14.03.2011
Aus Erfolgen Kraft schöpfen
Projekt im Interview:

Lieber Herr Haas, können Sie uns kurz die Hintergründe ihres Projekts schildern? Wie sind Sie auf die Idee dazu gekommen?
In Gräfenberg hat es seit 1999 immer wieder Neonazi-Aufmärsche gegeben, anfangs einmal im Jahr im November. Dann später, Ende 2006, hat die NDP verkündet, sie würde einmal im Monat nach Gräfenberg kommen, um das Kriegerdenkmal zu besuchen. Um den Neonazi-Aufmärschen zu opponieren, hat sich das Bürgerforum Gräfenberg gegründet
Die Neonazis sind innerhalb von drei Jahren über 40 Mal gekommen, immer wieder, und wir haben Widerstand geleistet. Schon damals, in der Zeit der Aufmärsche, sind wir mit Sportvereinen in Kontakt getreten, um sie für unsere Aktionen zu begeistern. Mir ist es gelungen, acht Sportvereine zusammenzubringen. Wir haben uns getroffen und beschlossen: Wir müssen was tun! Gegen Rechtsextremismus, aber eben auch gegen Gewalt und Zwischenfälle, die im Spielbetrieb vorkommen können. Wir werden in ganz unterschiedlichen Fällen aktiv. Wir sind zum Beispiel auf Aufkleber aufmerksam geworden, die an öffentlichen Plätzen klebten und entweder sehr dumm oder sehr geschickt gestaltet waren – mit altdeutscher Schrift und fragwürdigem Inhalt. Man weiß ja, dass die rechte Szene gern mit Täuschung arbeitet. Es besteht die Gefahr, dass Fußballvereine unterwandert werden. Mit der Selbstverpflichtung wollen wir dafür sensibilisieren.
Die Selbstverpflichtung stellt ein Bekenntnis zu Toleranz und Respekt dar. Wozu genau verpflichten sich die Unterzeichner?
Die Selbstverpflichtung ist völlig freiwillig. Wir wollten den Schwerpunkt auf etwas Positives legen – darauf, was im Sport ganz wichtig ist, nämlich Fairness und Toleranz. Wer unterschreibt, sagt Nein zu Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Antisemitismus. Auch auf den Sportplätzen kann es zu physischer Gewalt kommen – wenn jemand im Übereifer oder absichtlich verletzt wird. Aber ebenso psychische Gewalt, also Mobbing oder Gängelung, lehnen die Unterzeichner mit ihrer Unterschrift ab. Das alles sind Themen, die in Vereinen durchaus eine Rolle spielen. Es gibt schließlich kein Verein offen zu, dass er fremdenfeindliche Spieler hat. Aber latent ist das Problem vorhanden, das weiß ich auch aus persönlicher Erfahrung.
Welche Rolle spielt die Selbstverpflichtung gerade in einer Region wie Gräfenberg?
Wir wurden lange Zeit von Rechtsextremen belästigt in unserer Region. Deshalb wollen wir die Menschen sensibilisieren und selbst hellhörig werden gegen rechte Töne. Die Reaktionen darauf sind sehr unterschiedlich. Viele sagen: Na klar bin ich für Fairness, deswegen bin ich Sportler! Sehr viele der Sportvereine haben auch Migranten als Mitglieder, zum Beispiel der ASV Forth, in dem viele Türken als aktive, wertvolle Vereinsmitglieder mitspielen.
Diese Leute wollen wir stärken. Wir haben einen Unterbereich einer Webseite entwickelt, der Informationen zu Respekt und Toleranz vermittelt und die Selbstverpflichtung enthält. Jeder Sportverein, der sich beteiligen möchte, kann einen Link aufrufen und diesen Unterbereich einfach in seine Homepage integrieren – wir stellen das den Sportvereinen zur Verfügung, damit sie selbst zu Fairness und Toleranz aufrufen zu können.
Haben schon namhafte Sportler und Sportakteure unterschrieben?
