22.12.2010

„Wir haben nur wenig vom Schicksal der Großelterngeneration gewusst“

Finissage in der Geschäftsstelle

Foto: Ausstellungplakat "Vom Arbeitsplatz abgeholt – als arbeitsscheu abgestempelt"Foto: Ausstellungplakat "Vom Arbeitsplatz abgeholt – als arbeitsscheu abgestempelt"
Am Abend des 13. Dezembers waren die Türen der Geschäftsstelle des Bündnisses für Demokratie und Toleranz (BfDT) erneut für die Öffentlichkeit geöffnet. Der besondere Anlass: Die seit dem 1. September in der Friedrichstrasse 50 zu sehende Ausstellung über den Auschwitz-Überlebenden Sinto Franz Rosenbach „Vom Arbeitsplatz abgeholt – als arbeitsscheu abgestempelt“ wird die Geschäftsstelle in wenigen Tagen wieder verlassen. Aus diesem Grund lud das BfDT zu einem Gespräch und anschließender Diskussion ein.

Birgit Mair vom Nürnberger Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung (ISFBB) konzipierte die Ausstellung im Rahmen des Projekts „Tacheles!“. Sie überbrachte den Gästen der Veranstaltung die Grüße von Franz Rosenbach, der auf Grund seines hohen Alters den weiten Weg von Nürnberg nach Berlin nicht antreten konnte. Dafür vermochte es Birgit Mair auf interessante und informative Weise aus dem Leben Rosenbachs zu berichten und ordnete seine persönliche Lebensgeschichte immer wieder in den zeithistorischen Kontext ein. Mair erzählte u.a. von der Mutter Rosenbachs, die kurz nach der Festnahme des Ziehvaters Franz Rosenbachs nach Auschwitz reiste, um dort „nachzuschauen, was mit ihrem Mann geschah“. Die Mutter konnte wieder fortgehen, wenig später jedoch wurden sie und ihre Familie, darunter auch ihr Sohn Franz, nach Auschwitz deportiert. Nur Franz Rosenbach überlebte mehrere Konzentrationslager und den Todesmarsch – auch davon berichtete Mair eindrücklich.

„Es fällt schwer jetzt einen Übergang zu finden, nach diesen von Ihnen geschilderten Erlebnissen“, sagte im Anschluss an diese bewegenden Schilderungen Annika Kahrs, Mitarbeiterin des BfDT. „Dennoch möchten wir an dieser Stelle auch aufzeigen, welches aktuelle Engagement von und für Roma und Sinti es in Deutschland gibt.“ Sie übergab damit das Wort an Violetta Balog und Samir Biberovic, die sich beide ehrenamtlich und neben ihrer Ausbildung im Verein Amaro Drom engagieren. Bereits zwei Mal förderte das BfDT die Bundesvernetzungstreffen Amaro Droms, bei denen junge Sinti und Roma, aber auch deutsche Nicht-Roma und -Sinti, und Jugendliche anderer Nationalitäten zusammen kommen, um über die Verbesserung der Lebenssituation der Sinti und Roma in Deutschland und Europa, aber auch Themen wie den Antiziganismus, Frauen-Empowerment oder die Wichtigkeit einer guten schulischen Bildung zu diskutieren. Violetta Balog und Samir Biberovic berichteten von den bisher wichtigsten Projekten des Vereins und zeigten im Anschluss einen Film über das Bundesvernetzungstreffen in diesem Jahr.

Danach bestand die Möglichkeit Fragen zu stellen. Unter anderem interessierte die Besucher, ob es bereits eine Vernetzung der Sinti und Roma in Deutschland mit Ländern im Osten Europas gibt, wo es verstärkt zu Übergriffen auf Minderheiten kommt. Ein anderer Gast wandte sich sowohl an die Vertreter Amaro Droms als auch an Frau Mair: „Wie habt ihr die Geschichte eurer Großeltern oder der Sinti und Roma zwischen 1933 und 1945 erlebt? Ist das bei euch ein Thema?“ Es war Violetta Balog, die sogleich die Frage beantwortete: „Erst mit der Fahrt nach Auschwitz habe ich vom Ausmaß der damaligen Verbrechen erfahren. Die Großelterngeneration spricht kaum davon.“ Auch Birgit Mair kennt Sinti und Roma, die nie über ihr Schicksal gesprochen haben.

Annika Kahrs verwies an dieser Stelle auf die wichtige Zusammenarbeit zwischen dem Zentralrat der Sinti und Roma sowie dem BfDT: „Seit drei Jahren gibt es die Delegationsreise zum Internationalen Gedenktag der ermordeten Sinti und Roma Anfang August. Hier reisen junge Roma und Sinti gemeinsam mit der Generation ihrer Großeltern, zum Teil eigene Familienmitglieder, nach Auschwitz um ihre Geschichte zu erfahren. Immer wieder berichten Teilnehmer, wie bewegend für sie diese Reise ist, die das BfDT finanziell wie inhaltlich unterstützt.

Nach gut anderthalb Stunden konnten die interessierten Besucher die Ausstellung, geführt von Frau Mair, nochmals intensiver anschauen, um im Anschluss bei einem kleinen Empfang ins Gespräch zu kommen.