25.08.2009
„Erinnern für die Zukunft“ zum Internationalen Roma-Gedenktag in Auschwitz
Erinnerungsfahrt vom 31. Juli bis 4. August 2009
Seit 1985 führt der Zentralrat der Sinti und Roma Fahrten zum Internationalen Roma-Gedenktag am 2. August nach Auschwitz durch – dem Tag, an dem bei der „Liquidierung des Zigeunerlagers“ in Auschwitz 3000 Sinti und Roma den Tod in den Gaskammern fanden. Gemeinsam mit dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma entsendete der Zentralrat auch dieses Jahr eine Delegation von Zeitzeugen, um gemeinsam mit den Überlebenden den Opfern des Nationalsozialismus zu gedenken.Das Bündnis für Demokratie und Toleranz (BfDT) unterstützt zum zweiten Mal die jährliche Erinnerungsfahrt. 2008 war es erstmals möglich, dass auch junge Sinti und Roma die Delegation der Holocaust-Überlebenden begleiten. Auch in diesem Jahr gehörten 30 der ca. 100 Teilnehmer der 3. und 4. Generation an. Die Fahrt vom 31. Juli bis 4. August 2009 umfasste dabei verschiedene Stationen und Programmpunkte. Ein Großteil widmete sich dem Gedenken an die Ermordung der Sinti und Roma unter dem NS-Regime. Die Teilnehmer sollten auf der Fahrt die Möglichkeit haben, an die Geschichte ihres Volkes und ihrer Familien zu erinnern. „Die meisten Menschen können zum Friedhof gehen, wenn Sie um ihre Angehörigen trauern. Wir aber müssen hierher kommen,“ sagte die Holocaust-Überlebende Luise Bäcker in ihrer Ansprache auf der offiziellen Gedenkveranstaltung am 2. August. „Hier, irgendwo auf diesem riesigen Friedhof, liegen ihre sterblichen Überreste.“ Viele ergreifende Momente begleiteten die Besuche der verschiedenen Gedenkstätten, so der „schwarzen Wand“ im Stammlager und bei der Kranzniederlegung im Abschnitt BIIe in Auschwitz-Birkenau.
Das Erinnern ist ein großes Bedürfnis der Überlebenden und der nachkommenden Generationen. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist aber auch wichtig für die Gegenwart und Zukunft. Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma erklärte auf seiner Rede beim offiziellen Festakt, wie bedeutend die Fahrt auch für die Aufarbeitung des Völkermords in der Öffentlichkeit und Geschichtsschreibung sei: „Dass wir uns am 65. Jahrestag dieses bestialischen Verbrechens über alle nationalen Grenzen hinweg hier zusammengefunden haben, um unseren Toten die Ehre zu erweisen, ist ein weithin sichtbares Zeichen, dass die Nazi-Barbarei nicht über uns triumphiert hat.“
Um eine lebendige und produktive Erinnerungskultur zu schaffen, muss diese immer auch zukunftsgerichtet sein. Viele der Redner – Politiker und Zeitzeugen – richteten das Wort deshalb besonders an die 3. und 4. Generation der Sinti und Roma. Diese begleiteten die Zeitzeugen auf den Spuren der Geschichte ihrer Familien und ihres Volkes. Der Dialog zwischen den verschiedenen Altersgruppen, aber auch zwischen den unterschiedlichen Nationen war als wichtiger Bestandteil der Fahrt geplant. Aus diesem Grund trafen die jungen Sinti und Roma im Rahmen der Erinnerungsfahrt auch auf weitere Delegationen Jugendlicher unter anderem aus Polen, Ungarn und Tschechien. Gemeinsam arbeiteten sie in einem Workshop, der sich handlungsorientiert mit der Identität und den Konflikten von Minderheiten in Mehrheitsgesellschaften befasste. Mit Hilfe der drei Schwerpunktfragen „Wie stellt sich die Situation für Sinti und Roma dar?“; „Gibt es Hürden in der Minderheits/Mehrheitsgesellschaft?“ und „Was müsste passieren damit sich die Situation positiv verändert?“ untersuchten sie die jeweilige Situation in ihren Heimatländern. Durch das Feststellen von Kontinuitäten und Differenzen soll sich langfristig das Selbstverständnis der Sinti und Roma schärfen und ihr Selbstbewusstsein als Minderheit in den europäischen Staaten gestärkt werden. Denn nur durch die Sensibilisierung der nächsten Generationen für Geschichte und politische Kultur kann die Situation für Minderheiten in ganz Europa nachhaltig verbessert, die neuerstarkende rassistische Ideologie und Gewalt bekämpft und die demokratischen Rechte jedes Menschen gesichert werden.


