26.07.2017

Interview mit Hetav Tek

Warum junge Menschen mehr in demokratische Prozesse eingebunden werden sollten, erzählt die BfDT-Botschafterin 2017 im Gespräch.

Mit vier Jahren floh Hetav Tek mit ihrer Familie aus dem Iran nach Deutschland. Sie wuchs in Wuppertal auf, wo sie bereits mit 13 Jahren begann, sich im kurdischen Kinder- und Jugendverband „KOMICIVAN“ ehrenamtlich zu betätigen. Ein Einsatz für Partizipation Jugendlicher und für eine lebendige Demokratie, der nun schon seit über 20 Jahren anhält. Inzwischen ist sie als stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR) und als Bundesvorsitzende des djo – Deutsche Jugend in Europa e.V. ehrenamtlich aktiv, um das Mitspracherecht Jugendlicher zu stärken.

Hetav Tek ist Bundesvorsitzende des djo (Foto: Pavel Sepi)Hetav Tek ist Bundesvorsitzende des djo (Foto: Pavel Sepi)

Sie engagieren sich seit rund 20 Jahren. Warum ist Engagement für Sie wichtig?

Durch mein Engagement habe ich Erfahrungen sammeln, meine Kompetenzen weiterentwickeln und demokratische Prozesse vorantreiben können. Innerhalb der Verbandsarbeit habe ich gelernt, Verantwortung für mich und andere zu übernehmen. Man könnte sagen, ich habe durch mein politisches und gesellschaftliches Engagement meine Identität gefunden. Ich bin eine Deutsche mit kurdischen Wurzeln.

Mit vier Jahren sind Sie aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet. Warum mussten Sie Ihr Geburtsland verlassen und welche Rolle spielt dieser Hintergrund bei Ihrem Engagement?

Ich komme aus einer sehr politischen Familie. Meine Eltern mussten aufgrund ihres politischen Engagements ihre Familien und ihr Leben in der Türkei zurücklassen und sind nach Ostkurdistan (Iran) geflohen. Die ersten vier Jahre meines Lebens bin ich im Krieg aufgewachsen. Meine Eltern haben daraufhin, um mir ein sicheres und gutes Leben gewähren zu können, den Entschluss gefasst, ihre Heimat zu verlassen. Dies war sicherlich der Grundstein meines Engagements.

Sie sind insbesondere in der Jugendverbandsarbeit aktiv, warum ist jugendliche Partizipation besonders wichtig?

Jugendverbände sind Werkstätten der Demokratie, das Engagement ist dort in der Regel werteorientiert. Hier setzen sich junge Menschen für sich und andere ein, übernehmen freiwillig und selbstbestimmt Verantwortung und vertreten ihre Interessen gegenüber der Gesellschaft, Politik und Verwaltung.


Interner Link„Ich wusste immer, dass es wichtig ist, sich politisch zu engagieren, wenn einem die Gesellschaft am Herzen liegt.“




Was hindert junge Menschen daran, sich aktiv für Demokratie einzusetzen?

Junge Menschen setzen sich nicht nur durch langfristiges und kontinuierliches Engagement, beispielsweise in einem Jugendverband, für Demokratie ein. Online-Petitionen, zeitlich begrenzte Aktionen oder Initiativen wie „Pulse of Europe“ sind weitere Formen, mittels denen sie sich für eine gleichberechtigte Gesellschaft aussprechen können. Allerdings dürfen die Rahmenbedingungen, in denen Jugendliche aufwachsen, nicht außer Acht gelassen werden. Die zeitlichen Freiräume junger Menschen für Engagement werden immer enger. Hierfür gibt es viele verschiedene Faktoren wie z.B. Ganztagsschulen, verkürztes Abitur oder Prüfungen in der semesterfreien Zeit.

Sie sprechen von einem Wahlalter ab 14.

Jede politische Entscheidung, die getroffen wird, wirkt sich auch auf die Lebenswelt junger Menschen aus. In diese Entscheidungsprozesse werden sie aber weder direkt noch indirekt (Wahlen) eingebunden. Wählen zu dürfen heißt auch, mitbestimmen zu dürfen. „Mehr Demokratie wagen“ war eine Maxime in der Politik, die auch heute noch gilt. Wir brauchen eine jugendgerechte Politik und eine Gesellschaft, die jungen Menschen die Möglichkeit gibt, sich in demokratische Prozesse einzubinden und ihre Belange stärker in den Fokus zu rücken. Wir brauchen eine Politik und Gesellschaft, die nicht über, sondern mit jungen Menschen spricht und sie gleichberechtigt und auf Augenhöhe teilhaben lässt.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Für die Zukunft wünsche ich mir eine Gesellschaft, die Jugendliche nicht als defizitär oder nur im Zuge des demographischen Wandels betrachtet. Ich wünsche mir, dass junge Menschen, unabhängig ihrer Herkunft, ihres Aufenthalts, ihrer Sexualität oder ihrem sozialen Hintergrund, gleichberechtigt teilhaben können. Ich wünsche mir mehr junge Menschen in Entscheidungspositionen.

BfDT-Beiratsmitglied Christian Lange, PSt im BMJV (links) und BfDT-Botschafterin Hetav Tek (rechts) (Foto: André Wagenzick/ BfDT)BfDT-Beiratsmitglied Christian Lange, PSt im BMJV (links) und BfDT-Botschafterin Hetav Tek (rechts) (Foto: André Wagenzick/ BfDT)

Für ihr herausragendes zivilgesellschaftliches Engagement hat das Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt (BfDT) Hetav Tek am 23. Mai 2017 beim Festakt zur Feier des Tages des Grundgesetzes als Botschafterin für Demokratie und Toleranz 2017 ausgezeichnet.

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