11.08.2010

Soziale Jungs Multikulti

Foto: Soziale Jungs MultikultiFoto: Soziale Jungs Multikulti
Foto: Soziale Jungs Multikulti
Von Martina Taylor (Paritätisches Bildungswerk Bundesverband e.V.)

„Soziale Jungs Multikulti“ ist ein Freiwilligendienst für Schüler im Alter von 14 bis 16 Jahren. Die Jungen engagieren sich regelmäßig verbindlich für insgesamt 200 Stunden freiwillig in sozialen Einrichtungen. Zwei Drittel der Jungs haben einen Migrationshintergrund. Etwa einmal die Woche engagieren sie sich in der Freizeit in ihrer Einsatzstelle und unterstützen dort die Mitarbeiter, indem sie Aufgaben übernehmen, für die dort häufig nicht viel Zeit bleibt. Beim Einsatz im Altenpflegeheim begleiten sie etwa alte Menschen beim Einkaufen, kommen mit ihnen ins Gespräch oder spielen mit ihnen Mensch-ärgere-Dich-nicht. Sie übernehmen im Krankenhaus kleinere Aufgaben wie die Begleitung der Krankenpfleger beim Patiententransport, oder sie machen kleine Besorgungen für die Patienten. Im Kindergarten spielen oder basteln sie mit den Kindern, helfen bei der Essensbereitung und lesen Geschichten vor.

Um Freiwillige für das Projekt zu akquirieren, veranstaltet das Paritätische Bildungswerk Bundesverband jedes Jahr den „Sozialen Boys’ Day“ in Frankfurt am Main. Der Tag findet parallel zum bundesweiten „Girls’ Day“ statt und gibt Jungen der Klassen sieben bis zehn die Möglichkeit, einen Tag in soziale Berufe „hineinzuschnuppern“. Bei vielen Jungen, die derzeit im Projekt sind, wurde durch diesen „Schnuppertag“ das Interesse geweckt, sich regelmäßig sozial zu engagieren.

Während ihres Dienstes sind die Jungen jedoch nicht auf sich allein gestellt, sondern werden pädagogisch von freiwilligen Mentoren begleitet. Die Mentoren leisten Beziehungsarbeit, schaffen ein Vertrauensverhältnis und stellen eine wichtige Bezugsperson für die Jungen dar. Sie vermitteln zwischen dem Jungen und der Einrichtung und sorgen für einen reibungslosen Ablauf des Freiwilligendienstes. Ein MentorInnenteam betreut jeweils eine Gruppe von bis zu zehn Schülern. Die Mentoren organisieren die monatlichen Gruppentreffen, bei denen die Schüler die Möglichkeit haben, ihren Dienst zu reflektieren.

Die Gruppentreffen sollen aber auch dazu beitragen, den Blick der Jungen „über den Tellerrand hinaus“ zu schärfen und einen Einblick in kulturelle Zusammenhänge und Unterschiede zu bekommen. So besuchten die Gruppen beispielsweise Kunstausstellungen, um mit Kunst als ein kulturübergreifendes – und Jungen meist nicht vertrautes – Medium in Kontakt zu kommen. Sie nahmen außerdem an einem Blindenschrift-Workshop teil, um zu erfahren, wie sehbehinderte Menschen ihr Leben meistern können. Auch Themen wie Diskriminierung, Mobbing und Gewalt werden aufgegriffen und bei den Gruppentreffen bearbeitet. Am Ende ihres Freiwilligendienstes erhalten die Schüler einen Engagementnachweis und auf Wunsch einen Eintrag ins Schulzeugnis. Somit erhöhen sie ihre Chance auf einen Ausbildungsplatz, denn persönliche und soziale Kompetenzen sind in der Arbeitswelt zunehmend gefragt. Jungen, deren schulische Leistungen eher schlecht sind, können so vorweisen, dass sie über Kompetenzen in anderen Bereichen verfügen.

Besonders wichtig ist es uns, Jugendliche mit Migrationshintergrund für den Freiwilligendienst zu gewinnen. Das soziale Engagement in den Einrichtungen der Aufnahmegesellschaft hilft den Jugendlichen bei der Integration: Die Jungen erleben, dass das, was sie zu geben haben, ein wertvoller und wichtiger Beitrag für die Gemeinschaft ist. Dadurch, dass sie sich als ein wichtiger Teil der Gesellschaft begreifen, wächst auch die Bereitschaft in ihnen Verantwortung für diese zu übernehmen. Oft haben diese Jugendlichen zusätzliche Kompetenzen, wie beispielsweise türkische Sprachkenntnisse, und können so in ihren Einsatzfeldern vermittelnd tätig werden. Sie und auch ihr Umfeld lernen, kulturelle Unterschiede nicht als primär problematisch und defizitär zu sehen, sondern die Stärken und Potentiale darin zu erkennen.

Fragt man die Jungen, warum sie sich bei der Unmenge an alternativen Möglichkeiten in ihrer Freizeit sozial engagieren, kommen ganz unterschiedliche Antworten. Einige sagen, es sei ihnen wichtig, Erfahrungen für den späteren Umgang mit den eigenen Kindern zu machen. Andere sind sich darüber bewusst, dass der Nachweis eines sozialen Engagements Pluspunkte bei einer Bewerbung bringen wird. Für alle aber ist es ein schönes Gefühl, wenn sich die Menschen in ihrer Einrichtung – Kinder, alte oder behinderte Menschen – freuen, dass „ihr“ Sozialer Junge kommt und ihnen seine Zeit widmet.

Wir freuen uns über die Preisverleihung des Bündnisses für Demokratie und Toleranz und wünschen uns sehr, dass das Projekt auch bald an anderen Orten entsteht und so noch viel mehr Jungen sich sozial engagieren können. Die Erfahrung zeigt, dass Jugendliche gerne dazu bereit sind, wir müssen ihnen nur die Möglichkeiten dafür schaffen. Mittels der seit 2009 von „Aktion Mensch“ geförderten Transferagentur „Sozialer Freiwilligendienst für Jungen“ sind wir aktuell bundesweit auf der Suche nach Netzwerkpartnern, die nach dem Vorbild von „Soziale Jungs“ einen Freiwilligendienst für Jungen initiieren wollen.

Webseite „Soziale Jungs“: Interner Linkwww.sozialejungs.de
Paritätisches Bildungswerk Bundesverband (Träger): Interner Linkwww.bildungswerk.paritaet.org
Webseite der Transferagentur: Interner Linkwww.freiwilligendienst-jungs.de