24.10.2011
Tagung in Kassel: Demokratische Beteiligungsformen auf dem Prüfstand
Am 23. und 24. September diskutierten Ehrenamtliche die Zukunft politischer Partizipation
Wie werden sich Bürger in Zukunft politisch beteiligen: über eine Mitgliedschaft in etablierten politischen Parteien oder über das Internet? Wie werden sich Möglichkeiten der politischen Teilhabe verändern und was bedeutet das für den Einzelnen? Die Tagung "Demokratische Beteiligungsformen auf dem Prüfstand: Bürger in politischer Verantwortung", die am 23.9. und 24.9.2011 in Kassel stattfand, setzte sich mit diesen Themen kontrovers auseinander.Veranstaltet von Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. und dem Bündnis für Demokratie und Toleranz (BfDT) stellten sich die Teilnehmer die Frage, wie politisches und zivilgesellschaftliches Engagement in Zukunft aussehen kann und wie etablierte Parteien darauf reagieren können. Politische Teilhabe der Bürger ist ein wichtiger Bestandteil unserer demokratischen Gesellschaft. Bereits im einleitenden Vortrag der Veranstaltung appellierte der Vorsitzende des Verein gegen Vergessen, Dr. h.c. Joachim Gauck, an die Teilnehmer, die Verantwortung für das Gemeinwesen selbst in die Hand zu nehmen.
Am nächsten Tag teilten sich die rund 50 Teilnehmer, die in unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Bereichen tätig sind, in Arbeitsgruppen auf. Einige Teilnehmer setzten sich mit Formen der politischen Beteiligung auseinander. Dabei wurden nicht nur die verschiedenen Möglichkeiten beleuchtet, die Bürger hierzulande haben, sondern auch die Beteiligungsformen anderer Länder betrachtet. Schließlich stellten sie sich die Frage, wie man, auch am Beispiel ausländischer Staaten, Türen für die politische Partizipation in Deutschland öffnen könnte, sei es auf Bundes-, Landes- oder auf kommunaler Ebene. Nach einem Impulsreferat von Prof. Dr. Frank Decker, der Politikwissenschaft an der Universität Bonn unterrichtet, setzten sich die Teilnehmer in einer Arbeitsgruppe zusammen und arbeiteten eigene Vorschläge aus.
Eine zweite Arbeitsgruppe setzte sich intensiv mit der Frage "Parteien – Grundpfeiler der Demokratie oder Auslaufmodell?" auseinder. Prof. Dr. Bernd Faulenbach, Historiker an der Ruhr-Universität in Bochum, lieferte mit einem Vortrag den ersten Anstoß für die Teilnehmerdiskussion, die sich lebhaft der Frage widmete, wie Parteien für viele Bürger wieder attraktiver werden können. Immer mehr Leute treten aus den etablierten Parteien aus, viele Jugendgruppen haben Probleme, neue Mitglieder zu gewinnen. Was man dagegen tun könnte debattierte eine Gruppe unter der Leitung von Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, die neben ihrer Tätigkeit als Journalistin und Parlamentarischen Staatssekretärin a.D. auch dem Beirat des BfDT angehört.
Nach dem Mittagessen ging es mit aktuellen Diskussionsthemen weiter. Teilnehmer beschäftigten sich mit den Fragen "Wer soll mitmachen? Über die Ausweitung demokratischer Teilhabe" und "Politische Kommunikation oder Wie sage ich es den Bürgern?" Hier wurde die angeblich zunehmende Politik- und Politikerverdrossenheit aufgegriffen und Möglichkeiten gesammelt, ihr entgegenzuwirken. Eine besondere Rolle könnten hierbei neue Kommunikationstechnologien wie "social media" spielen. Dabei wurde auch die Rolle der Piratenpartei diskutiert, die mit ihrem Einzug in das Berliner Abgeordnetenhaus viele überraschte. Kann eine sogenannte "liquid democracy", die es Bürgern ermöglicht, sich vom PC aus gezielt mit einigen politischen Themen zu befassen und über diese abzustimmen, ein Weg in die Zukunft sein? Das Internet baut, insbesonders bei jungen Leuten, Hürden und Barrieren des politischen Engagements ab, birgt aber auch Gefahren wie der Informationsüberflutung und damit mögliche eingeschränkte Selektion von Informationen.
Im Workshop "Wer soll mitmachen? Über die Ausweitung demokratischer Teilhabe" wurde unter der Leitung von Markus Priesterath vom Bündnis für Demokratie und Toleranz darüber diskutiert, wie man Menschen, die sich bisher nicht für Politik interessieren, an politische Themen heranführen und zu einer Teilnahme ermutigen kann. Hier standen insbesondere die Erfahrungen der zivilgesellschaftlich Aktiven im Vordergrund, die sich zum einen in ihrer Arbeit mit einer großen Bandbreiten an gesellschaftlichen Gruppen und damit Interessen auseinandersetzen müssen, zum anderen aber auch oft auf Desinteresse und Ablehnung stoßen. Ihre Strategien und Ideen waren bei diesem Austausch gefragt.
Zum Abschluss stellten alle Arbeitsgruppen die Ergebnisse ihrer Arbeit im Plenum vor. So konnten die Teilnehmer eine Reihe von Impulsen und neue Ideen mit in ihre eigenen Vereine nehmen, um ihre Möglichkeiten der politischen Partizipation auszubauen und neue Mitglieder für politische Themen zu begeistern.
