17.11.2011

Rückblick: 4. Wunsiedler Forum am 14. November

Die Rolle der Medien beim zivilgesellschaftlichen Engagement gegen Extremismus

Foto: Das Wunsiedler Forum (Hansen)Foto: Das Wunsiedler Forum (Hansen)
Foto: Angeregte Posiumsdiskussion (Hansen)
Rund 150 Rechtsextreme kamen am vergangenen Sonntag, dem Volkstrauertag, nach Wunsiedel. Sie machten sich einen Tag zu eigen, der allen Opfern von Krieg und Gewalt gilt, um ihre rechte Ideologie kundzutun. Einen Tag später kamen rund 100 Menschen aus Verwaltungen, Kirchen, Kommunen, Medien, Initiativen und Verbänden in der Wunsiedler Fichtelgebirgshalle zusammen, um nicht nur über jenen Missbrauch zu debattieren, sondern auch um die Rolle der sogenannten vierten Gewalt in den Blick zu nehmen.

Insbesondere mit der Aufdeckung einer erschreckenden Mordserie der rechtsextremen Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund“, die über Jahre hinweg unentdeckt ausländische Kleinunternehmer und eine Polizistin tötete sowie mehrere Anschläge verübt haben soll, bekam das Thema Rechtsextremismus eine andere Dimension. Stehen zur Zeit die Behörden und ihr Verhalten im Fokus des öffentlichen Interesses, sind es doch die bundesweiten Medien, die dieses Thema aufgreifen und unterschiedlich aufarbeiten. Wie also gehen Medien - auch außerhalb solch erschreckender Ereignisse - mit dem Thema Rechtsextremismus um? Welche Grenzen sind ihnen gesetzt? Welche Grundsätze der Öffentlichkeitsarbeit können sich zivilgesellschaftliche Zusammenschlüsse zu eigen machen, um ihre Arbeit und ihre Anliegen angemessen mit Hilfe der Medien in der Öffentlichkeit zu platzieren? Alle jene Fragen waren Gegenstand der Diskussionen und vertiefenden Workshops beim 4. Wunsiedler Forum.

Immer im Herbst, seit 2007, bringen die Stadt Wunsiedel, das Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt (BfDT) sowie das Bayrische Bündnis für Toleranz und Menschenwürde die unterschiedlichsten Akteure zusammen, um über aktuelle Themenschwerpunkte zu diskutieren. Aktualität stand dann zugleich auch auf der Agenda der Podiumsteilnehmer, zu denen u.a. Andreas Bönte, Programmbeauftragter des Bayerischen Rundfunks (BR) und Leiter des Programmbereichs Planung und Entwicklung, Ulrich Chaussy, freier Journalist aus München, Dr. Miriam Heigl von der Fachstelle gegen Rechtsextremismus in München sowie Werner Schnabel vom Bamberger Bündnis zählten. Schnabel war es dann auch, der die Meinungsfreiheit zu Beginn des Gesprächs als wichtigste Freiheit in einer Demokratie definierte und aufgriff, was vielen der Anwesenden aus der eigenen Arbeit bekannt war – wie schwierig es ist, die unterschiedlichen Erwartungen von Medien und Publikum zusammenzubringen. Jene Differenzierung nahm Andreas Bönte auf und verwies auf die Grenzen, denen Medien unterliegen. Dazu zählen für ihn insbesondere strukturelle Gegebenheiten wie Platzmangel, der Redaktionsschluss oder auch Zeitdruck. Dennoch kommt den Medien eine wichtige Aufgabe zu: Sie müssen für Demokratie im Allgemeinen und ihre Prozesse im Besonderen begeistern. Ulrich Chaussy, der seit über dreißig Jahren als Journalist über Rechtsextremismus berichtet, fordert von seinen Kolleginnen und Kollegen, insbesondere in diesem Themenfeld gut vorbereitet zu sein, damit sie „Aufklärung über konkrete geschichtliche und politische Zusammenhänge leisten könnten.“ Diesem Aufruf schloss sich Bönte an. Eine sehr gute Recherche sei die unbedingte Voraussetzung für die Berichterstattung, so der Programmbeauftragte des BR.