Bisher haben wir zwei Zugpferde. Es werden aber sicher noch mehr dazu kommen, weil wir das verstärkt angehen. Anlässlich der Tagung „Sport und Politik“ in Berlin habe ich unter anderem Dr. Thomas Bach getroffen, den Präsidenten des Olympischen Sportbundes. Ihm habe ich die Selbstverpflichtung gezeigt und erklärt, und er hat spontan unterschrieben. Bei dieser Gelegenheit habe ich auch DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger getroffen, der nach Zusendung der Karte sie mir postwendend unterschrieben zurückschickte.
Wie beurteilen Sie persönlich den Stand von Toleranz und Akzeptanz von Minderheiten im Breitensport?
Ich glaube insgesamt, dass beides sehr groß ist. Es gibt natürlich immer wieder auch Ausnahmesituationen, in denen Sportler oder auch Zuschauer sich nicht an die Regeln von Toleranz und Akzeptanz halten.
Wie kann Sport – gerade Breitensport – zur demokratischen Verfasstheit einer Gesellschaft beitragen?
Erst einmal bin ich der Meinung, und da stehe ich sicher nicht allein auf der Flur, dass Sport ein Türöffner für eine breite Masse ist. Der Sport ist sozusagen der größte gemeinsame Nenner, um Dinge wie Fairness und Toleranz zusammenzubringen. Und die allermeisten Sportler und Sportbegeisterten sind auch fair und demokratisch eingestellt. Aber es gibt eben auch Ausnahmen, und die erscheinen auch immer wieder in der Presse. Sport ist der perfekte Transmitter, um die Botschaft von Toleranz und Fairness rüberzubringen.
Wie wichtig sind für Ihre Arbeit Netzwerke und Partner? Was kann eine Institution wie das BfDT dafür leisten?
Ganz wichtig! Man trifft sich mit bestimmten Leuten immer wieder, tauscht sich aus, erteilt Ratschläge, schaut, was man besser machen kann. Ohne Netzwerke geht es einfach nicht.
Es gibt viele Möglichkeiten, mit dem Bündnis in Kontakt zu treten. Ich habe unter anderem an den Wunsiedler Foren teilgenommen, die sehr gut waren, und auch an der Augsburger Tagung „Sport und Gesellschaft“. Letzte Woche war ich bei der Preisverleihung in Bamberg. Auf den Veranstaltungen arbeitet man in Workshops und tauscht Erfahrungen aus. Zum Beispiel konnte ich Vertreter anderer Bereiche kennenlernen, wie dem Boxsport, der natürlich andere Probleme hat als wir. Oder auch Teilnehmer aus Sachsen und Thüringen, wo die Sportvereine auch wieder in einer ganz anderen Situation sind. Man lernt voneinander und schafft Ansprechpartner, die man kontaktieren kann, wenn man vor einem ähnlichen Problem steht. Es hilft immer weiter, auch andere Seiten und Sichtweisen zu kennen.
Woher nehmen Sie Ihre persönliche Motivation?
Auf einer Dienstreise nach Südafrika, das ist schon lange her, habe ich zum ersten Mal erlebt, wie sehr mich Rassismus abstößt. Dort wurde Apartheid noch wirklich gelebt. Weiße Bekannte von mir haben Rassismus regelrecht geschürt, unter anderem ein ehemaliger Kollege von mir, den ich immer für vernünftig gehalten hatte – das hat mich geschockt. Meine Frau, meine Kinder und ich haben uns außerdem immer mit historischen Themen wie Zeitzeugenberichten auseinandergesetzt oder Gedenkstätten besucht. Das alles hat dazu geführt, dass ich mir gesagt habe: Das, was im so genannten Tausendjährigen Reich galt, darf niemals mehr sein.
Ich bin von Jugend auf immer sportbegeistert gewesen, auch wenn ich nie ein umwerfender Sportler war, und bin auch heute noch sportlich aktiv. Durch meinen Einsatz kann ich für andere etwas tun. Ich bin überzeugt, dass man Menschen und besonders die Jugend verändern und auf den richtigen Weg bringen kann. Es gibt bestimmte Erfolge bei dieser Arbeit. Daraus schöpfe ich meine Kraft.
