21.11.2013

Filmtipp: NEUKÖLLN UNLIMITED

Seit dem 8.04.2010 im Kino

Regie: Agostino Imondi, Dietmar Ratsch

Gewinner des Gläsernen Bären der Jury Generation 14plus bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin 2010



„Wenn alle Menschen gleich wären, dann wäre die Welt doch langweilig"


Foto: Hassan Akkouch
Foto: Lial Akkouch
Foto: Maradona Akkouch mit seiner jüngsten Schwester
Der Dokumentarfilm Neukölln Unlimited porträtiert mit viel Einfühlsamkeit, Witz und Schwung die drei jugendlichen Geschwister Hassan (18), Lial (19) und Maradona (14). Die libanesisch stämmige, muslimische Familie Akkouch, die ohne dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung mit Unterbrechungen seit 16 Jahren in Berlin-Neukölln lebt, wurde 2003 bereits einmal in den Libanon abgeschoben, den die Kinder nur vom Namen her kannten. Seit ihrer Rückkehr nach Deutschland sitzt ihnen die Angst der Ungewissheit darüber im Nacken, ob und wie lange sie in Deutschland bleiben können.

Wer vor diesem Hintergrund die üblichen Stereotype über gescheiterte Integration und Rütli-Schulalltag erwartet, den wird Neukölln Unlimited überraschen. Denn für Lial und Hassan ist Deutschland mit völliger Selbstverständlichkeit kulturelle und identitätsstiftende Heimat. Umso größer ist ihre Enttäuschung, dass ihre Zugehörigkeit zu Deutschland nicht offiziell anerkannt wird. Anstatt sich jedoch von der Gesellschaft abzuwenden, wandeln sie ihren Zorn in produktive Energie um: Mit außergewöhnlichem Talent, Fleiß und Begeisterung widmen sich die Geschwister dem Tanz, Breakdance, Hip Hop und Gesang und gewinnen zahlreiche Wettbewerbe und Auszeichnungen. Auch die Ausbildung kommt nicht zu kurz: Hassan macht sein Abitur, Lial absolviert eine Ausbildung zur Event Managerin, beide unterstützen die Mutter und jüngeren Geschwister finanziell mit den Einnahmen, die sie durch Theaterauftritte verdienen. Sie zeigen es all denjenigen, die immer bezweifelt haben, dass Einwanderer wie sie einen positiven Beitrag zur deutschen Gesellschaft leisten können.

Lediglich der erst 14jährige und tänzerisch überdurchschnittlich begabte Maradona gerät zumindest zwischenzeitlich auf Abwege. Die Gründe für Maradonas Ärger in der Schule, den Stress mit Behörden und die falschen Freunde glaubt Hassan zu kennen: Maradona habe das Trauma der Abschiebung, als er neun Jahre alt war, nicht verkraftet. Darüber hinaus mangele es an positiven arabischen Vorbildern in den deutschen Medien. Immer gehe es nur um das Scheitern von Integration, um Terrorismus, Islamismus und Kriminalität. Wo sollten da die positiven Identifikationsfiguren herkommen?

In seiner Familie selbst braucht Maradona nicht lange danach zu suchen: Hassan und Lial beeindrucken durch ihre Energie, durch die ungeheure Verantwortung, die sie für die vom Vater getrennt lebende Familie übernehmen und durch die jugendliche Weisheit, mit der sie sich zu Fragen der Integration äußern. Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, so die selbstbewusste Lial, sei keine Frage der religiösen Zugehörigkeit, sondern der sozialen und familiären Verhältnisse, in denen man aufwachse. Hassan weiß: „Wenn man groß wird, muss man erstmal selber verstehen, dass man kein Ausländer ist, sondern ein Deutscher. Dann wird die Integration ganz einfach, weil du sagst, das ist mein Land. Ich will auch hier arbeiten." Und „wenn alle Menschen gleich wären", so Lial, „dann wäre die Welt doch langweilig." Da kann man den Geschwistern Akkouch nur Recht geben.

Annika Kahrs, Bündnis für Demokratie und Toleranz (BfDT)



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