21.11.2014
Vorbildliches zivilgesellschaftliches Engagement für Willkommenskultur auf dem 7. Wunsiedler Forum



Beim diesjährigen "Wunsiedler Forum", das sich vor allem an Verantwortliche aus Politik, Verbänden und Initiativen richtete, wurden unter anderem Praxisbeispiele aus Kommunen, Sportvereinen und Jugendarbeit vorgestellt. Außerdem ging es bei der Tagung um Strategien gegen die Instrumentalisierung des Flüchtlings- und Asylthemas durch Rechtsextreme und Rechtspopulisten.
Welche Relevanz das Thema derzeit in Politik und Gesellschaft darstellt, ließ sich an der hohen Zahl der Teilnehmenden und den angeregten Diskussionen erkennen. Die Stadt Wunsiedel selbst hat in den vergangenen Monaten eine große Anzahl an Kontingentflüchtlingen und Asylbewerber/-innen aufgenommen, wie auch andere Kommunen über die Landesgrenzen hinaus. Daher bestand im Vorfeld der Veranstaltung ein großes Interesse, die Engagierten aus den Initiativen, die sich aktiv für eine "Willkommenskultur" einsetzen, am Gespräch zu beteiligen und Möglichkeiten der Vernetzung zu bieten. Denn es wurde schnell deutlich, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von Flüchtlingen und Zuwander/-innen in Deutschland größer ist als vermutet. Vielmehr wird seitens der Engagierten erwartet, dass Staat, Länder und Kommunen sich nicht ausschließlich mit finanziellen Ressourcen einbringen, sondern eine angemessen Form der Anerkennung und Wertschätzung des Engagements entwickeln.
Außerdem ist es außerordentlich wichtig, Möglichkeiten der Begegnung zwischen den Beteiligten zu schaffen. "Wenn die Leute mit Flüchtlingen in Kontakt kommen, dann revidieren sie in aller Regel schnell ihre Vorurteile", wie Dagmar Dietz aus Weismain bei Lichtenfels im Podiumsgespräch betonte, die sich zusammen mit der Gruppe "Aktive Bürger" um Asylbewerber/-innen in ihrer Heimatstadt kümmert. Mittlerweile gibt es in dem kleinen Ort sogar eine Theatergruppe von Flüchtlingen, die auf dem Wunsiedler Forum eine Probe ihres Könnens darboten.
Nach dem szenischen Spiel legte der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Dr. Manfred Schmidt, anhand aktueller Zahlen und Fakten einen präzisen Bericht der Rahmenbedingungen dar, in der sich Staat und Gesellschaft bei der Implementierung einer "Willlkommens- bzw. Anerkennungskultur" bewegen. Studien zeigen zwar, dass Deutschland mit der Integration der Einwanderer und Einwanderinnen gut vorankomme, allerdings hätten 71 Prozent der Menschen aus diesen Familien bereits Diskriminierungen bei der Arbeits- oder Wohnungssuche erlebt. Auch appellierte er, dass das Potential der Menschen mit Migrationshintergrund nicht vernachlässigt werden darf. Ihnen muss das Gefühl der Anerkennung und Zugehörigkeit entgegen gebracht werden.
Genau dies gelte auch für die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen. Gegenwärtig seien es voraussichtlich 200.000 Geflüchtete; im kommenden Jahr wird es nach jüngster Prognose einen weiteren Zuwachs auf 230.000 Menschen geben, die ihren Erstantrag auf Asyl einreichen werden.
Im folgenden Podiumsgespräch waren sich die Diskutanten und Diskutantinnen und das Publikum einig, dass dieser Zuwachs enorme Herausforderungen mit sich bringe. Umso gespannter wurde das Programm am Nachmittag erwartet, das die Praxisphase der Veranstaltung einläutete:
In sechs Werkstätten zu den Themenfeldern Öffentliche Kommunikation, Kommunale Praxis, Kinder- und Jugendarbeit, Kirchenasyl, Sport sowie Arbeitswelt wurden die Teilnehmer/-innen eingeladen, neue lokale Handlungsstrategien zu entwickeln. Unterstützt von Inputgebenden aus der Praxis des jeweiligen Themenfelds diskutierten die Teilnehmer/-innen gemeinsam und erarbeiteten Lösungen, die anschließend auf der Bühne präsentiert wurden. Ergänzend stellte Grit Hanneforth die Broschüre "Was tun, damit`s nicht brennt?" vor. Hierbei handelt es sich um einen Leitfaden zur Vermeidung von rassistisch aufgeladenen Konflikten im Umfeld von Sammelunterkünften für Flüchtlinge, der über die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche & Rechtsextremismus, Evangelische Akademie zu Berlin und Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin veröffentlicht wurde und online abrufbar ist.
Die Teilnehmenden zeigten sich mit dem Verlauf der Veranstaltung äußerst zufrieden. Zugleich wurde deutlich, dass die Schaffung einer "Willkommenskultur" nur ein erster Schritt sein kann, denn vielmehr bedarf es einer Gesamtstrategie, die auch eine Praxis der Anerkennungskultur umfasst, wie Dr. Gregor Rosenthal, Leiter der Geschäftsstelle des BfDT, im Ausblick verdeutlichte: "Anerkennungskultur bedeutet, dass auf Seiten der Aufnahmegesellschaft kulturelle und religiöse Vielfalt als Normalität und Ressource für gesellschaftliche Entwicklung empfunden werde. Eine gelebte und umgesetzte Willkommens- und Anerkennungskultur schlägt sich in Begegnung und Dialog nieder. Sie bedeutet Chancengleichheit in Bildung und Beruf und drückt sich in einer gesellschaftlichen und politischen Partizipation aller aus."
Die Diskutierenden waren sich einig, dass auch Migrantenorganisationen einen wichtigen Beitrag zur Etablierung einer Willkommens- und Anerkennungskultur leisten können und sollten daher auch zukünftig stärker in den Prozess der Meinungsbildung einbezogen werden. Das 7. Wunsiedler Forum könnte an dieser Stelle ein erster erfolgreicher Schritt gewesen sein.