12.11.2009
Darmstädter Lichterzug am 27. Oktober 2009
Initiator Purna Kanungo im Interview
Einmal im Jahr verwandelt sich die Innenstadt von Darmstadt in ein Lichtermeer. Dann hat Purna Kanungo, Vorsitzender des „Freunde für Frieden e.V.“ wieder die Einwohner mobilisiert, gemeinsam durch die Straßen zu ziehen. Mit Kerzen, Lampions und Fackeln setzten sie beim Darmstädter Lichterzug am 27. Oktober 2009 wieder ein Zeichen für Menschenrechte, Toleranz und ein friedliches Miteinander. Bei der Abschlusskundgebung sprach unter anderem auch Dr. Gregor Rosenthal, Geschäftsführer des Bündnisses für Demokratie und Toleranz (BfDT), welches den Lichterzug zum wiederholten Mal unterstützt. Der Initiator des Lichterzugs Purna Kanungo berichtet in diesem Interview davon, wieso der Lichterzug so wichtig für die Menschen ist.Lieber Herr Kanungo, Sie leben schon lange in Deutschland. Was prägt Ihrer Ansicht nach die Einstellung der Bevölkerung zu ausländischen Mitbürgern?
Man kann nicht „die deutsche Bevölkerung“ sagen. Da sind immer Querköpfe, die leider schlechte Stimmung machen. Aber im Allgemeinen kann ich sagen, die Deutschen haben nichts gegen Ausländer. Sonst hätte ich mich nicht entschlossen hier in Deutschland zu bleiben, zu heiraten und eine Familie zu gründen.
Viele Menschen kommen nach Deutschland und denken, sie bekommen alles geschenkt. Aber das ist nirgends auf der Welt der Fall. Beide Seiten müssen wissen: Man darf nicht nur fordern. Auch wenn ich Gäste kommen lasse, muss ich mich um sie kümmern. In den 50 er Jahren hat man entschieden, dass man Gastarbeiter benötigt. Eine wunderbare Sache, aber niemand hat sich um die Menschen gekümmert. Da fing das Dilemma an. Erst jetzt hat die Bundesregierung das erkannt und macht eine wirklich gute Sache. Jeder hat einen Beitrag zu leisten, dann hat man auch kein Problem. Immer den anderen die Schuld zu geben, ist nicht richtig.
2007 haben Sie das erste Mal den Lichterzug in Darmstadt durchgeführt und den Verein „Freunde für Frieden“ gegründet. Was bedeutet Ihnen der Lichterzug und wofür steht er?
In allen Religionen und Kulturen gibt es Licht als Symbol. Es bedeutet Frieden, Liebe und Mitgefühl. Ich habe in Nürnberg gelebt und gearbeitet und habe dort zwei Lichterzüge gesehen. Ich wollte den Lichterzug als Symbol der Liebe mit der Völkerverständigung verbinden. Und ich muss sagen, es kommt bei den Menschen an.
Vor der Vereinsgründung hatte ich keinen Status um Spenden sammeln zu können. Ich war bei Frau Zypries und sie sagte: „Machen Sie keine halben Sachen, gründen Sie einen Verein!“ Und siehe da, es lief wunderbar. Ich bin sehr froh und stolz, dass ich das mache und auch, dass das BfDT uns unterstützt.
Was war dieses Jahr besonders?
Wir hatten viele Redner, wie zum Beispiel neben Dr. Rosenthal vom BfDT auch Prof. Langanke von der GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH. Das ist gut bei den Menschen angekommen. Sie sagen plötzlich: „Hoppla, du hast aber viel erreicht!“ Und das stimmt auch. Wenn Menschen spontan ihre Unterstützung zusagen, einfach weil sie es gut finden, dann sehe ich meine Sache bestätigt.
Wir haben in diesem Jahr auch eine Schule und einen Chor integriert. Die Edith-Stein-Schule hat in so kurzer Zeit eine Gruppe aufgebaut und etwas aufgeführt – die Zuschauer waren hingerissen. Immerhin war es Dienstag, ein Arbeitstag. Wunderbar, wie man die Menschen bewegen kann. Nicht alle Darmstädter sind so zu bewegen, aber ich denke, das kommt noch.
Sie wollen den Lichterzug gern noch weiter ausbauen. Was haben Sie in der Zukunft vor?
Wenn alle Menschen auf der Welt zufrieden wären, dann bräuchten wir dieses Projekt nicht. Dann könnte man einfach friedlich miteinander leben. Das ist natürlich eine Illusion von mir, aber ohne Träume geht es nicht. Ich habe vor, nächstes Jahr noch eine Schule zu integrieren. Und 2011 möchte ich wirklich etwas Großes machen. Angelehnt an Sir Simon Rattles Projekt „Rhythm is it“, bei dem er 250 Kinder zusammengetrommelt hat. Er hat gezeigt, dass man, obwohl wir verschiedene Hautfarben haben und manche Kopftücher tragen, trotzdem wunderbar miteinander auskommen kann. Das will ich auch zeigen. Kinder haben kein Problem, sie haben überhaupt keine Hemmungen. Wenn Kinder so etwas können, wo ist dann das Problem der Erwachsenen?
Das Problem in der Gesellschaft ist, dass die Menschen zu gesättigt sind vom Fernsehen und all dem, man muss mit solchen Aktionen locken. Das haben wir vor.
Vor über 40 Jahren sind Sie aus Ihrer Heimat Indien hierher gekommen. Wie fühlen Sie sich heute – indisch oder deutsch?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich habe zwei Herzen in der Brust. Ich fühle mich jetzt langsam mehr deutsch – ich denke in deutsch, ich träume in deutsch. Ich fühle mich wohl und habe Freunde, sonst würde ich mich auch nicht so interessiert für das Land bemühen. Wenn ich eine Frau nicht liebe, werbe ich doch nicht um sie. Ich fühle mich auch als deutscher Staatsbürger. Aber ich kann dafür nicht meine Hautfarbe oder Religion ändern.
Ich bin schon 71 Jahre alt und habe eine etwas andere Philosophie: Man kommt nackt zur Welt, man geht auch nackt von der Welt. Man kann nichts mitnehmen. Das heißt, es bringt nichts, nur hinter Geld oder Vorteil her zu rennen. Wenn ich in einer Gesellschaft lebe, ihren Schutz genieße, dann ist es auch meine Pflicht, einen positiven Beitrag zu leisten. Wenn alle Menschen immer nur aus dem Topf etwas herausnehmen, ist er irgendwann leer. Es ist also unsere Pflicht, auch etwas in den Topf hineinzutun. Man muss etwas tun, so lang man die Kraft hat. Das ist meine Art, mehr nicht.


