11.10.2013
Bericht von der Tagung "Erscheinungsformen und Positionen der Neuen Rechten in Europa"
Viele junge Erwachsene bei Konferenz für Engagement gegen Rechtsextremismus
Vom 4. bis 6. September 2013 fand im Abgeordnetenhaus Berlin die Konferenz "Erscheinungsformen und Positionen der Neuen Rechten in Europa – Mit neuen Ideen gemeinsam gegen den Rechtsextremismus" statt. Die Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa und die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb hatten Studierende aller Fachrichtungen aus Europa sowie Menschen aus Vereinen, Bildungsträgern und Initiativen eingeladen, die sich im Rahmen ihrer Arbeit oder ihres ehrenamtlichen Engagements dem Kampf gegen den Rechtsextremismus widmen oder dies in Zukunft tun wollen.
Die rund 80 Teilnehmer/-innen, unter ihnen viele Studierende, wurden am ersten Tag von den Veranstaltern begrüßt und über die Vorgehensweise an den folgenden beiden Tagen aufgeklärt.
Am Abend folgte schon ein inhaltlicher Höhepunkt: im Auditorium des Jacob- und Wilhelm-Grimm-Zentrums der Humboldt-Universität fand eine Podiumsdiskussion mit dem Titel "Extremismus in Deutschland – auf dem rechten Auge blind?" statt. Nach Grußworten von Herrn Dr. André Schmitz-Schwarzkopf (Vorstandsvorsitzender der Schwarzkopf-Stiftung) und Herrn Thomas Krüger (Präsident der bpb) starteten Herr Wolfgang Wieland und Herr Ernst Uhrlau die eher ruhige Diskussionsrunde um die NSU-Affäre in Deutschland. Herr Wolfgang Wieland, MdB für Bündnis 90/Die Grünen ist Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss und Herr Ernst Uhrlau war Präsident des Bundesnachrichtendienstes. Moderiert wurde die Gesprächsrunde von Frau Dr. Gunilla Fincke aus dem Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, die auch Geschäftsführerin der SVR GmbH & Direktorin des SVR-Forschungsbereiches ist. Für die abschließende Diskussion mit den Zuschauern/-innen war leider nur noch wenig Zeit, so dass nicht alle Fragen und Anmerkungen geklärt werden konnten.
Am Donnerstagmorgen trafen sich die Konferenz-Teilnehmer/-innen um einem Vortrag des emeritierten Universitätsprofessors der Helmut-Schmidt-Univeristät, Prof. Dr. Wolfgang Gessenharter, beizuwohnen. In dem Vortrag "Was ist Rechts? Was ist Extrem? - Themen und Positionen" wurden Begrifflichkeiten wie Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus betrachtet um eine gemeinsame Definition der Begriffe für die Konferenz aufzustellen. Außerdem verwies Herr Prof. Dr. Gessenharter auf die Themen, die von Rechtsextremen aufgegriffen werden und erklärte den Begriff "Neue Rechte".
So waren alle Teilnehmenden auf einem gleichen Erkenntnisstand und konnten gemeinsam über die selben Dinge und Begrifflichkeiten diskutieren. Mit diesem neuen Wissen starteten sie in 90-minütige Fachvorträge zu Themen wie "Kleidung, Symbole, Musik und Aufmärsche" oder "Cyberhate – Soziale Netzwerke als 'Mitmachnetzwerke'". Nachdem die Ergebnisse aus allen Kleingruppen vorgestellt worden waren, teilten sich die Teilnehmenden nach dem gemeinsamen Mittagessen zu weiteren Workshops auf. Die zweite Runde drehte sich rund um rechtsextreme Erscheinungsformen und Positionen aus europäischer Perspektive. Als Beispiel für Deutschland stellte Herr Bernd Wagner, Mitglied im Beirat des BfDT und Gründer der Initiative EXIT-Deutschland, die Entwicklungen und Standpunkte der NPD vor. Herr Wagner erklärte den interessierten Teilnehmenden den Begriff der kulturellen Subversion, beschrieb die Entwicklung der NPD und auch der sogenannten freien Kräfte in Deutschland nach der Wiedervereinigung und verwies auf militante Strukturen in der Partei. Zum Abschluss stellte er dar, wie Kommunen mit rechtsradikalen Gruppierungen umgehen können.
Weitere Workshops beschäftigten sich mit der FPÖ in Österreich und rechten Parteien in Ungarn oder den Niederlanden. In zwei dieser Workshops wurde auf Englisch vorgetragen und diskutiert. Damit alle Teilnehmenden in etwa auf dem gleichen Stand zum Thema rechtsextreme Erscheinungsformen und Positionen waren, wurde im Podium aus allen Workshops berichtet.
