21.11.2013
Erinnerungsfahrt nach Auschwitz mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
Internationaler Roma-Gedenktag am 2. August 2011
Bereits zum vierten Mal unterstützt das Bündnis für Demokratie und Toleranz (BfDT) die Erinnerungsfahrt, die der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma jährlich zum Internationalen Gedenktag an die Ermordung der Sinti und Roma am 2. August 1944 durchführt. Die Gruppe der Überlebenden wird eine Delegation Jugendlicher begleiten, die neben dem Besuch der offiziellen Gedenkfeiern auch ein inhaltliches Programm erwartet.Am 2. August 1944 wurden die 2900 in Auschwitz-Birkenau verbliebenen Sinti und Roma auf Befehl des Reichssicherheitshauptamtes ermordet. Der vorangegangene Versuch, 6000 Sinti und Roma am 16. Mai 1944 in den Gaskammern umzubringen, scheiterte am Widerstand der Häftlinge. Daraufhin wurden alle noch arbeitsfähigen Lagerinsassen selektiert und in andere Konzentrationslager überführt. Zurück blieben Frauen, Kinder, Alte und Kranke. Sie alle fanden in der Nacht zum 3. August den Tod in den Gaskammern in Auschwitz.
Seit 1985 führt der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma Fahrten zum Internationalen Roma-Gedenktag am 2. August nach Auschwitz durch. Gemeinsam mit dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma entsendet er jedes Jahr eine Delegation von Zeitzeugen, um diesem Tag zu gedenken. Das Konzept der Fahrt wurde Jahr für Jahr erweitert. Heute steht neben dem Gedenken vor allem die Begegnung im Vordergrund. Denn mit dem zunehmenden Alter der Überlebenden stellen sich auch neue Fragen zur Erinnerungskultur und den Möglichkeiten, die Erfahrung des Holocausts im kulturellen Gedächtnis lebendig zu halten. Ein besonderer Schwerpunkt liegt deshalb auf der gemeinsamen Fahrt von Überlebenden und der Enkel- und Urenkelgeneration, wie sie seit einigen Jahren stattfindet.
In Zusammenarbeit mit dem BfDT wurde die Gruppe der Jugendlichen in diesem Jahr erweitert: Insgesamt 20 junge Sinti und Roma und 10 Jugendliche aus der Mehrheitsgesellschaft werden in diesem Jahr mitfahren. Vom 30. Juli bis zum 4. August werden sie historische Orte besuchen, an der Gedenkfeier teilnehmen und inhaltlich zu den Themen Antiziganismus, Diskriminierung und zivilgesellschaftliches Engagement arbeiten und dabei auch die Überlebenden treffen und begleiten. In verschiedenen Programmpunkten begeben sich die jungen Erwachsenen gemeinsam mit den Zeitzeugen auf die Suche nach den Orten der Verfolgung und erinnern an die in Auschwitz Ermordeten. Durch die Begegnung sollen geschichtliche Wurzeln bewusst gemacht, die eigene Identität gestärkt und eine gemeinsame Gedenkkultur gefördert werden.
Am 30. und 31. Juli werden die Jugendlichen in Krakau ankommen. Dort steht erst einmal das gegenseitige Kennenlernen im Vordergrund sowie erste Einblicke in Kultur und Geschichte des Landes: Die Jugendlichen erwartet eine Führung durch die Altstadt, das Jüdische Viertel und ein Besuch des ansässigen Schindler-Museums. Am nächsten Morgen geht es dann nach Oswiecim/Auschwitz, wo die Jugendlichen auch die folgenden Tage verbringen werden. Dort treffen sie auch auf die Delegation der Überlebenden, mit denen gemeinsam sie am nächsten Tag an Führungen durch die ehemaligen Lager Auschwitz 1 und 2 teilnehmen und die Ausstellung zum Völkermord an den Sinti und Roma in der Gedenkstätte besuchen. Am 2. August findet die offizielle Gedenkfeier im Abschnitt Birkenau B IIe statt – dem Teil des Lagers, in dem vor 67 Jahren 2900 Menschen ihr Leben verloren.
Der 3. August steht ganz im Zeichen der inhaltlichen Arbeit und Aufarbeitung des Erlebten. Der erste Workshop dient zur Orientierung und wird die geschichtlichen Hintergründe des Antiziganismus, aber auch seine heutigen Erscheinungsformen beleuchten. Der darauffolgende Workshop „Diskriminierung und Rassismus“ wird sich hingegen damit beschäftigen, wie praktisch gegen Intoleranz vorgegangen werden kann: Dies reicht vom richtigen Argumentieren gegen Stammtischparolen bis hin zur Vorstellung von Best-Practice-Projekten, die sich erfolgreich für Demokratie und Toleranz einsetzen und den Jugendlichen Anregungen für eigenes Engagement geben sollen. Diese Möglichkeiten eigenen zivilgesellschaftlichen Engagements wird das Bündnis für Demokratie und Toleranz den Workshop-Teilnehmern vorstellen.
Die Erinnerungsfahrt nach Auschwitz ist für alle Beteiligten eine wertvolle und wichtige Erfahrung. Durch die Möglichkeit, ihre Erlebnisse weiterzutragen, erhalten die Überlebenden die Gewissheit, dass dieser Teil dunkelster europäischer Geschichte nicht in Vergessenheit geraten wird. Die Begegnung zwischen Roma-Jugendlichen und solchen der Mehrheitsgesellschaft soll Vorurteile abbauen und Gemeinsamkeiten zeigen. In der Auseinandersetzung mit der gemeinsamen Vergangenheit können die jungen Sinti und Roma ein Selbstbewusstsein entwickeln, das dieser zersplitterten europäischen Minderheit in vielen Bereichen fehlt. Dieses Zugehörigkeitsgefühl ist wichtig für die Stärkung der eigenen Identität und Voraussetzung dafür, gesellschaftliche Teilhabe zu üben. Persönliches Engagement, das Gefühl, gebraucht zu werden und etwas zu leisten – dies sind Faktoren, die wiederum das Selbstbewusstsein stärken. Beides beeinflusst und befördert sich wechselseitig – eine Erfahrung, die die Veranstalter den Jugendlichen über die Gedenkfahrt hinaus vermitteln möchten.