28.01.2013
Begrüßung des Leiters der Geschäftsstelle des BfDT, Dr. Gregor Rosenthal, anlässlich des 5. Wunsiedler Forums am 19. Oktober 2012 in Wunsiedel
Es gilt das gesprochene Wort!Lieber Herr Erster Bürgermeister Beck,
Lieber Herr Becher,
sehr geehrte Damen und Herren,
auch im Namen des Bündnisses für Demokratie und Toleranz möchte ich Sie sehr herzlich zum Wunsiedler Forum begrüßen. In diesem Jahr haben wir ein kleines inoffizielles Jubiläum, denn das Wunsiedler Forum findet heute zum fünften Mal statt. Im Jahr 2007 haben wir uns zum ersten Mal hier getroffen. Ich erinnere mich noch gut daran. Damals bestand Ihre Zusammenarbeit der Mitarbeiter aus Kommunen und Verwaltungen und Engagierten aus Vereinen, Initiativen und Bündnissen noch nicht in dieser Form, wir haben alle viel miteinander diskutiert und Sie haben die nach meinem Eindruck gut funktionierende bayernweite Zusammenarbeit erst gemeinsam entwickelt. Dass das Wunsiedler Forum seit 2008 in jedem Jahr mit guter Resonanz stattgefunden hat zeigt aus meiner Sicht, dass sich seitdem viel verändert hat, dass Sie viel verändert haben, und zwar zum Positiven. Es findet ein sehr viel intensiverer Austausch statt, das macht auch ein entschlosseneres und koordinierteres Handeln leichter. Insofern haben Sie alle mit dem Wunsiedler Forum für die Arbeit gegen Rechtsextremismus in Bayern und auch bundesweit viel erreicht und einen wichtigen Impuls gegeben.
Wir sehen das auch immer an den Bewerbungen für den Preis „Aktiv fürDemokratie und Toleranz“, den wir jährlich vergeben. Dabei prämieren wir bundesweit rund 80 Initiativen und Projekte. Gerade aus Bayern kommen immer sehr viele gute Bewerbungen. In diesem Jahr haben wir im Frühjahr in München acht Projekte ausgezeichnet, darunter das Bündnis für Zivilcourage aus Hof mit dem Projekt „Die Hofer Region ist bunt, nicht braun“, die Evangelische Jugend München mit dem Projekt „Internationale Jugendbegegnung Dachau“ und das Gräfenberger Sportbündnis mit dem Projekt „Fairness, Respekt und Toleranz im Sport“. Auch für den aktuellen Aktiv-Wettbewerb haben wir wieder viele gute Bewerbungen aus Bayern erhalten, über die Vergabe der Preise entscheidet unser Beirat Ende November. Insofern sehen wir auch da, dass sich durch das Wunsiedler Forum in der Region schon viel bewegt hat. Das ist bundesweit gesehen nichtüberall so und ist – bei allen Problemen, die es hier in der Region gibt und sicher auch noch geben wird – eine sehr positive Entwicklung, auf die Sie stolz sein können. Und die aus meiner Sicht auch weitergehen muss, denn wir werden die Probleme der Zukunft nicht mit den Rezepten der Vergangenheit lösen können.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Gerade im vergangenen Jahr ist viel passiert. Die leider viel zu späte Aufdeckung des Nationalsozialistischen Untergrunds und die Erkenntnis, dass Rechtsextremisten zehn Menschen in Deutschland brutal ermordet haben, davon fünf in Bayern, hat uns alle fassungslos gemacht. Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass nur wenige damit gerechnet haben, dass es heute Rechtsterrorismus in einem solchen Ausmaß in Deustschland geben kann und dass er über einen Zeitraum vom mehr als einem Jahrzehnt nicht entdeckt wird. Wie konnte es soweit kommen? Mit dieser Frage befassen sich nun mehrere Untersuchungsausschüsse, wie Sie alle wissen, auch hier in Bayern und vor allem auch der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages. Wir werden die Ergebnisse dieser Untersuchungsausschüsse sehr ernst nehmen müssen, in diesem Punkt sind wir uns, denke ich, alle einig.
Unabhängig von den – aus verschiedensten Gründen – nicht immer einfachen Diskussionen um die Aufklärung der Geschehnisse und die Struktur der Sicherheitsbehörden – stehen wir vor der Frage: Was heißt das für die Zivilgesellschaft? Wie konnte ein Klima und ein gesellschaftliches Umfeld entstehen, in dem drei junge Menschen ihren Familien und ihrem familiären Umfeld immer mehr entglitten sind, bis sie zu Rechtsterroristen wurden? Könnte so etwas heute noch geschehen? Und, natürlich, warum wurden die Täter so lange im Migrantenmilieu
vermutet? Das sind Fragen, die nicht nur die Sicherheitsbehörden betreffen, sondern auch uns als Zivilgesellschaft insgesamt – zum Beispiel, wenn wir an die Berichterstattung in den Medien denken (Döner-Morde – Unwort des Jahres 2011) oder auch an Gespräche im Bekanntenkreis.
