09.07.2010
7 x jung – Eine Ausstellung macht den Nationalsozialismus erfahrbar für Jugendliche
Ausstellungsempfehlung
Die Initiative GESICHT ZEIGEN! hat eine Ausstellung konzipiert, die etwas Erstaunliches leistet: Sie macht staatliche Willkür, öffentliche Diskriminierung, Terror und Vertreibung persönlich erfahrbar und veranschaulicht damit auf beispielhafte Weise die Merkmale einer Diktatur. Das Bündnis für Demokratie und Toleranz (BfDT) empfiehlt den Besuch der speziell auf ein jugendliches Publikum ausgerichteten Ausstellung „7 x jung - Dein Trainingsplatz für Zusammenhalt und Respekt", die seit dem 7. Juni in den S-Bahnbögen am S-Bahnhof Bellevue in Berlin zu sehen ist.„Wenn wir fragten, was wird aus diesem Land, dann war das die Frage, was wird aus uns“
Der Jugend die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit und die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus nahe zu bringen, wird zu einer immer schwierigeren Aufgabe, je länger dieser Teil unserer Geschichte in der Vergangenheit liegt. Doch die Erinnerung ist nach wie vor von essentieller Bedeutung, um den Wert einer freien, demokratischen Gesellschaft verstehen zu können. Was wäre, wenn ich plötzlich fliehen müsste, nur weil mein Vater einer bestimmten Partei angehört? Was wäre, wenn man mich verhaften würde, weil ich der Meinung bin, dass alle Menschen die gleichen Rechte verdienen? Was wäre, wenn ich nicht mehr meine Lieblings-Musik hören dürfte, weil diese als „undeutsch" gilt, und wenn ich nicht länger mit meinem besten Freund auf einer Parkbank sitzen dürfte, weil er einer anderen Religion angehört? Dies sind nur einige der Fragen, die beim Betrachten der Ausstellung 7 x jung aufkommen, indem sie deutsche Geschichte mit der gegenwärtigen Realität heutiger Jugendlicher verknüpft.
„Der Druck war groß, auch der meiner Umgebung. Alle machten mit“
Aufgeteilt ist die Ausstellung in sieben Themenbereiche, mit denen sich Jugendliche identifizieren können: Mein Zimmer, meine Familie, mein Laden, meine Papiere, mein Sport, meine Stadt, meine Musik. In großzügigen, unaufdringlichen und interaktiv erfahrbaren Räumlichkeiten werden jugendliche Realitäten präsentiert und der Geschichte gegenübergestellt. Wer versucht zu verstehen, was es bedeutet, wenn die Gestapo ohne Vorankündigung die eigene Wohnung durchsuchte, der stelle sich sein eigenes Zimmer vor, das von unten bis oben auf den Kopf gestellt und zerstört wurde: Der Bereich „Mein Zimmer" zeigt ein zeitgenössisches Kinderzimmer mit aufgeschlitztem Federbett, heruntergerissenen Postern, achtlos zerstörten Habseligkeiten, die Jugendlichen am Herzen liegen. Begleitet wird dieser Eindruck von prägnanten, eindringlichen Texten: „Mein Zimmer ist mir heilig. Doch heute komme ich rein und merke sofort: irgendetwas stimmt nicht. Jemand ist hier gewesen und hat meine Sachen durchsucht. Mir wird schlecht. Wer war das, warum?" Zur Familie heißt es „Klar haben wir uns gestritten, wär ja auch komisch. Und so sehr das auch nervt - ich wollte nie einen von uns missen. Doch nun ist einer fort. Die Familie, die wir mal waren, gibt es nicht mehr. Wir wissen nicht, ob es ihm gut geht. Manchmal höre ich meine Mutter nachts weinen. Meine Familie hat eine Wunde, die mir weh tut."
Diese fiktiven Schicksale werden den tatsächlichen Schicksalen der Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus gegenübergestellt. Mit Video, Audio, Bildern und Texten werden Ausschnitte aus dem Leben von Zeitzeugen präsentiert, die in ihrer Kindheit und Jugend plötzlich ohne ein Familienmitglied auskommen mussten, weil dieses verhaftet wurde, die nicht mehr ihr Lieblingscafé besuchen durften, weil es von Juden betrieben wurde, die aus dem Sportverein geschmissen wurden, weil sie selbst Juden waren. Diese Themen werden wiederum mit dem aktuellen Leben heutiger Jugendlicher in Berührung gebracht. Dabei gelingt es den Kuratoren, durch die zeitgenössische und bunte Gestaltung der Räume optisch eine jugendliche Leichtigkeit zu erzeugen, die das plötzliche Einbrechen von staatlichem Terror, Ausgrenzung und Schikane durch den Kontrast nur umso spürbarer macht.
„Natürlich erliegt man leicht der Faszination der Kraft. Kraft imponiert“
Sei es mit Hilfe des Computerspiels „Last Exit Flucht - Das Spiel, bei dem du der Flüchtling bist", durch das Verfolgung und Misshandlung veranschaulicht werden, oder die Gegenüberstellung verschiedener Graffiti-beschmierter Parkbänke, auf denen alte und aktuelle Fotos mit den Aufschriften: „Nur für Juden", „Nur für Arier" und „Islam raus" stehen und die Frage aufwerfen: Wohin setze ich mich? - die Ausstellung schafft es auf eindringliche und oft beklemmende Weise, die Realität des Nationalsozialismus auf unsere heutige Realität zu übertragen und verständlich zu machen. Damit leistet sie einen ganz wesentlichen Beitrag, den Wert unserer Demokratie zu vermitteln.
Die Ausstellung wird noch bis Ende des Jahres in den S-Bahnbögen Bellevue in Berlin gezeigt. Jugendgruppen werden zwecks Führungum


