15.09.2011
„Der unbekannte Krieg“ – ein musikalisches, multimediales Projekt gegen das Vergessen
von Roland Unger
Die Idee zu unserem Projekt entstand auf der Arbeitstagung der Landesmusikjugend am 7. März 2009 in Bad Kreuznach. Die Arbeitstagung dient der Begegnung und dem Austausch von Ehrenamtlichen in der musikalischen Jugendarbeit. Im Seminar „Jugendleiter AG“ wurde über die anstehenden Jahrestage - den Beginn und das Ende (1.9.39/8.5.45) des Zweiten Weltkrieges gesprochen. Schnell wurden erste Anregungen und Projektideen entwickelt, die ich als Jugendbildungsreferent zu einem ersten Konzeptentwurf zusammenfügte. Danach stellte sich die Frage, wo und mit welchen Partnern man ein so großes Projekt durchführen könne. Rasch kristallisierte sich der Rhein-Hunsrück-Kreis als idealer Standort für die Projektidee heraus. Mit dem dortigen Kreismusikschulleiter Peter Schulz übernahm ich Ende März die Federführung des Projekts. Bis zu den Sommerferien wurde nach möglichen Kooperationspartnern im Kreis gesucht und die Konzeption optimiert.Ziel des Projekts „Der unbekannte Krieg“ war es, mit jungen Menschen Ursachen und Mechanismen von Kriegen und ihren gesellschaftlichen Zusammenhängen zu bearbeiten. Die erste Projektphase lief vom 1.9.2009 bis zum 1.9.2010 und schloss so die zwei der problematischsten Jahrestage der deutschen Geschichte ein: Beginn und Ende des Zweiten Weltkrieges mit seinen noch heute spürbaren gesellschaftlichen Auswirkungen. Als Schirmherrschaft konnte der rheinland-pfälzische Landtagspräsident Joachim Mertes gewonnen werden. Der Landesverband der Musikschulen, die Kreismusikjugend Rhein-Hunsrück, die IGS Kastellaun und die Ev. Jugend im Kirchenkreis-Simmern-Trarbach waren unsere Kooperationspartner. Aber auch Jugendliche aus anderen Schulen, junge Schauspieler, Video- und Installationskünstler wirkten am Projekt mit.
Mit deutlichem Bezug zu ihrer eigenen Lebenswelt setzten sich die partizipierenden Jugendlichen mit der Notwendigkeit der Völkerverständigung auseinander. Die Umsetzung erfolgte vom 1.9.2009 bis zum 7.5.2010 in den Projektgruppen Theater, Musik, Video und Öffentlichkeitsarbeit. Hier wurden in einer bundesweit einmaligen Kombination aus multimedialer und jugendschauspielerischer Darstellung sowie einem zeitgenössischen Requiem grenz- und verbandsübergreifend neue Maßstäbe gesetzt. Es entstand ein alle Sinne ansprechendes, musikalisch und medienpädagogisches Werk bei dem diese Form der rein kognitiven Bearbeitung des Themas vorgezogen wurde. Das Ergebnis war für alle Beteiligten höchst emotional.
Die Uraufführung am 8. Mai 2010 in Kirchberg / Hunsrück brachte rund 250 Menschen auf die Bühne. Der Abend beeindruckte durch seine Offenheit und Schonungslosigkeit im Umgang mit dem Thema das Publikum und Mitwirkende intensiv und auf lange Zeit. Drei Akte wurden aufgeführt. Der erste Akt führte durch einen Zeittunnel mit verschiedenen Videoinstallationen. Der zweite Akt bestand aus einem interaktiven Live-Theaterstück in Kombination mit Videoeinspielungen. Das Requiem als zentraler dritter Akt vereinigte ein 75köpfiges Orchester, einen 90stimmigen Kinder- und Jugendchor mit elektronischen Beats, begleitet von Lichtinstallationen und synchronisierten Videoclips. So spannte sich ein großer Bogen von der Entwicklung über Kriegserfahrungen bis zum Ende des Krieges mit seinen Folgen und den Tendenzen zur Wiederholung.
„Der unbekannte Krieg“ wurde konsequent mit dem Gedanken der Übertragbarkeit konzipiert. Musikalisches Herzstück ist das Requiem für Orchester, Chor und Soli des Komponisten Carsten Braun. Es ist thematisch international und viersprachig. Die additiven Bausteine Video, Schauspiel, Installation sind regional frei und werden Aufführungsanlass, Ort und Teilnehmern technisch wie inhaltlich angepasst. Seit 2009 wurde das Projekt mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
„Der unbekannte Krieg“ ist kein Projekt zur reinen Mahnung und Erinnerung. Es zeigt auf, dass heute - gerade jetzt - Kriege geführt werden, dass sie aus gleichen Mechanismen heraus entstehen und immer die gleichen Auswirkungen haben. Es zeigt Seiten, die wir heute oft nicht mehr wahrhaben (wollen) – die uns „unbekannt“ erscheinen.
Auch dieses Projekt wird nicht verhindern können, dass es Menschen gibt, die sich für einen Krieg entscheiden würden. Aber: „Der unbekannte Krieg“ führt in eine emotionale Auseinandersetzung, an deren Ende Einstellungen überdacht und positiv beeinflusst werden können. Dafür werden wir uns auch weiterhin einsetzen.
