12.08.2014

Botschafter für Demokratie und Toleranz 2014 - Nienhagen-Rechtsrockfrei

Interview mit Hans-Christian Anders

Gudrun Schuster und Ute Röhrdanz vom Bürgerbündnis „Nienhagen-Rehtsrockfrei“ mit Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast sowie Moderatorin Shelly Kupferberg (Foto: BfDT)Gudrun Schuster und Ute Röhrdanz vom Bürgerbündnis Nienhagen-Rechtsrockfrei mit Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast sowie Moderatorin Shelly Kupferberg beim Festakt zur Feier des Tages des Grundgesetzes
Bürger/-innen demonstrieren gegen Rechtsextremismus (Foto: Nienhagen-Rechtsrockfrei)
Überall im Dorf wird deutlich, dass die Rechtsextremen nicht willkommen sind (Foto: Nienhagen-Rechtsrockfrei)
Kreative Banner zieren die Straßen (Foto: Nienhagen-Rechtsrockfrei)
Die Initiative Nienhagen-Rechtsrockfrei entstand als Reaktion auf die Vorbereitung und Durchführung von rechtsextremistischen Musikveranstaltungen in Nienhagen, Sachsen-Anhalt. Das 380-Seelen-Dorf hat jedes Jahr mit Konzerten der rechten Szene zu kämpfen, die in den Sommermonaten bis zu 1800 Nazis nach Nienhagen locken. Nur ein Großaufgebot der Polizei verhindert, dass die Situation im Ort eskaliert. Nienhagen ist dabei letztlich Sammelpunkt für latent gewaltbereite Rechtsextreme. Die Initiative hat inzwischen rund 100 Unterstützer/-innen aus Politik (Kommune, Land und Bund) und anderen gesellschaftlichen Bereichen über die Dorfgrenzen hinaus. Nienhagen-Rechtsrockfrei hat es somit geschafft, eine Öffentlichkeit für das Problem der Rechtskonzerte zu schaffen.

Interview mit Hans-Christian Anders:

Wann und warum nahm Ihre Initiative ihren Anfang?
Die Initiative fand sich im Frühjahr 2012 zum ersten Mal zusammen. Startschuss war der Film "Blut muss fließen", welcher in Nienhagen aufgeführt wurde und sehr eindringlich dokumentierte, was sich auf solchen Konzerten abspielt.

Wie konnten Sie die meist älteren Dorfbewohner/-innen zum Mitmachen motivieren?
Die Aktivierung ist ein wirklich schweres Feld. Denn die Auswahl von kleinen Orten als Basis für solche Veranstaltungen geschieht ja nicht von ungefähr. Die Neonazis können sich i.d.R. relativ sicher fühlen, dass wenig Widerstand aus dem bürgerlichen Lager kommt, weil hier die Anonymität fehlt, sowie die Angst und Sorge groß ist. Aber der Verlust an Lebensqualität ist für die Einwohner/-innen aus Nienhagen Grund genug, sich zu artikulieren.

Ende 2012 führte die Initiative eine Befragung unter allen kommunalwahlfähigen Bürger/-innen durch. Die Bewohner/-innen sprachen sich klar gegen die Konzerte aus. Was hat sich seit der Befragung im Dorf verändert?
Das Ergebnis war beeindruckend: Mit einer erfreulich hohen Wahlbeteiligung von fast 2/3 aller Wähler/-innen sprachen sich die Nienhagener Einwohner/-innen zu 80% klar gegen die Konzerte aus. Das Ergebnis der Befragung hat den Einwohner/-innen gezeigt, wie die tatsächliche Stimmungslage im Dorf ist. Sie zeigte, dass niemand mit seinen Sorgen und Ängsten allein dasteht.

Mittlerweile ist Nienhagen-Rechtsrockfrei Vorbild für andere Initiativen. Wie haben Sie sich mit anderen Initiativen deutschlandweit vernetzt?
Wir haben von Anfang an die Öffentlichkeit gesucht, um auf das Problem in Nienhagen hinzuweisen. Mittlerweile gibt es gute und enge Kooperationen mit unterschiedlichen regionalen Initiativen, z.B. dem "Bürgerbündnis für ein gewaltfreies Halberstadt" oder der Initiative "Groß Germerlsleben rechtsrockfrei". Aber auch überregionale Initiativen unterstützten uns, wie z.B. "Laut gegen Nazis e.V.". Darüber hinaus pflegen wir einen engen Kontakt zum DGB und zur evangelischen Kirche.

Was haben Sie geplant, um die nächsten Rechtsrockkonzerte zu verhindern bzw. den Rechtsextremen nicht den Raum zu überlassen? Das letzte Konzert fand erst kürzlich, am 28. Juni 2014, statt. Wir hatten dabei den öffentlichen Raum um das Konzertgelände versammlungsrechtlich belegt und ihn mit buntem Leben gefüllt. Somit haben wir den Neonazis schon bei der Anreise gezeigt, dass ihre politisch und gesellschaftlich verschrobene Weltsicht in Nienhagen nicht erwünscht ist. Dies werden wir auch in Zukunft tun − vielleicht erreichen wir bei dem/der Einen oder Anderen auch ein Nachdenken oder Umdenken.