06.07.2009

„Knast ist uncool“ – ein Projekt des Caritasverbandes Hameln-Holzminden

Foto: Beim Jubiläum ("Knast ist uncool")
Foto: Freitag-Abend-Sport ("Knast ist uncool")
Foto: BfDT-Preisverleihung in Münster ("Knast ist uncool")
Von Monika Koshany (Anlauf- und Beratungsstelle für Straffällige, RESOHELP Hameln)

„Knast ist uncool“ – Viele Rapper und manche Medien stellen es eher so dar: „Du bist nur ein richtiger Mann, wenn du im Knast gesessen hast.“ Aber ist das wirklich so? Knast bedeutet Freiheitsentzug und Verlust der Selbstbestimmung. Diese knallharten Erfahrungen hauen auch die härtesten Jungs um.

Vor ca. 1 1/2 Jahren kam es in einem sozialschwachen Hamelner Stadtteil immer wieder zu Sachbeschädigungen, Jugendkriminalität und negativen Schlagzeilen in der Presse. Wir von der Anlaufstelle für Straffällige haben überlegt, wie man Abhilfe und Entspannung schaffen kann. Bei unserer Arbeit in der Jugendanstalt Hameln, dem größten Jugendstrafvollzug Deutschlands, sehen wir täglich, dass viele Inhaftierte den Tränen nahe sind, wenn sie realisieren was Knast wirklich bedeutet. Dieses Gefühl soll möglichst vielen Jugendlichen erspart bleiben.

Erzählt ein Sozialarbeiter den gefährdeten Jugendlichen wie hart das Knastleben ist, wird das von ihnen als Moralpredigt angesehen. Es kommt nicht an und es wird sich nichts in ihrem Verhalten ändern. Sie werden weitermachen wie bisher, bis es zu spät ist. Deshalb kam uns die Idee, die Vermittlung auf einer authentischen und glaubwürdigen Ebene zu probieren. Und wer könnte das besser vermitteln, als Betroffene der Jugendanstalt Hameln, die schon ihre Strafe und realistische Erfahrungen im geschlossenen Vollzug hinter sich haben und jetzt im offenen Vollzug einsitzen. Natürlich war dieser Weg erst sehr umstritten. Ob sich über die Einbindung und die Erfahrungen ausgerechnet von jungen Inhaftierten den gefährdeten Jugendlichen andere Verhaltensmuster im Umgang mit Frust, Langeweile und Zerstörungswut vermitteln ließen, musste sich erst herausstellen.

Wir mussten einen Zugang finden. In einigen Probeläufen führten wir Billard- und Skatturniere durch und waren von der Resonanz beeindruckt. Im Oktober 2007 wurde das Projekt bei der Preisverleihung des Elisabethpreises im Bistum Hildesheim mit dem Sonderpreis für besonders innovative Projekte ausgezeichnet und erhielt ein Preisgeld. Das war der Startschuss – wir mussten dran bleiben! Nun ging es um das Einwerben von Geldern, das Finden von Finanzierungsmöglichkeiten. Wir suchten Kontakt zum Landespräventionsrat Niedersachsen. Auch hier war man erst skeptisch, aber dann doch bereit, das Projekt für ca. zwei Jahre finanziell zu unterstützen, begleitet von einer Evaluation. Am 4. Juni 2008 wurde dann das Projekt offiziell an den Start gebracht.

Die Mitarbeiter des Projekts, eine Honorarkraft mit vier Wochenstunden und zwei junge, ehrenamtlich tätige Justizvollzugsbeamte haben versucht mit verschiedenen Ansätzen und Aktivitäten die Ziele des Projektes umzusetzen. Sie haben erst einmal u.a. im Jugendzentrum des Stadtteils Kontakt zu den Jugendlichen gesucht und am vierzehntägigen Freitag-Abend-Sport teilgenommen. Sie haben die Jugendlichen vor Ort in ihrem Lebensraum aufgesucht und abgeholt, wo sie standen. Es war eine immense Vertrauens- und Beziehungsarbeit notwendig. Sehr schnell wurden dann auch die Inhaftierten des offenen Vollzugs mit ins Boot geholt um gemeinsame Aktivitäten zu starten. Alle Inhaftierten, die dort mitmachen, tun das freiwillig und stehen hinter dem Konzept. Natürlich gab es anfänglich Probleme. Das erste Street Soccer Turnier musste beinahe abgebrochen werden, weil es bei fast allen beteiligten Jugendlichen nur um Kraft, Sieg und „die große Klappe“ ging, weniger um Fairplay, Gemeinschaft und ein Miteinander. Aber wen wunderte das, die Jugendlichen kannten auch keine andere Art um auf sich aufmerksam zu machen und sich zu beweisen. Als die Inhaftierten das erste Mal mit zum Freitag-Abend-Sport kamen, hieß es von den Jugendlichen: „Was wollen denn die Knackies hier?“ Aber die Inhaftierten haben sich durch die erste Ablehnung nicht abschrecken lassen. Sie sind immer wieder mutig mitgegangen und haben in Gesprächen versucht den Jugendlichen deutlich zu machen, dass sie im Knast landen, wenn sie so weiter machen. Und dass Knast längst nicht so harmlos ist, wie sie vermuten. Denn viele Jugendliche haben völlig falsche Vorstellungen vom Gefängnisalltag. Aber langsam lernten sie, sich gegenseitig zu respektierten und begannen etwas miteinander, nicht gegeneinander zu unternehmen. Dabei ging es vor allem um gemeinsame Gespräche, den Austausch und das Erarbeiten von Alternativen im Umgang mit Gewalt. Auch beim Freitag-Abend-Sport zeichneten sich langsam Erfolge ab. Man spielte gemeinsam, akzeptierte Regeln ohne sie dauernd wieder neu diskutieren zu müssen. Die Jugendlichen bildeten gemischte Mannschaften, ließen auch Mädchen mitspielen, denn auch bei ihnen nimmt die Gewaltbereitschaft immens zu. Inzwischen nehmen ca. 30 Jugendliche und Inhaftierte regelmäßig am Freitag-Abend-Sport teil. Und als die Jugendlichen vor ein paar Wochen beim Fußball fragten: „Wo ist denn heute der Marcel aus dem offenen Vollzug?“, wussten wir, unsere Idee hat geklappt. Es hieß nicht mehr „der Knackie“, ein Interesse am gemeinsamen Miteinander war entstanden. Aber auch die Inhaftierten profitieren von dem Projekt. Sie übernehmen soziale Verantwortung und sehen, dass man sie ernst nimmt, dass sie gebraucht werden. Trotz ihrer kriminellen Vergangenheit.
„Straffälligkeit - nein danke - Vorbeugen ist besser als Knast“, lautet die Devise für alle Beteiligten im Projekt. Aber mit Sorge blicken wir ans Jahresende, wenn die Finanzierung ausläuft. Es muss gelingen, neue Sponsoren zu finden, denn unser Wunsch ist natürlich: „Knast ist uncool“ darf nicht sterben!

Mehr Informationen unter Interner Linkwww.caritashaus-hameln.de!