Umkreis Werder Bremens zu verdrängen. Auch gegen Homophobie und Sexismus im Fußball geht die Arbeitsgruppe durch große Öffentlichkeitskampagnen vor. Thomas Hafke berichtete, wie Fußballfans für das Thema Diskriminierung von Minderheiten sensibilisiert werden können, und schilderte die positiven Erfahrungen, die er bei einem selbst organisierten deutsch-israelischen Austausch jugendlicher Fußballfans machen konnte. „Das Potential, das die allen Bevölkerungsschichten und Nationen gemeinsame Begeisterung für Fußball mit sich bringt, muss man ausnutzen, um Vorurteile abzubauen und gegen Diskriminierung vorzugehen", erklärte Hafke.
"Man muss den Leuten klar machen: Heute nicht mehr"
Dr. Gregor Rosenthal unterstrich, wie wichtig die positive Erfahrung der WM 2006 in Deutschland gewesen sei. „Das Motto Die Welt zu Gast bei Freunden hat nicht nur damals gegolten, sondern soll sich auch weiterhin fortsetzen", so Rosenthal. Dieser Gedanke liegt der DFB-Arbeitsgruppe "Für Toleranz - gegen Rassismus" zugrunde, die nach der WM gegründet wurde und der Dr. Rosenthal angehört. Die AG evaluiert, in welchen Bereichen es großen Handlungsbedarf gibt und ruft Konzepte und Projekte für mehr Toleranz im Sport ins Leben. Zur Rolle des BfDT bemerkte Rosenthal: „Unsere Aufgabe ist es insbesondere, Lösungsansätze aus anderen zivilgesellschaftlichen Bereichen zuidentifizieren und auf den Sport zu übertragen, um erfolgreich gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus im Sport vorzugehen."
Entscheidend sei, dass man heute endlich erkennt, dass der Fußball mit seiner großen Breitenwirkung in Deutschland nicht nur Unterhaltung und die schönste Nebensache der Welt ist, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung trägt. Darin waren sich alle Podiumsteilnehmer einig und der Blick auf die Geschichte des deutschen Fußballs zeigt, wie wichtig es ist, Ausgrenzung und Diskriminierung im Sport in keiner Weise zu tolerieren. Dass die deutsche Nationalmannschaft, die derzeit durch ihre Leistungen in Südafrika überzeugt, insgesamt 11 Spieler mit Migrationshintergrund beinhaltet, ist ein positives Signal, das die bunte Gesellschaft des heutigen Deutschlands widerspiegelt. Dies sollte zur ganz normalen Realität werden, erklärte Vernen Liebermann: „Am besten wäre es, wenn es gar keine Rolle spielen würde, dass man Jude oder Türke ist. Dann könnte es einfach nur um Fußball gehen. Doch wenn es zu Diskriminierungen kommt, dann muss man den Leuten deutlich klar machen: Heute nicht mehr."
Verlängerung der Ausstellung "Kicker, Kämpfer und Legenden" bis zum 12.07.2010