Der letzte Tag begann mit einem sogenannten World Café. Die Teilnehmer/-innen konnten aus sechs Themen wählen und für jeweils 30 Minuten in einer Gesprächsrunde mit Experten/-innen diskutieren. Die Themenbereiche waren breit gefächert; von politischer Bildungsarbeit über Ehrenamt bis hin zu dem Bereich Streetwork, konnte man sich weiterbilden. Die Gesprächsrunde im Themenkomplex Kampagnenarbeit leitete Frau Rebecca Weis, Geschäftsführerin und Mitglied im Vorstand von "Gesicht Zeigen! - Für ein weltoffenes Deutschland e.V." Sie stellte die aktuelle Kampagne von Gesicht Zeigen! vor und verwies auf die Wichtigkeit von Öffentlichkeitsarbeit und regionalen und überregionalen Kooperationen.
Dem Komplex Online-Beratung widmete sich Herr Martin Ziegenhagen, Dipl. Pädagoge und Mitarbeiter der Onlineberatung gegen Rechtsextremismus des Vereins "Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V." Er berichtete von seiner Arbeit, bei der er unter anderen Eltern von rechtsextremen Jugendlichen anonym im Netz unterstützt und ihnen Hilfestellungen bietet, sie mit anderen Eltern vernetzt oder sie an andere nicht mehr anonyme Beratungsstellen "in der Wirklichkeit" verweist. Das Onlineberatungsangebot sieht er nur als Ergänzung zu anderen Angeboten und Aktionen gegen Rechtsextremismus. Denn auch eine Online-Beratung kann nur einen Teil der Probleme und Ängste von Betroffenen abfangen.
Den Bereich Streetwork deckte Herr Dino Nieszery, Dipl. Politologe "Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit e.V." ab. Sein Arbeitsbereich der akzeptierenden Jugendarbeit war schon an den vorherigen Konferenztagen mehrmals in den Mittelpunkt von Diskussionen geraten, da es in den 80er Jahren zum Missbrauch der Methode durch Vertreter/-innen rechten Gedankenguts gekommen war, die über Jugendtreffs und -clubs versucht hatten Nachwuchs an sich zu binden.
Herr Nieszery konnte die meisten Gegenstimmen jedoch widerlegen, da er den hohen Stellenwert von Professionalität und guter Ausbildung darstellte. Er berichtete auch wie seine Arbeit konkret Tag für Tag aussieht und wie er und seine Kollegen/-innen auf einzelne Jugendliche und Cliquen zugehen. Auch er verwies wie Herr Ziegenhagen darauf, dass Streetwork nur ein Puzzleteil in der Arbeit gegen Rechtsextremismus ausmachen kann.
Ein für die meisten Teilnehmenden völlig neues Gebiet der Rechtsextremismusprävention stellte Herr Dirk Springenberg, Dipl. Sozialpädagoge und Referent für politische Bildung bei der Bildungsstätte Alte Schule Anspach/basa e.V., vor. Im Themenkomplex Jugendarbeit stellte er "Neue Wege gegen Rechts – Innovative Methoden zur Rechtsextremismusprävention" vor. Die Methode "Alternate Reality Games" stieß auf großes Interesse bei den Workshop-Teilnehmern/-innen. Im "Alternate Raelity Game" verschwimmen die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Spiel. Die Spieler/-innen bewegen sich sowohl virtuell, als auch an realen Schauplätzen. Sie kennen weder das Ziel noch das Thema des Spiels. Während des Spiels müssen die Teilnehmenden Aufgaben lösen, Hinweise auf den nächsten Schauplatz finden und Entscheidungen treffen. Herr Springenberg diskutierte mit den Teilnehmenden auch die Wichtigkeit eines an das Spiel anschließenden Auswertungsseminars um die erlebten Dinge zu verarbeiten und Spiel und Wirklichkeit voneinander trennen zu können.
Im letzten Abschnitt der Konferenz wurde es konkret. Im Laufe der Konferenz hatten einzelne Teilnehmer/-innen bereits Ideen für neue Projekte entwickelt. Diese wurden am Nachmittag in kleinen Gruppen konkretisiert und erarbeitet. Die Bundeszentrale für politische Bildung stellte einzig und allein für drei dieser Projekte Preisgelder zur Verfügung. Auch deshalb wurden die Projekte detailliert und professionell geplant und im Plenum sowie vor der Jury des bpb vorgestellt. Trotz der begrenzten Zeit sind wertvolle Projektideen entstanden. Unter anderem ein Projekt gegen "Rechts im Rap" und ein Projekt zur Verbindung von "Alternate Reality Games" und Zusammenführung von Jugendlichen und Politikern/-innen. Wenn die Projektgruppen sich nun mit ihrer Idee bei der bpb bewerben, haben sie die Chance eine Förderung für die Projektumsetzung zu gewinnen.
Als Moderator schaffte Herr Jens Henning Fischer von besserreden.com und der Deutschen Debattiergesellschaft e.V., eine lockere und tatkräftige Atmosphäre.