21.07.2010
„Wir nehmen den Auftrag mit, gegen Hass und Intoleranz überall einzutreten“
Gedenken an Marwa El-Sherbini am 1. Juli 2010 in Dresden
Am 1. Juli 2010, genau ein Jahr nach der Tat, erinnerten Dresden und seine Bürger an den fremdenfeindlich motivierten Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini. Über den ganzen Tag bewegten unter anderem ein Trauermarsch, Ansprachen und die Enthüllung einer Gedenktafel die Stadt. Zahlreiche Einwohner und Prominente waren dem Ruf gefolgt, gemeinsam Marwa El-Sherbini zu gedenken und ein Zeichen zu setzen gegen jede Art von Rassismus und Gewalt. Auch Markus Priesterath, stellvertretender Geschäftsführer des Bündnisses für Demokratie und Toleranz (BfDT), nahm daran teil.Am Donnerstagvormittag legten die Besucher weiße Rosen vor der Gedenktafel für Marwa El-Sherbini ab. „Wir verneigen uns vor dem Opfer dieser schrecklichen und unfassbaren Tat und trauern mit ihrer Familie“ lautet die Inschrift in deutscher und arabischer Schrift. Die Tafel wurde bei dem stillen Gedenken im Foyer des Landgerichts enthüllt, dem Ort, an dem die Ägypterin auf brutale Weise um Leben kam. „Die Tat hat uns alle schockiert und einen dunklen Schatten auf die Justiz und auf Deutschland geworfen“, sagte der sächsische Staatsminister für Justiz und Europa Jürgen Martens in seiner bewegenden Ansprache. Man müsse aber von hier auch den Auftrag mitnehmen, überall gegen Hass und Intoleranz einzutreten. „Das schulden wir als Bürger unserer Demokratie und dem Rechtsstaat. Das schulden wir als Deutsche allen ausländischen Mitbürgern. Das schulden wir als Menschen Marwa El-Sherbini“, machte Martens deutlich.
Auch bei der Gedenkkundgebung vor dem Rathaus am Nachmittag sprachen die Teilnehmer ihre Betroffenheit aus. Justizminister Martens sagte: „Der Mord an Marwa El-Sherbini war ein Anschlag auf die gesamte Gesellschaft.“ Trauer, Entsetzen und Scham reichten nicht aus. Die Bürger müssten „unsere Freiheit und die Freiheit der anderen“ gegen Hass und Verblendung verteidigen, „jederzeit und überall“. Diese Verantwortung forderte auch Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, ein. Zwar sei die Veranstaltung das richtige Zeichen gewesen. Bisher fehle aber immer noch das klare Bekenntnis: „Ihr Muslime gehört zu uns“. Die 4,3 Millionen Muslime in Deutschland würden auf eine solche Geste warten. Marianne Thum vom Vorbereitungskreis der Gedenkaktion stimmte dem zu: „Migranten müssen als selbstverständlich wahrgenommen werden.“ Ausländer wollten nicht um Toleranz bitten müssen. Dass Islamfeindlichkeit weiterhin ein Problem darstellt, war Konsens bei den Rednern. Oberbürgermeisterin Helma Orosz berichtete von ersten Schritten in die richtige Richtung. Unter anderem wird die Universität Bielefeld eine Studie über Fremdenfeindlichkeit in der Stadt durchführen. Orosz räumte aber auch ein: „Wir werden Puste brauchen.“ Das BfDT begrüßte es sehr, dass die Beteiligten ihr Augenmerk nicht nur auf das Gedenken legten, sondern auch Forderungen für die Zukunft wagten. Es ist nun wichtig, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Nur gemeinsam können Land, Stadt und Zivilgesellschaft dafür sorgen, dass solche Verbrechen verhindert werden.
Eine Station auf dem Weg zu mehr Toleranz und Sensibilisierung ist die Kunstinstallation des „Bürger.Courage“ e.V. „18 Stiche“. Ebenfalls am Donnerstag wurde das erste von 18 Betonmessern vor dem Landgericht enthüllt. Die Messer sollen in der ganzen Stadt aufgestellt werden. Sie symbolisieren die großen und kleinen Wunden, die Menschen durch Fremdenhass erfahren und erinnern an die 18 Stiche, mit denen Marwa El-Sherbini vor einem Jahr getötet wurde. Die schwangere 31-Jährige befand sich damals im Gerichtssaal, um als Zeugin gegen Alex W. auszusagen, der sie zuvor beleidigt hatte und sich dafür vor Gericht verantworten musste. Alex W. ermordete El-Sherbini noch im Gerichtssaal und verletzte ihren Mann lebensgefährlich. Elwy Okaz El-Sherbini war bei der Gedenkfeier nicht anwesend. Er hält sich in Ägypten auf und wird nicht mehr nach Deutschland zurückkehren.