17.08.2011
Jamel rockt den Förster!
Interview
Jamel in rechter Hand? Das wollten Birgit und Horst Lohmeyer nicht auf sich und ihrem Zuhause sitzen lassen. Beide organisieren jedes Jahr ein Rockfestival in dem kleinen Dorf bei Wismar und bieten damit eine echte Alternative zum sonst eher geringen dortigen Freizeitangebot. Gleichzeitig setzen sie auch ein Zeichen dafür, dass sich Jamel nicht widerstandslos von der rechten Szene vereinnahmen lässt. Dieses Jahr zeichnete das Bündnis für Demokratie und Toleranz (BfDT) die Lohmeyers gleich zwei Mal aus – als Preisträger im Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ und als „Botschafter für Demokratie und Toleranz“ im Rahmen des Festakts zum Tag des Grundgesetzes im Haus der Kulturen der Welt. Das diesjährige Festival ist zwar gerade zu Ende gegangen, aber die Lohmeyers machen weiter. Birgit Lohmeyer im Gespräch.Frau Lohmeyer, können Sie kurz die Hintergründe schildern: Warum gibt es „Jamel rockt den Förster“?
Vor über fünf Jahren gab es einen Besuch des Schweriner Innenausschusses in Jamel, von dem wir erst im Nachhinein aus der Presse erfuhren, und wo dann getitelt wurde: „Ein ganzes Dorf in rechter Hand“ – das konnten mein Mann und ich nicht auf uns sitzen lassen. Wir haben diesem Innenausschuss einen Brief geschrieben. In dem verliehen wir unserer Enttäuschung darüber Ausdruck, dass wir nicht kontaktiert wurden als die Politiker im Dorf waren, und dass man uns gegenüber der Presse in einen Topf mit diesen Rechtsextremen geworfen hatte. Darauf reagierte der Ausschuss schnell und wir hatten einen weiteren Termin hier bei uns. Dabei baldowerten wir die Idee aus, dass Horst und ich als Künstler dieses Dorf beleben wollten, damit es von seinem Ruf wegkäme. Der Innenausschuss zeigte sich sehr geneigt, uns dabei zu unterstützen und so entstand die Idee, ein jährliches Musikfestival auf unserem Forsthof zu veranstalten. Es sollte möglichst viele Menschen der Region einladen, sich selbst einen Eindruck zu verschaffen, was es mit Jamel auf sich hat.
Wieso ausgerechnet ein Musikfestival?
Wir hatten vorher schon ein privates jährliches Sommerfest mit Live-Musik – das liegt nah wenn man Musiker ist. Wir sind dann schlicht nach unserem Musikgeschmack gegangen und haben gesagt: Wir wollen ein Rockfestival!
Wie äußert sich diese Vereinnahmung durch Rechtsextreme beziehungsweise wie kommen die Zeitungen dazu, so zu titeln?
Das müssen sie schon die Pressekollegen fragen (lacht). Fakt ist, dass das Dorf sehr verrufen war. Das war auch der Grund, warum viele Menschen Angst hatten, uns besuchen zu kommen. Da war beispielsweise ein Herr K., ein bei uns ansässiger bekannter und auch berüchtigter Rechtsextremer, der zwar mittlerweile verurteilt ist, aber damals noch seine Machenschaften von hier aus betrieb.
Hat sich bis heute etwas an der Stimmung im Dorf geändert?
Dass wir für massive Präsenz der Veranstaltung in den Medien sorgen, hat dazu geführt, dass man in der Verwaltung und der Politik nicht länger nur zuschauen kann, wie sich dieses Dorf durch Rechtsextreme verändert. Es wird jetzt auch eingegriffen. Außerdem ist es, seit Herr K. in Haft ist, nicht mehr zu illegalen „Müllverbrennungen“ gekommen, die vorher fast wöchentlich auf dem Dorfplatz inszeniert wurden. Man sieht sich auch vor, welche Plakatierungen und Schilder man hinstellt, und greift nur noch auf private Grundstücke zurück, wenn man meint, irgendwelche Nazi-Wandmalereien anbringen zu wollen. Die Rechtsextremen haben gemerkt, dass sie Jamel nicht mehr nach Gutdünken gestalten können.
