24.03.2015
Engagement über den Sport hinaus − KSC Kickboxen e.V. und der Asylhelferkreis Kissing
Interview mit Matthias Hamann

Matthias Hamann ist seit Mitte der 1990er Jahre als Trainer für Karate, Kick-Thai-Boxen und MMA tätig und hat im Jahre 2005 − nach zwei Kickbox-Clubs in Augsburg − eine Kickbox-Schule in Kissing aufgebaut. Die Trainierenden kommen aus dem gesamten Umland und sind zwischen 5 und 60 Jahren alt. Die Kickbox-Schule steht allen offen, die sich für diese Sportarten interessieren, fitter werden und Selbstvertrauen gewinnen möchten. Der Club verfolgt dabei einen inklusiven Ansatz und setzt sich außerdem stark für die Integration von etwa 20 Flüchtlingen in Kissing ein. Gewaltbereite Personen werden konsequent abgelehnt. Es finden mehrmals in der Woche Trainings und zahlreiche Events mit den Flüchtlingen statt.
Sie engagieren sich neben der Kickbox-Schule stark für Flüchtlinge in Kissing. Woher kam die Idee für Ihre Initiative?
Die Idee resultierte aus Leserbriefen in der Tagespresse im Vorfeld des Asylheimbaus. Hier lasen wir von den Ängsten der Kissinger Bürger/-innen und zum Teil von klarer Ablehnung. Die Kickboxgruppe entschied daraufhin, sich zu engagieren, um den Asylsuchenden keinen falschen ersten Eindruck von unserer wunderschönen toleranten Gemeinde Kissing zu vermitteln.
In Zusammenarbeit mit dem ersten Bürgermeister Manfred Wolf wurde daraufhin ein Asylhelferkreis gegründet, der sich nunmehr selbstständig unter der Leitung von Marlene Weiss und mir organisiert. Von den zahlreichen Interessenten aus dem Ort vor der Arbeitsaufnahme des Asylhelferkreises blieben nicht viele übrig. Dennoch konnten wir einen sehr zuverlässiger Kreis an Freiwilligen aufbauen − vielen Dank dafür!

"Tue Gutes und rede darüber": So funktioniert es – definitiv.
Was konnten Sie mit Ihren Aktionen im Verein und darüber hinaus bisher erreichen?
Der Bürgermeister vermittelte den 20 Asylbewerbern wenige Tage nach ihrer Ankunft kleinere Tätigkeiten: Es wurden Hecken geschnitten und Bäume gefällt. Insbesondere in der Startphase half dies der Integration. Die Asylbewerber wurden wahrgenommen, bekamen eine Aufwandsentschädigung und taten etwas für die Gemeinde.
Außerdem setzen sich die Kissinger Bürger/-innen und der KSC Kickboxen e.V. dafür ein, dass es im Heim an nichts mangelt. Neben gespendeten Möbeln, Fernsehern, Kickertischen, einer Playstation I, einem PC mit Internetzugang zur Bewerbungsvorbereitung sind auch 20 Fahrräder inklusive Beleuchtung vorhanden. Weiterhin bringen Betriebe und viele Privatpersonen immer wieder etwas vorbei. Das Miteinander funktioniert über Glaubens- und Kulturunterschiede hinweg.
Nun befinden wir uns bereits in einer Folgephase des Asylhelferkreises, in der es wichtig ist, dass unsere Freunde selbst ihr Schicksal in die Hand nehmen. Jeder unserer Freunde hat eine traumatische Reise zu uns auf sich genommen, hat Angehörige verlassen oder verloren. Die Aufarbeitung ist eine große Herausforderung. Auch die Arbeitssuche gestaltet sich schwierig. Dennoch konnten wir Bewerbungsgespräche vermitteln, aus denen Festanstellungen, Praktika und Minijobs resultieren. Insbesondere die Organisation der Integrationskurse dürfte den größten Erfolg bringen. Unsere Rückendeckung und Unterstützung ist ihnen dabei sicher.
Welche weiteren Aktionen und Projekte haben Sie für die Zukunft geplant?
Kissing wird aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen ein zweites Asylbewerberheim erhalten. Ein Ende unserer Bemühungen ist also nicht in Sicht.
Aufgrund der Erfahrungen und Gespräche haben wir neben allem Positiven natürlich auch viel Kritik einstecken müssen. "Verstehen Sie mich nicht falsch, aber ...", habe ich so oft gehört, aber auch klarere rassistische Aussagen. Wir werden uns weiter engagieren, im Sport mit der Kickboxschule und in der Gemeinde Kissing, um uns mit einer klaren Ansage gegen Rassismus und Extremismus zu positionieren.
Es werden weiterhin sehr verrückte Ideen sein, die wir vorantreiben. Den je mehr Rummel um uns gemacht wird, umso besser. So werden wir und unsere Arbeit wenigstens wahrgenommen und nicht vergessen. Geschafft ist es erst, wenn unsere Tätigkeit nicht mehr nötig ist. Als Dank gibt es den Lernerfolg, regelmäßig gutes afrikanisches Essen, spannende neue Freunde und ein regelmäßiges „god bless you and your family“. Das reicht uns.