Ich glaube, mit einfachen Schuldzuweisungen ist es nicht getan, egal in welche Richtung. Und ich glaube auch nicht, dass es schnelle Lösungen geben kann. Vielmehr denke ich, dass wir uns ganz grundsätzlich die Frage stellen müssen, was es überhaupt bedeutet, in einer Demokratie zu leben und welche Anforderungen wir an ein demokratisches Miteinander stellen, im Sinne von gegenseitigem Respekt, dem Bild, was wir von anderen Menschen haben oder uns von ihnen machen. Denn eine Demokratie ist kein Zustand, der, einmal hergestellt, für immer bleibt. Demokratie eine Staatsform und eine Form, unser Zusammenleben im Dialog miteinander und der ständigen Interessenabwägung zu gestalten, die immer wieder neu mit Leben gefüllt werden muss. Das ist unsere Aufgabe als Bürgerinnen und Bürger, und anknüpfend daran haben wir das Thema des heutigen Wunsiedler Forums gewählt. Das Anklicken eines Facebook-Buttons reicht nicht aus, wenn es um die aktive Gestaltung unseres Zusammenlebens geht.
Aber was heißt das für die Zivilgesellschaft, was kann und muss Zivilgesellschaft leisten? Und was der Staat? Lassen Sie mich dazu drei Thesen aufstellen, über die wir vielleicht später diskutieren können.
1. In einer Demokratie setzt die Zivilgesellschaft die Agenda für staatliches Handeln. Politiker werden gewählt, und – trotz aller Probleme – entscheiden sich Bürger für Personen mit bestimmten persönlichen Hintergrunden / Zielen und setzen durch Interesse und Engagement die Themen, die die Diskussion im öffentlichen Raum bestimmen.
2. Der Staat, also Bund, Länder und Kommunen, ensctheiden durch ihr Verhalten mit darüber, wie viel zivilgesellschaftliches Engegement vor Ort mobilisiert werden kann. Nehmen Bürgermeister, Landräte und Kommunalvertreter an Aktionen und Protesten selbst teil? Sind Genehmigungsprozesse einfach oder kompliziert? Findet eine offene Diskussion auch dann statt, wenn die Vertreter der Kommune kritisiert werden? Je nachdem, wie viel Resonanz zivilgesellschaftlich Engagierte erfahren – aus der Bevölkerung, aber auch aus der Kommunalverwaltung – steigt oder sinkt die Eigenmotivation.
3. Wer sich in seiner Kommune vor Ort engagiert, wird nicht rechtsextrem. Kommunalverwaltungen entscheiden also durch ihr Handeln mit darüber, wie wahrscheinlich die Entwicklung einer rechtsextremen Szene vor Ort ist. Es ist eine Tatsache, dass Rechtsextremisten überdurchschnittlich häufig den Eindruck haben, nicht mitgestalten und politisch nichts bewegen zu können. Den direktesten Zugang haben Menschen über kommunales Engagement.
Wir haben also selbst in der Hand, ob die rechtsextreme Szene vor Ort „gute“ Entwicklungsbedingungen hat oder nicht. Wir haben es selbst in der Hand, wohnin sich unsere Gesellschaft entwickelt , im Großen wie im Kleinen.
Sehr geehrte Damen und Herren, Kern der Demokratie ist, dass alle Menschen, gleich welcher Hautfarbe, Herkunft, Religion, Geschlecht – egal auf welches Unterscheidungsmerkmal man sich bezieht – gleich viel wert sind. Das wissen wir alle theoretisch, aber Vorurteile haben wir natürlich trotzdem. Das ist per se auch nicht zu verurteilen, aber wir sollten uns dessen bewusst sein und das eigene Menschenbild in Bezug auf verschiedene Gruppen kritisch reflektieren. Gerade als im öffentlichen Bereich Beschäftigte und zivilgesellschaftlich Engagierte haben wir hier eine besondere Verantwortung, aber eben auch besondere Gestaltungsmöglichkeiten.
Insofern bin ich gespannt auf den Vortrag von Daniela Krause, die an dem Projekt „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ bei Prof. Heitmeyer an der Universität Bielefeld mitgearbeitet hat und uns gleich etwas über die Gründe für Vorurteile in der Mitte der Gesellschaft und aktuelle Entwicklungen berichten wird und hoffe auf eine interessante und ergebnisreiche Diskussion im Anschluss.
Vielen Dank.