09.09.2009

Die Woche der Sprache und des Lesens in Neukölln

Foto: Initiative Neukölln
Foto: Initiative Neukölln
Foto: Initiative Neukölln
Von Kazim Erdogan (Aufbruch Neukölln e.V.)

In Berlin, insbesondere in Berlin-Neukölln leben überdurchschnittlich viele Menschen unterschiedlicher Herkunftsländer zusammen. Der überwiegende Teil besitzt eine geringe Schul- bzw. Berufsqualifikation. Das eigene Einkommen liegt oft unter der Grundsicherung. Investitionen in die Bildung der Kinder sind durch die Eltern nur schwer zu erbringen. Probleme in der Kommunikation, unterschiedliches Sozialverhalten und eine gewisse Aussichtslosigkeit, sich aus eigener Kraft aus dieser Situation zu befreien und eine Zukunftsperspektive zu entwickeln, führen nicht selten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und Intoleranz gegenüber Personen einer fremden Sprache oder Kultur. Diese Ausgangslage fördert die Bildung von Parallelgesellschaften und Rückzugstendenzen vieler einzelner Bewohner in Neukölln.

Um diesen Tendenzen entgegenzutreten hatte ich die Idee, in dem Bezirk Neukölln eine Woche der Sprache und des Lesens durchzuführen. Zusammen mit der Initiative für ein noch besseres Neukölln, Aufbruch Neukölln e.V. und zahlreichen Unterstützern aus dem Bezirk wurde das Projekt 2006 erstmalig realisiert. Das Ziel war, bildungsfernen Bürgern die Sprache und die unterschiedlichen Kulturen durch zahlreiche Zusammenkünfte näherzubringen, Vorurteile abzubauen, gegen Gewalt einzutreten und um das gegenseitige Verständnis zwischen den unterschiedlichen Kulturen zu werben. Es wurden Lesungen und Kulturveranstaltungen in unmittelbarer Nähe der Menschen, in Arztpraxen, U-Bahnhöfen, Cafés, auf Wochenmärkten, in Schulen, Kitas, Bibliotheken, Parks usw. durchgeführt. Die erste Sprachwoche im Jahr 2006 wurde von etwa 8000 Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen und Ländern besucht und fand eine positive Resonanz bei der Bevölkerung in ganz Berlin und den Beteiligten. Es folgte eine zweite Woche der Sprache und des Lesens 2008. Bei insgesamt 480 Veranstaltungen an 220 Orten mit 250 Autorinnen und Autoren und über 20.000 Besuchern war die Resonanz diesmal überraschend groß. Einer der Schwerpunkte der Sprachwochen 2008 waren Kinder und Jugendliche. Mit Freude konnte
festgestellt werden, dass an den Aktivitäten der Sprachwochen 40 der 77 Neuköllner Schulen und insgesamt 60 Kindertagesstätten teilgenommen haben. Durch die Lesungen, Gespräche, Theaterstücke, musikalische Darbietungen in Einrichtungen und Plätzen wurde der ganze Bezirk Neukölln zwei wochenlang in eine riesige Bühne für alle Berliner verwandelt. Über die Sprachwochen wurde in Presse, Funk und Fernsehen ausführlich berichtet. Im Rahmen der Wochen der Sprache und des Lesens konnten durch die Art der Veranstaltungen, z.B. Lesungen auf öffentlichen Plätzen, auch Menschen erreicht werden, die als politik- und bildungsfern bezeichnet werden. Durch die dargebotenen Texte und Aktivitäten fand eine Einbindung dieser Menschen in die gesellschaftspolitische Entwicklung statt. Insgesamt muss hervorgehoben werden, dass alle Voraussetzungen der Wochen der Sprache und des Lesens darauf ausgerichtet waren, gesellschaftspolitische Entwicklung anzutreiben, Diskussionen zwischen Menschen auszulösen und Impulse zum Nachdenken über die eigene Rolle in der Gesellschaft zu geben. Zugleich sollten auch Anregungen gegeben werden, im gesellschaftlichen Prozess aktiv einzugreifen, sich gegen Gewalt und Rassismus einzusetzen und das Kennenlernen fremder Kulturen als Bereicherung zu empfinden.

Nach den Erfolgen der Woche der Sprache und des Lesens in Neukölln 2006 und 2008 wird eine weitere Sprachwoche im Jahre 2010 vom 29.05. bis zum 6.6.2010 unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit stattfinden. Hierfür werden noch ehrenamtliche Kräfte sowie finanzielle Unterstützung gebraucht. Mehr Infos unter Interner Linkwww.initiative-neukoelln.de!