17.11.2011
Familien im Stadtteil (FiS) – Nachbarschaftliche Hilfe für Bremerhaven
von Uwe Säuberlich
Zu viele Kinder in Bremerhaven sind arm. Die Stadt leidet unter einer vergleichsweise hohen Langzeitarbeitslosen- und Sozialhilfeempfängerquote. Diese finanzielle Not trifft Alleinerziehende oft besonders hart. 2001 führten Prof. Dr. Klaus D. Müller und Prof. Dr. Gert Gehrmann von der Fachhochschule Frankfurt am Main gemeinsam mit mir eine Fachtagung in Bremerhaven durch. An dieser Fachtagung nahmen Sozialarbeiter von öffentlichen wie privaten Jugendhilfeträgern teil. Vorgestellt wurden dort unter anderem Projekte wie „Homestart“ und „Family First“, die überforderte Familien unterstützen und damit Gewalt vorbeugen. Die Projekte stießen sofort auf große Resonanz. So etwas brauchen wir hier in Bremerhaven auch, dachten wir uns!Inzwischen können wir auf fünf erfolgreiche Jahre zurückblicken. Durch meine Arbeit habe ich zahlreiche Mütter und Väter kennengelernt, die ihren Alltagsstress nicht immer bewältigen können: sei es, weil sie sich gerade von ihrem Ehepartner getrennt haben, weil das vierte Kind gerade geboren wurde und keine Verwandten in der Nähe wohnen, um sich um die Geschwister zu kümmern oder einfach nur, weil der Kindergarten zu weit weg vom Arbeitsplatz liegt. Diese Überforderung kann zuweilen in Gewalt und Vernachlässigung der Kinder resultieren. Wir machen uns dafür stark, dass es gar nicht erst soweit kommen kann. Das präventive Programm „Familie im Stadtteil“ (FiS) in Bremerhaven richtet sich mit einem niederschwelligen Angebot an Eltern und bietet ihnen kostenlose Hilfe bei der Kinderbetreuung an.
Die Initiative Jugendhilfe Bremerhaven (IJB) feiert 2011 ihren 25. Geburtstag. Ich bin Gründungsmitglied und seit fast zwei Jahrzehnten Vorstandsvorsitzender. Ich selber habe nur sehr kurz im Model FiS aktiv mitgearbeitet. Nach der Entwicklung koordiniere ich nun unser Projekt. Das FiS-Team besteht aus 5 Teamleiterinnen und 70 Mitarbeitern, die tagtäglich betroffene Familien besuchen und dort wertvolle Unterstützungsarbeit leisten. Diese reicht von Hausaufgabenbetreuung, bis zu pädagogischen Ratschlägen. Viele der sogenannten FiS-Assisteninnen und Assistenten kommen auch in die Familien, um mit den Kindern zu spielen, während die Mütter die freie Zeit nutzen, wichtige Einkäufe oder Behördenbesuche zu erledigen. Die einzige Voraussetzung für die Hilfe: Die Familien müssen von selbst auf uns zukommen. Weder möchten wir Eltern bei der Erziehung bevormunden, noch zu etwas drängen: deswegen kann die Hilfe auch jederzeit beendet werden und die Familien bestimmen, in welchem Umfang sie mit uns zusammenarbeiten möchten.
Unsere Hilfe ist auch langfristig wirksam. Von den 234 Familien, die wir 2010 betreut haben, hatten über 70 Prozent einen Migrationshintergrund. Einige von ihnen haben kaum Anschluss in Bremerhaven. Die Assistentinnen, die die gleiche Arbeit übernehmen, die auch sorgsame Nachbarn übernehmen könnten, helfen diesen Familien, sich hier wohlzufühlen und Isolation vorzubeugen. Inzwischen ist sogar ein Netzwerk von Mitarbeitern und Eltern entstanden, das sich einmal im Monat zu einem selbst organisierten gemeinsamen Frühstück trifft. So haben sich viele ehemals rein professionelle Kontakte schnell in Freundschaften verwandelt und Mütter, die ehemals selbst die Hilfe des FiS-Programmes in Anspruch genommen haben, sind zu Mitarbeiterinnen geworden.
Wir freuen uns über diesen Zuwachs und eine weiterhin erfolgreiche Arbeit.
