10.12.2009
Die Zeitungs-AG des Kölner Appells
Von Klaus Jünschke (Kölner Appell gegen Rassismus e.V. )Im Kölner Appell gegen Rassismus e.V. war im Herbst 2006 ein Mädchen aus der Hausaufgabenhilfe beim Klauen erwischt worden. Schnell stellte sch heraus, dass sie in ihrer Familie mit ihren vielen Geschwistern zuwenig Aufmerksamkeit und Zuwendung bekam. Sie fing an zu klauen, kaufte von dem Geld Süßigkeiten und verschenkte diese an andere Kinder. Sie dachte sich, dass sie Freundschaft und Zuwendung kaufen könnte. Wir haben lange darüber gesprochen, wie damit umgegangen werden sollte. Durch diese Diskussion erfuhren wir, dass fast kein Kind Taschengeld erhielt. Daraus entstand die Idee eine Zeitung zu gründen, deren Verkauf allen beteiligten Kindern ein kleines Taschengeld ermöglichen sollte. Das Landesjugendamt Rheinland konnte als Förderer gewonnen werden und so startete die erste Redaktion im September 2006. Drei Monate später war das erste Heft fertig. Es hatte eine Auflage von 1.000 Exemplaren und war 24 Seiten dick.
Da es von dieser ersten Ausgabe nur noch einige wenige Exemplare gibt, aber oft danach gefragt wird, haben wir die Homepage www.koernerstrasse77.de erstellt. Darauf berichten wir über die Entwicklung unserer Arbeit und dokumentieren alle bisher erschienenen Hefte. Wir haben uns sehr gefreut, dass es inzwischen viele Leute gibt, die unsere Zeitschrift sammeln. Wenn wir Kinder und Jugendliche aus der Redaktion durch unseren Kölner Stadtteil Ehrenfeld laufen, kommt es immer wieder vor, dass wir gefragt werden, wann die nächste KÖRNERSTRASSE 77 erscheint.
2008 sind wir aus der Körnerstrasse 77 in die Overbeckstrasse 4 gezogen, wo wir mehr Räume haben. Den Namen unserer Zeitschrift wollten wir aber nicht ändern. Im Dezember 2009 wird die 9. Ausgabe aus der Druckerei kommen. Sie ist dem Thema Nachbarschaft gewidmet. Obwohl wir das Heft 4 Seiten länger gemacht haben, hat der Platz nicht ausgereicht, alle Nachbarn vorzustellen. Das werden wir in den kommenden Ausgaben nachholen. Jetzt haben wir Interviews und Fotos im Heft, die den Kölner Spielecircus vorstellen, den größten Afro-Supermarkt Kölns, Mam, eine afrikanische Friseurin, unseren Nachbarn Herrn Holler mit seinem Fahrrad-Geschäft und die katholische Grundschule Overbeckstraße. Bei den wöchentlichen Redaktionssitzungen haben wir auch über die Nachbarschaft in unseren Herkunftsländern gesprochen und über die Nachbarn in den Häusern, in denen wir mit unseren Familien jetzt leben. Auch die Nachbarn in der Schule waren ein Thema. Nachbarn und Nachbarschaft sind im Leben aller Menschen wichtig. Schön ist es daher zu hören, wie manche auf ihre Nachbarn zugehen und sie einladen, damit man sich kennenlernt.
Ganz am Anfang des Zeitungsprojektes wurde es mit einem Plakat in unserem Zentrum, in unserer Straße und in den nahen Spielplätzen bekannt gemacht. Aus den ersten fünf Kindern, die sich zum Zeitungsmachen getroffen haben wurden bald 15, die sich montags und freitags trafen.
Wir mussten nicht lange Überlegen, was wir in den Heften veröffentlichen wollten. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten Ideen und Vorschläge. Gilan zum Beispiel war sehr empört über einen Film im Fernsehen, der über Kinder in Afrika berichtete, die krank wurden und sogar starben, weil sie kein sauberes Wasser hatten. Ein Junge schimpfte darüber, weil die Erwachsenen den Bolzplatz zwischen ihren Häusern in einen Garten verwandeln wollten – ohne mit den Kindern darüber zu sprechen, dass sie ihnen damit ihren liebsten Spielplatz wegnahmen. Manche wollten über ihre Berufswünsche schreiben. So entstand die Idee mit Menschen über ihre Berufe zu sprechen. Wir haben inzwischen eine Polizistin interviewt, einen Koch, einen Feuerwehrmann, die Besitzerin eines Second-Hand-Ladens für Frauenkleidung, einen Arzt und einen Journalisten. Wie man sich denken kann, führt die Arbeit an unserer Zeitung dazu, dass sich einige überlegen, Journalisten zu werden.
Wir haben uns auf der Homepage von UNICEF informiert und dann angefangen in jedem Heft ein anderes Kinderrecht zu diskutieren. Im aktuellen Heft geht es um die Rechte von Kindern im Krieg und auf der Flucht.
Weil wir uns so gründlich mit den Kinderrechten auseinandergesetzt haben, haben wir im September 2008 auf dem Weltkindertag den Kinderrechte-Preis des Westdeutschen Rundfunks (WDR) gewonnen. Ein halbes Jahr später konnten wir zu einer weiteren Preisverleihung nach Bonn fahren. Im Alten Rathaus erhielten wir mit anderen Gruppen vom Bündnis für Demokratie und Toleranz einen zweiten Preis.
Uns macht die Arbeit für die Zeitung selbst sehr viel Spaß, weil wir immer neue Leute kennen lernen und weil wir viel Neues erfahren.
Eure Redaktion
