18.11.2014

Porträtreihe "Botschafterin für Demokratie und Toleranz" 2014 – Andrea Röpke

Andrea Röpke mit BfDT-Beiratsmitglied und MdB Monika Lazar (Foto: BfDT)(Foto: BfDT)Andrea Röpke mit BfDT-Beiratsmitglied und MdB Monika Lazar beim Festakt zur Feier des Tages des Grundgesetzes 2014 (Foto: BfDT)
Andrea Röpke bei einen Rechercheeinsatz in Grevesmühlen, als dort ein Neonazi-Treffen stattfand (Foto: Otto Belina)
"Blut und Ehre - Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland", erschienen im Ch. Links Verlag
"Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene", erschienen im Ch. Links Verlag
Andrea Röpke ist freie Journalistin mit dem Themenschwerpunkt Rechtsextremismus. Sie gilt als eine der besten Kennerinnen der rechten Szene in Deutschland und engagiert sich seit Jahren für die Aufklärung über diese Netzwerke. Andrea Röpke publiziert seit Anfang der 1990er-Jahre zum Thema Neonazismus und ist insbesondere durch ihre Insider-Reportagen bekannt geworden. Ihre Arbeiten, etwa über Freie Kameradschaften oder die Heimattreue Deutsche Jugend, wurden bisher beispielsweise in TV-Magazinen sowie überregionalen Zeitschriften veröffentlicht. Ihre Reportagen sind Teil des Angebots der Bundeszentrale für politische Bildung. Auch im NSU-Untersuchungsausschuss war sie eine wichtige Informationsquelle.

Interview mit Andrea Röpke:

Erzählen Sie kurz von Ihrer vielfältigen Arbeit?

Ich gehöre seit zwanzig Jahren zum Kreis der wenigen Fachjournalisten, die sich bundesweit kontinuierlich und ausschließlich mit Neonazismus und Rassismus beschäftigen. Meine Aufgabe sehe ich nicht nur darin, dort vor Ort zu sein, wo die Neonazis uns nicht haben wollen: bei geheimen Zeltlagern mit Kindern, Konzerten, Kulturveranstaltungen oder anderen konspirativen Aktionen – sondern auch als Buchautorin und Fachjournalistin im Bereich der Prävention zur Verfügung zu stehen. D.h. wir prangern nicht nur regionales Wegschauen oder Übergriffe an, sondern bieten auch an, über unsere Arbeit vor Ort zu berichten, z.B. in Schulen, Volkshochschulen oder bei Weiterbildungen. Mir ist es wichtig, den betroffenen Kommunen, Einrichtungen, Privatpersonen bei ihren Bemühungen um Aufklärung zu helfen. Zuvor jedoch orientiere ich mich weniger an den jährlichen Verfassungsschutzberichten oder den Pressemitteilungen der Polizei, sondern stelle – soweit möglich – eigene Recherchen und Einschätzungen zum Zustand der extrem rechten Szene in den Regionen an.

Was gibt den Anstoß für Ihre Recherchen?

Naja, ich habe bereits während meines Studiums bemerkt, dass ich mich tiefer in Themen wie die Nachkriegskarrieren von NS-Verbrechern oder danach überwiegend verborgene rechte Aktivitäten einarbeiten möchte. Mir wurde ebenso schnell klar, dass ich das nicht mal eben in wenigen Stunden erledigen kann – und vor allem, dass es mir wichtig ist, vor Ort zu gucken, zu filmen, zu dokumentieren und mir ein eigenes, authentisches Bild zu verschaffen. In den meisten Redaktionen wurde das Thema bisher als Nischen-, wenn nicht sogar als Schmuddelthema angesehen und oft stiefkindlich behandelt – dagegen wollte ich wirken. Seit den Verbrechen des NSU wird es leider immer mehr zu einem tagespolitischen Thema. Ruhige Hintergrundanalysen und kritische Berichte basierend auf eigenen Recherchen finde ich nach wie vor aber wichtiger. Ich muss allerdings betonen, dass ich nicht alleine arbeite, sondern natürlich informell gut vernetzt bin und tolle, engagierte Kolleginnen und Kollegen habe.

Sie haben bereits viele Missstände aufgedeckt. Was motiviert Sie, immer weiter zu arbeiten?

Alltagsrassismus und Fremdenfeindlichkeit hat enorm zugenommen – auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Das spornt mich an weiterzumachen. Neonazis locken mit ihrer radikalen, menschenverachtenden Ideologie immer mehr Bürgerliche an. Sie sind leider sehr professionell geworden und verankern sich immer mehr. Beim Rest der Bevölkerung setzt eine Demokratiemüdigkeit ein, die erschreckend ist. Warum empören sich nur so wenige Menschen über die schrecklichen Morde und Tötungen von rechts? Die Opfer rechter Gewalt haben meist keine Lobby. Daher ist es mir als Journalistin auch wichtig nicht nur aufzuklären, sondern nach wie vor auch die Arbeit engagierter Menschen und Initiativen sichtbar zu machen.

Sie waren Sachverständige in den NSU-Untersuchungsausschüssen im Bundestag sowie im sächsischen und bayerischen Landtag. Wie konnten Sie mit Ihrer Expertise zur Aufklärung beitragen?

Ich wurde jeweils im Anfangsstadium der Untersuchungsausschüsse geladen und konnte so aufzeigen, dass die Berichte und Warnungen der Inlandsgeheimdienste zum Thema Neonazis völlig unzureichend sind. Ich habe kritisiert, dass gefährliche Gruppen wie "Blood & Honour" vom Verfassungsschutz zwar ausspioniert wurden, V-Leute teuer bezahlt wurden, aber es keine Warnungen oder gar eine beherzte Aufklärungsarbeit in Folge dieser Erkenntnisse gab. Rechte Militanz, Waffenfunde und ideologische Kampfschriften gab es zuhauf und dennoch wird die rechte Szene bis heute von den Behörden verharmlost.
Es gab in allen Sitzungen lange Fragerunden, die Politiker (fast) aller Fraktionen löcherten mich, ich hatte mich intensiv vorbereitet, kam aber dennoch ganz schön ins Schwitzen. Doch das Interesse hat mich total gefreut und die Bereitschaft unseren journalistischen Recherchen zu vertrauen und nicht nur den offiziellen staatlichen Angaben.

Ihre Bücher und Reportagen haben viel Aufsehen erregt und wichtige Aufklärungsarbeit geleistet. Sind weitere in Planung?

Ich schreibe gerade über die Verbindung zwischen Neonazis und Rockern, es entstehen gefährliche, unberechenbare, radikale Mischszenen. Dann bleiben wir natürlich am Terror dran und verfolgen aber auch die Entwicklungen im Schatten von NPD oder Die Rechte. Eine dicke Broschüre zu Mecklenburg-Vorpommern ist in Planung. Und zurzeit aktualisieren wir auch unser Buch "Mädelsache" - das ist mir sehr wichtig.