Was stand in diesem Jahr auf dem Programm?
Es gab Konzerte am Freitag und Samstag. Wir hatten insgesamt acht Bands eingeladen, aus dem Umland in Mecklenburg, aus Hamburg und eine Band, die hatte sich sogar aus Süddeutschland gemeldet und wollte unbedingt spielen: die „twisted shoes“ – ganz tolle, junge Musiker, die reisten tatsächlich an. Als Headliner hatten wir die Band „Haudegen“, die uns sogar von Warner Company vermittelt worden war und bei uns einen Benefiz-Auftritt hingelegt hat.
Wie viele Gäste waren da?
Wir haben es nie auf hohe Besucherzahlen angelegt. Das wird uns auch nicht gelingen, da Jamel nach wie vor einen sehr, sehr schlechten Ruf bei uns in der Region hat auf Grund der rechtsextremen Bewohner und dem Terror, den diese Menschen verbreiten. Wir versuchen das Festival zu machen, nicht um Besucherrekorde zu brechen, sondern um das Thema Rechtsextremismus in die Medien zu bekommen. Und dass ist sehr gut gelungen, auch diesmal wieder. Besucher hatten wir aber in diesem Jahr nicht so viele, weil wir am Samstag komplett abgesoffen sind. Das war wie in Woodstock, Schlamm überall! Im Grunde ist Jamel auch ein „little woodstock“, man campt, die Ostsee ist nur zehn Kilometer entfernt, und Rockmusik läuft.
Ein paar Hundert Leute über mehrere Tage im eigenen Garten – wie stellen Sie das auf die Beine?
Finanziell sind wir vollständig auf Förderung angewiesen, weil das Festival unkommerziell ist und auch bleiben sein soll. Wir haben eben mittlerweile einen relativ großen Stamm an ehrenamtlichen Helfern, die wirklich ganz ambitioniert dabei sind und auch schwere Arbeit verrichten, wie das Bühnendach aufbauen. Wir machen die Logistik zusammen und das Catering – das hat total gut geklappt dieses Jahr.
Erleben Sie auch Widerstände von der rechten Szene, im Vorfeld oder während des Festivals?
Sicher. Man weiß auch wo man das zu verorten hat, die Sabotage-Aktionen, die passieren. Wir sind das mittlerweile gewohnt und zum Glück ist die Gegenseite nicht so erfindungsreich als dass sie erfolgreich wären. Welche Aktionen das sind, darauf möchte ich aber nicht eingehen – da bringt man die Leute nur auf neue Ideen. Aber sein Sie sicher, die Rechten versuchen alles, um das Festival zu sabotieren. Auch wenn es in diesem Jahr verhaltener war – es ist ja Vorwahlkampf in Mecklenburg, und auch die NPD versucht sich ja als gute Bürger hinzustellen. Was ihnen natürlich nicht gelingt.
Was planen Sie für die Zukunft?
Ideen gibt es immer viele. Wir machen auf jeden Fall das Festival weiter, solange wir finanzielle Förderprogramme auftun. Dann haben wir dieses Jahr festgestellt, dass unsere selbstgebaute Bühne nicht mehr tragfähig und zumutbar ist – wir brauchen also auch dafür Fördermittel. Parallel machen wir aber natürlich auch unsere anderen Veranstaltungen, Ausstellungen, und wir denken über eine kleine Jazzreihe nach...da ist eine Menge in Planung. Wir lassen nicht locker.
Ich kann allen anderen Initiativen nur wünschen, dass sie genauso viel Durchhaltewillen und Kraft aufbringen können wie wir, und dass sich vielleicht in der Politik mal Gedanken gemacht wird, wie man solche Initiativen ein wenig verwaltungsfreier fördern kann.