18.01.2016
Interview mit Aktion Noteingang
Die Aktion NOTEINGANG entstand 1998 in Bernau / Kreis Barnim in Brandenburg, wurde 2000 mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet und ist inzwischen in verschiedenen Städten realisiert worden.Seit 2003 werden im Rahmen der Aktion NOTEINGANG handlungsorientierte halbtägige Schulungen in Münster durchgeführt. Dabei entstehen oft gute Kooperationen, bspw. mit den regionalen Kaufmannschaften, Bildungshäusern, Kirchen und Jugendeinrichtungen.
Nach der halbtägigen Schulung erhalten die jeweiligen Institutionen einen Aufkleber. Mittels der Fortbildung wird den dort Tätigen Verhaltenssicherheit gegeben, aber auch die Qualität der Aktion Noteingang gesichert. Ein bloßes Verteilen der NOTEINGANG Aufkleber ist ausgeschlossen.
Interview mit Herrn Michael Geringhoff
Welche Ziele verfolgt die Aktion Noteingang und wie funktioniert der genaue Ablauf?
Vom Netzwerk Gewaltprävention und Konfliktregelung Münster soll mit der Aktion NOTEINGANG gewalttätigen, antisemitischen, rassistischen, diskriminierenden Angriffen vorgebeugt werden.
Sollte es dennoch zu einer Gefahrensituation kommen, signalisieren die jeweiligen Institutionen mit dem Aufkleber Bereitschaft zur Hilfe. So wird Sensibilität für Gewalt entwickelt, Solidarität mit den Betroffenen gezeigt und Unterstützungsmöglichkeiten für mögliche Opfer geschaffen. Bei der Aktion NOTEINGANG geht es auch darum, weitere Bündnispartner zu suchen und zu finden und dann an der Haus-, Laden-, Auto-, Dienststellentür usw. den DIN A5 Aufkleber anzubringen.
In Münster haben inzwischen 67 geschulte Institutionen einen "Noteingang" für Opfer von Konflikten und Gewalt, vom Jugendzentrum über die Beratungsstelle bis zur Kneipe.
Wer soll mit dieser Aktion angesprochen werden?
Mit diesem Aufkleber sollen alle Menschen angesprochen werden, die in Bedrohungs- oder Gewaltsituationen Schutz benötigen. Jeder Mensch kann in eine Situation geraten, in der er Hilfe benötigt. Gut ist es dann zu wissen, wo man Hilfe bekommt. Hilfeleistung für Menschen in Not ist Bürgerpflicht und eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Oft gerät dies in Vergessenheit.
Welche Tipps geben Sie im Rahmen der Aktion NOTEINGANG?
Vorweg, es gibt nicht die eine Lösung für Konflikt- oder Gewaltsituationen. Es gibt bewährte Verhaltenstipps, die einen Übergriff minimieren oder auch Dritte zur Hilfe aktivieren. Wichtig ist es bei den Schulungen neben den allgemeinen Tipps die individuellen Stärken des Helfenden zu fördern und zu stärken. Jeder und jede Helferin kann etwas besonders gut.
Allgemeine Verhaltenstipps für den Ernstfall der Aktion NOTEINGANG
1. Seien Sie vorbereitet
Eine Bedrohungssituation entsteht oft plötzlich. Schon vorher eine solche Situation durchzuspielen, kann durchaus hilfreich sein. Versetzen Sie sich in die Rolle des Opfers oder eines Zeugen, wenn ein Mensch belästigt, bedroht oder gar angegriffen wird. Überlegen Sie, was Sie in einer solchen Situation fühlen würden. Stellen Sie sich Ihre verschiedenen Handlungsmöglichkeiten vor: Im Ernstfall kann alles sehr schnell gehen.
2. Bleiben Sie ruhig
Konzentrieren Sie sich darauf, das zu tun, was notwendig ist. Vermeiden Sie provokantes Auftreten und hastige Bewegungen, um einen Angreifer nicht zusätzlich herauszufordern.
3. Reagieren Sie aktiv
Zeigen Sie, dass es Ihnen nicht gleichgültig ist, was passiert. Reagieren Sie sofort. Warten Sie nicht, dass andere helfen. Jede Handlung verändert die Situation und kann andere dazu bringen, ebenfalls einzugreifen. Nehmen Sie Blickkontakt zum Opfer auf, das vermindert die Angst. Sprechen Sie das Opfer direkt an: „Ich helfe Ihnen!“.
4. Begeben Sie sich nicht in Gefahr
Spielen Sie nicht den Helden. Drohen Sie dem Angreifer nicht und werten Sie ihn nicht persönlich ab. Bleiben Sie beim „Sie“, nicht duzen. Versuchen Sie, mit dem Angreifer ein Gespräch aufzunehmen, es könnte die Situation entspannen. Verhalten Sie sich nicht unterwürfig – das würde den Täter stärken.
Bringen Sie das mögliche Opfer sofort aus dem Sichtfeld des Angreifers und in Sicherheit.
5. Machen Sie andere aufmerksam
Versuchen Sie, möglichst viele Menschen auf die Situation aufmerksam zu machen. Schreien Sie laut, am besten „Hilfe!“, darauf reagiert jeder.
In Bussen: Alarmieren Sie den Fahrer oder die Mitfahrenden. Gewalttäter scheuen die Öffentlichkeit und die Gefahr, wieder erkannt zu werden.
6. Aktivieren Sie andere zur Hilfe
Rufen Sie mehrere einzelne Personen direkt zur Hilfeleistung auf, statt die Allgemeinheit anzusprechen. Viele sind bereit zu helfen, wenn ein erster Schritt getan ist und sie persönlich angesprochen werden. „Hallo, Sie mit der blauen Jacke ...“
7. Rufen Sie umgehend die Polizei – Telefon 110
Halten Sie die telefonische Verbindung. Auch bei Handys ist die Rufnummer 110 kostenlos.
Beobachten Sie genau und merken Sie sich das Aussehen, Kleidung und Fluchtweg der Täter. Melden Sie sich als Zeuge.
Wer kann sich an der Aktion beteiligen?
Fast jeder. Wichtig ist es lokal mit weiteren kompetenten Trägern ein Konzept zu entwickeln.
Die "Aktion Noteingang" in Münster sucht Bündnispartner, die ihre Bürgerpflicht – Menschen in Not zu helfen – ernst nehmen und dies auch mit dem Aufkleber (DIN A5) an der Haus-, Laden-, Auto- oder Dienststellentür zeigen. Es geht darum, Sensibilität, Zivilcourage und Solidarität zu entwickeln, zu stabilisieren und öffentlich zu machen. Dies sind häufig Institutionen oder Gewerbetreibende. Privatpersonen oder –haushalte sind ausgenommen, da möglicher Missbrauch vorgebeugt werden soll.
Vermehrt haben wir in letzter Zeit viele Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet. Hier gibt das Netzwerk Gewaltprävention Münster erste Hilfestellungen und inhaltliche methodische Unterstützungen.
Kontaktdaten sowie weiterführende Informationen finden Sie

