11.02.2010

Das "weiße Haus" in Ostberlin

Literaturtipp

“Das `weiße Haus` in Ost-Berlin. Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik bei der DDR“ von Jacqueline Boysen. Ch. Links 2010, 1. Aufl., Broschur, S. 336, 16. Abb., ISBN 978-3-86153-556-0
Ostberliner nannten es das „weiße Haus", für die Stasi war es „Objekt 499": die „Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR" (StäV). Ein neues Buch beschreibt nun die Geschichte des für viele schicksalhaften Gebäudes in der Hannoverschen Straße 28-30 in Berlin. Es handelt sich dabei um die Veröffentlichung der Dissertation von Jacqueline Boysen, die im Januar dieses Jahres im Ch. Links Verlag und mit Förderung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur erschienen ist.

Schon das Wörtchen „bei" im Namen der Einrichtung, die als Botschaft die Interessen der BRD in der DDR verfolgte, macht deutlich von welchen Schwierigkeiten die beiderseitige Beziehung geprägt war. Die Autorin stellt die verschiedenen politischen Aspekte heraus, wobei sich synchrone und diachrone Betrachtungsweisen abwechseln. Aber auch soziale und alltägliche Begebenheiten werden aufgenommen. Die Dissertation gibt eine Rundumschau über Personen und Begebenheiten und ordnet sie in die politischen Verhältnisse der Zeit ein. Im Mittelpunkt steht tatsächlich das Haus selbst und alles, was zwischen 1945 und 1990 darin und darum herum geschehen ist. „Das `weiße Haus` in Ostberlin - die ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR" nutzt das Gebäude als roten Faden für einen Ausflug in die aufreibende Zeit des Kalten Krieges. Denn das Haus der StäV bildete über Jahrzehnte hinweg den Sammelpunkt für die komplizierten politischen Beziehungen zwischen der DDR und der BRD. Beide Staaten sahen sich in dem Drahtseilakt zwischen verhärteten Ansichten und der drohenden Gefahr eines Kriegsausbruchs vor schier unüberwindliche politische Konflikte gestellt. Das Haus in der Hannoverschen Straße ist auch deshalb ein so wichtiger historisches Ort, weil die hier arbeitenden Diplomaten den Konflikt zwischen Ost und West, zwischen Sozialismus und Kapitalismus auszutragen hatten. Ihre Entscheidungen konnten weltweite Folgen mit sich tragen.

Autorin Boysen ist diesem spannenden Thema gerecht geworden, in dem sie auf eine trockene und rein wissenschaftliche Ausarbeitung verzichtet hat. Sicher handelt es sich bei dem vorliegenden Buch um ihre Dissertation, die erst im Dezember 2009 an der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock angenommen wurde. Doch die verschiedenen Kapitel sind mit vielfältigen Zeitzeugenberichten und Zitaten unterfüttert, die durchaus unterhalten. Auch ihre ironisiert-distanzierte Sprache macht das Buch eher zu einem anthropologischen Exkurs als zu einer historischen Fleißarbeit. Wer sich auf abwechslungsreiche und doch methodische und umfassende Weise über die ständige Vertretung und ihr Wirken vor und hinter dem Eisernen Vorhang informieren möchte, wird an diesem Buch seine Freude haben.