10.03.2010

Hoffnung auf ein selbstbestimmtes Leben

Die Fremde – Ab 11. März 2010 im Kino

Foto: Film-Plakat "Die Fremde"
Von Dorothea Nakas (Bündnis für Demokratie und Toleranz)

DIE FREMDE ist ein Film über Ehrenmord. Wer nun glaubt, dass die üblichen Klischees bedient oder Klassifizierungen in schwarz und weiß, gut und böse vorgenommen werden, sieht sich getäuscht. Eindringlich vor Augen geführt wird das authentische Porträt einer Familie auf dem Prüfstand.

Umay flieht mit ihrem Sohn Cem vor ihrem gewalttätigen Ehemann Kemal aus Istanbul zu ihrer Familie nach Berlin. Die Freude der Familie über ihre Ankunft trübt sich, als sie ankündigt, sie werde nicht zu ihrem Mann zurückkehren und ihren Reisepass verbrennt. Kemal will Umay nicht wieder zurückhaben – wohl aber seinen Sohn. Da die Familie Kemal in seinen Forderungen unterstützt, fliehen Umay und Cem erneut – in ein Frauenhaus.

Den ersten guten Rat schlägt Umay aus: „Nimm das erste halbe Jahr keinen Kontakt zu deiner Familie auf! Lass sie nicht wissen, wo du bist.“ Aber Umay vertraut auf die Liebe. Auf die Liebe ihrer Mutter Halime, sprachlos vor Mitgefühl, in deren Mimik Verständnis und Missbilligung im Widerstreit liegen. Auf die Liebe ihres Vaters Kader, der sich vorwirft, in der Erziehung versagt zu haben, weil er das Verhalten seiner Tochter nicht verstehen kann. Die Liebe des kleinen Bruders Acar, an der Schwelle zum Erwachsenen, den sie großgezogen hat wie eine Mutter. Die Liebe des großen Bruders Mehmet, selbst wenn er Umay gegenüber besonders hart und unnachgiebig sein will, weil er glaubt, dass sein Vater es so von ihm erwartet. Und die Liebe der kleinen Schwester Rana, die ihr von dem Mann vorschwärmt, den sie bald heiraten wird. Umay glaubt an die Stärke dieser Gefühle.

Schon nach kurzer Zeit setzt sie sich wieder mit ihnen in Verbindung, denn sie möchte sich und Cem davor bewahren, von der Familie distanziert und entfremdet zu werden. Sie glaubt an Versöhnung – und scheitert. Denn während sie sich mit Cem ein selbstbestimmtes Leben abseits der Familie mit eigener Wohnung und einer neuen Liebe aufbaut, gerät das Weltbild ihrer Eltern und Geschwister ins Wanken. Sie erfahren gesellschaftliche Ächtung. Bei der Arbeit wird Kader wegen mangelnder Autorität zum Gespött seiner Kollegen. Ranas Verlobung wird durch die Familie des Bräutigams wegen der Schande gelöst. Nur für einen wesentlich höheren Brautpreis sind sie bereit, Rana doch noch als Schwiegertochter zu akzeptieren.

Umay erscheint mit Cem zu Ranas Hochzeit. Sie sind nicht erwünscht und werden vor die Tür gesetzt. Ein Versöhnungsversuch mit dem Vater endet in Betroffenheit und Resignation. Umay kann gerade noch verhindern, dass Cem von seinem Vater und ihren Eltern entführt wird und erkennt, dass ein neues Leben nur in einer anderen Stadt möglich ist. Trotzdem eilt sie ins Krankenhaus zu ihrem Vater, als er einen Herzinfarkt erleidet. Er bittet seine Tochter um Verzeihung und Umay glaubt, der Streit sei begraben. Aber sie weiß nicht, wofür er Vergebung will: Die Männer der Familie haben den jüngsten Bruder dazu auserkoren, die Ehre der Familie wieder herzustellen. Vor dem Krankenhaus treffen sie aufeinander.

DIE FREMDE ist ein mutiger, intensiver und bewegender Film. Mut machen vor allem die Frauen. Sie sind die wirklich starken Charaktere des Films und lassen allen Widrigkeiten zum Trotz auf die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens hoffen.

DIE FREMDE wurde mit dem FBW-Prädikat „besonders wertvoll“, dem Preis der Europa-Cinemas und dem Filmpreis des 1. Kirchlichen Festivals ausgezeichnet und startet am 11. März 2010 in den Kinos. Für den Schulunterricht sind umfangreiche auf den Film aufbauende Lehrmaterialien ab dem 15. März 2010 erhältlich, zu beziehen über die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Weitere Informationen und Materialien unter Interner Linkwww.diefremde.de.


Interner LinkHomepage zum Film "Die Fremde"