In seiner Eröffnungsrede betonte Markus Priesterath vom BfDT die Wichtigkeit von zivilgesellschaftlichem Engagement und Vernetzung von Initiativen, die sich gegen Extremismus engagieren. Dabei müssten Engagierte auch eng mit den Medien zusammenarbeiten, um demokratische Werte in die Öffentlichkeit zu tragen. Vertreter der Medien seien Teil einer wachen und aktiven Zivilgesellschaft und müssten sich dieser Verantwortung annehmen.

Auch Karl-Willi Beck, Bürgermeister der Stadt Wunsiedel, begrüßte die Teilnehmenden des Forum, hielt sich aber ebenso wie Markus Priesterath kurz, um nicht nur der intensiven Diskussion mehr Raum zu geben, sondern auch um die aktuellen Ereignisse in einen prägnanten Kontext zu setzen. Er berichtete, dass er als Bürgermeister zufrieden sei mit der regionalen wie bundesweiten Berichterstattung über die Ereignisse im Wunsiedel. Dass nicht alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Wunsiedler Forums sich diesem Lob anzuschließen vermochten, wurde in den darauffolgenden Workshops deutlich. So berichtete der Berliner Journalist Jens Thomas gemeinsam mit Susanne Hassen, Journalistin aus Bayern, von den zentralen Faktoren, die eine Nachricht ausmachen, wie Konflikt, Aktualität und Dramatik und erläuterte dies anhand der Themen des Wunsiedler Forums. Einer der Workshopteilnehmer warf ein, dass er es schwierig finde, den aus seiner Sicht zum Teil verkürzenden Mechanismen der Medien nachzugeben und nach Zeitfenstern und Nachrichtenwert ausgerichtet die Pressearbeit seines Vereins zu betreiben. Diese Kritik konnten die Referenten gut nachempfinden, verwiesen jedoch darauf, dass es nicht um gut oder schlecht, falsch oder richtig ginge, sondern das es wichtig für die eigene erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit sei die Handlungsmechanismen des anderen zu verstehen. In seinem Workshop „Rechtsextremismus - (k)ein Thema für eine Regionalzeitung!?“ berichtete Otto Lapp, Redakteur bei der Mediengruppe Oberfranken, von seiner Vorgehensweise, wenn er über Rechtsextremisten berichtet: „Man muss mit ihnen reden“, ist seine Devise und er erzählte von einem Landkreis in Bayern, wo man aus Sorge vor ausbleibenden Touristen und sich nicht ansiedelnden Firmen Probleme mit Rechtsextremismus verleugne. Lapp riet davon ab, solche Vorkommnisse unter den Teppich zu kehren.

Am Ende der Workshops kamen alle Forumsteilnehmenden im Plenum zusammen. Sie gaben sofort eine Rückmeldung zu den Inhalten der Tagung und begrüßten das breitere Angebot an Workshops, merkten aber auch an, dass es für die inhaltliche und vertiefende Auseinandersetzung mehr Zeit bedürfe. Schließlich stand die Frage im Raum: Welches Schwerpunktthema wird im Jahr 2012 das Forum dominieren? Markus Priesterath, Leiter der Themenbereiche Extremismus und Antisemitismus beim Bündnis, griff den roten Faden der Eingangsdiskussion auf: „Wie können wir Demokratie und demokratische Prozesse wieder attraktiver für jede Bürgerin und jeden Bürger gestalten? Denn schließlich sind „Medien ein Teil dessen, was das Innerste unserer Demokratie zusammenhält. Sie tragen Verantwortung, wenn es darum geht, Missstände ans Tageslicht zu bringen, Verantwortliche zu benennen und auch darüber zu berichten, was positive Realität in Deutschland ist“. Diesen positiven Einfluss zu nutzen, aber auch andere gesellschaftliche Akteure aufzufordern, für mehr Teilhabe an politischen Prozessen zu begeistern, ist der Arbeitsauftrag, den die Kooperationspartner für das kommende Jahre mitnehmen.