06.05.2008
Kritisch – Hellwach – diskussionsfreudig - Schüler diskutieren mit Medien Experten
Gastbeitrag von Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Staatssekretärin a.D. und Mitglied im Beirat des BfDT
Das ist schon jetzt eine Erfolgsstory: Jugendliche diskutieren mit Fachleuten aus Fernsehen, Funk und Presse über die Berichterstattung zum Thema „Migration" in den Medien. Begonnen hat es vor etwas mehr als einem Jahr in Berlin: Gemeinsam mit der amerikanischen Botschaftkonzipierte das „Bündnis für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt" ein solches Treffen, zwei weitere haben jetzt in Hamburg und München stattgefunden.Unter dem Titel „Wie seht ihr uns?" kommen rund 150 Schüler mit Journalisten und Medien-Experten zusammen - und reden sich mehrere Stunden lang die Köpfe heiß.
Die Hamburger Veranstaltung habe ich als Zuhörerin und Moderatorin eines Workshops hautnah miterlebt. Ich kann nur sagen: Hut ab vor den jungen Leuten, die exzellent vorbereitet zu dem Treffen erschienen und die Medien-Profis mit ausgewählten Fotos und Textbeispielen konfrontierten. Sie kamen aus ganz unterschiedlichen Hamburger Stadtteilen, aus so genannten „Problemvierteln" mit hohem Ausländer- und Spätaussiedler-Anteil wie Wilhelmsburg, Altona und Allermöhe, aber auch aus „Elite"-Gymnasien wie dem ehrwürdigen Christianeum, aus der Stiftung Berufliche Bildung und als Mitglieder eines Azubi-Stammtisches. Jugendliche aus Migrantenfamilien saßen neben deutschstämmigen Schülern, Kopftuch-Trägerinnen neben Mädchen mit wilder Lockenpracht. Allen gemeinsam waren die Diskussionslust und das vitale Interesse an dem Thema. Rede und Antwort standen ihnen gestandene Journalisten, unter ihnen „Spiegel"-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron, Hans-Jörg Vehlewald (Chefreporter Politik bei der BILD-Zeitung), Karl Günther Barth (stellvertretender Chefredakteur des „Hamburger Abendblatts") undAndreas Pawlouschek, Chef vom Dienstder ARD-Tagesschau, zu den Workshops kamen noch Journalisten „mit Migrationshintergrund" hinzu. Und schon das Auftakt-Referat des Dortmunder Medienwissenschaftlers Prof.Dr.Ulrich Pätzold lieferte die Grundmelodie der gesamten Veranstaltung: Anders als zum Beispiel in den USA wird das Thema „Migration" in Deutschland vor allem mit Konflikten, sozialen Problemfeldern und Bedrohungsszenarien in der Auseinandersetzung mit dem Islam verknüpft. Und: in den Redaktionen selbst sind Migranten als Berichterstatter, Moderatoren oder gar Chefs spärlich vertreten.
Die 15- bis 19jährigen Schüler wollen gar nicht, dass Probleme wie Kriminalität und Gewaltbereitschaft in der Berichterstattung über Zuwanderer beiseite gefegt werden. Sie verlangen aber einen differenzierten Umgang mit dem Thema, sie wünschen sich auch mal Artikel über erfolgreiche, gut integrierte Migranten - auch wenn die Medienvertreter in der Diskussion dagegen einwandten, dass Journalisten insgesamt - ihrer Berufsauffassung und ihrem publizistischen Auftrag entsprechend - eher dazu neigen, über Missstände und Fehlentwicklungen zu informieren. Aber warum wird ein ausländischer Straftäter mit den Worten „der Türke" oder „der Russe" beschrieben, ein deutscher nicht! Und warum wählte die „Tagesschau" als Illustration zur Nachricht von der Veröffentlichung des Berichtes zur Lage der Zuwanderer ein Bild, das Klischees bestätigt: Die Rückenansicht zweier untersetzter Frauen mit Kopftüchern, in jeder Hand prall gefüllte Plastikbeutel?
Die Medien sollten Klischees bekämpfen anstatt sie zu verstärken, so der Tenor vieler kritischer Bemerkungen aus den Reihen der Schüler. Sie können - so die Antwort der Medien-Experten - aber durchaus Einfluss auf die Berichterstattung nehmen. Briefe und E-Mails an die Redaktionen zeitigen Wirkung, vor allem wenn sie in größerer Anzahl eintreffen. Viele gute Vorschläge wurden in den Workshops diskutiert. Manche Schüler wünschen sich Beiträge - etwa im Radio - in denen sowohl junge Zuwanderer als auch Deutsche zu Wort kommen und einander charakterisieren. Oder Sendungen, die wie ein Ratespiel Hörer oder Zuschauer dazu auffordern, die zuvor beschriebene Kultur eines nicht genannten Landes zu identifizieren. Ein realistischeres Bild von Migranten in Deutschland wird dann entstehen - so das Fazit vieler Wortbeiträge - , wenn tatsächlich mehr Zuwanderer als bislang in den Redaktionen und Funkhäusern arbeiten und über die Inhalte und Themen mit bestimmen können. Jugendliche Migranten sollten den Mut haben, sich zu bewerben , so der Rat der Tagesschau-Redakteurin Marjan Parvand und von Canan Topcu, Redakteurin bei der „Frankfurter Rundschau".
Vertreter der Körber-Stiftung, die das Hamburger Treffen gemeinsam mit dem amerikanischen Generalkonsulat und dem „Bündnis für Demokratie und Toleranz" vorbereitet hatten, berichten von vielen überaus positiven Reaktionen, die noch Tage nach der Veranstaltung bei ihnen eingingen. Ähnlich das Echo auf das Münchner Dialog-Forum, das in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk gestaltet worden war. „Ganz wesentlich ist, dass wir mit den jungen Migranten reden und nicht über sie. Und dabei lernen alle sehr viel, auch wir", so „Bündnis"-Mitarbeiterin Breschkai Ferhad, die die „Wie seht Ihr uns!?"-Reihe seitens des BfDT organisiert. „Wir setzen die Serie an wichtigen Medien-Standorten fort. Es lohnt sich."




