08.06.2011
„Jeder von uns ist ein Schatz und ein Beispiel“
Festakt zu Feier des Tages des Grundgesetzes
Der Festakt zur Feier des Tages des Grundgesetzes ist zu Ende gegangen. Die Botschafter für Demokratie und Toleranz 2011 wurden feierlich im Berliner Haus der Kulturen der Welt ausgezeichnet. Damit ist auch der Jugendkongress des Bündnisses für Demokratie und Toleranz (BfDT) fast abgeschlossen, dessen Höhepunkt jedes Jahr der Festakt ist. Die über 450 Teilnehmer des Jugendkongresses feierten gemeinsam mit Gästen aus Politik und Zivilgesellschaft den 23. Mai – den Tag, an dem das deutsche Grundgesetz vor nun 61 Jahren verabschiedet wurde.Dr. Gregor Rosenthal, der Geschäftsführer des BfDT, eröffnete die Veranstaltung mit einer Rede, in der er die Bedeutung einer aktiven Zivilgesellschaft für das Bestehen einer lebendigen Demokratie hervorhob. Dabei bezog er auch aktuelle Geschehnisse mit ein. Großartig sei es, so Rosenthal, dass sich der arabische Frühling im Zeichen der Demokratie und der allgemeingültigen Menschenrechte erhebe. „Was wir leisten können und heute geleistet haben, ist, an diesem Tag Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen und mit den unterschiedlichsten Perspektiven auf Augenhöhe zusammenzubringen.“ Jedes einzelne Projekt oder Initiative bilde einen Knoten im Netz der Zivilgesellschaft.
Moderator Yared Dibaba, der am Montagnachmittag durch das Programm des Festakts führte, bat danach die BfDT-Beiratsmitglieder Uta Leichsenring und Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast auf die Bühne. Sonntag-Wolgast beschrieb die Entwicklung des BfDT vom „Aufstand der Anständigen“ bis heute. „Was mir am meisten Freude macht, ist, dass in dieser Zeit die zivilgesellschaftlich Aktiven stärker, lauter und vor allem mehr geworden sind!“, sagte Leichsenring.
Dann wurde es interaktiv im Haus der Kulturen der Welt, dem traditionellen Veranstaltungsort des Festakts. Das Improtheater Steife Brise aus Hamburg forderte die Jugendlichen des Jugendkongresses auf: „Zeigt euch und seid laut!“ Die beiden Schauspieler spielten, was das Publikum vorgab und holten auch Teilnehmer auf die Bühne. Im Anschluss gab es noch eine Überraschung. „Ich brauche hundert Freiwillige!“, rief der Moderator von Steife Brise: Die Teilnehmer des Jugendkongresses waren eingeladen, die Lieder live vorzutragen, die sie in den letzten zwei Tagen im Rahmen eines Gospelworkshops einstudiert hatten.
Dies war genau der richtige Auftakt für den Höhepunkt des Nachmittags: die Verleihung der Titel an die Botschafter für Demokratie und Toleranz 2011. Die beiden parlamentarischen Staatssekretäre der Bundesministerien des Innern und der Justiz Dr. Christoph Bergner und Dr. Max Stadler übernahmen die Ehrung der Botschafter und sprachen mit ihnen über ihr Engagement. Eingeleitet wurde jede Auszeichnung mit einem kurzen Portraitfilm. Standing Ovations begleiteten die Überreichung der Urkunde durch die Parlamentarischen Staatssekretäre.
Als erster konnte sich Kazim Erdogan über den Titel Botschafter für Demokratie und Toleranz freuen. Seit Jahren engagiert sich Erdogan in seinem Bezirk Neukölln, immer wieder initiiert er neue Projekte, um die Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund am gesellschaftlichen Leben zu fördern. „Ich habe heute Nacht geträumt, dass viele Vertreter der Politik heute da sind, die das alles hören“, sagte Erdogan in seiner Dankesrede.
Auch Birgit und Horst Lohmeyer nehmen die Gestaltung ihrer Lebenswirklichkeit selbst in die Hand. Dass ihre Wahlheimat Jamel als rechtsextremes Dorf traurige Berühmtheit erlangt hat, wollen sie nicht hinnehmen. Mit bunten Veranstaltungen setzen sie nicht nur Zeichen gegen die „befreite“ Zone der NPD, sondern organisieren ganz konkret alternative Freizeitangebote für die Region. Diesen Mut, dem Druck von Rechts im eigenen Heim standzuhalten, lobte Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Bergner im Gespräch.
Waltraud Thiele hilft mit einer Selbsthilfegruppe den Menschen, die in der SED-Diktatur zu Unrecht verfolgt und verhaftet wurden. Auch sie selbst hat ein ähnliches Schicksal erleben müssen. Als Kind einer politisch Inhaftierten im Gefängnis geboren, durchlief sie die drakonische Heimerziehung der DDR. Ihr größter Wunsch heute? Mehr Mittel für ihre Hilfegruppe und ihre Arbeit als Zeitzeugin. Mit der Auszeichnung zum Botschafter für Demokratie und Toleranz kommt sie diesem Ziel ein Stückchen näher.
Dass Bildung nicht nur in elitären Institutionen vermittelt werden kann, beweist StreetUniverCity e.V. In verschiedenen Bereichen wie der politischen Bildung und im Kreativbereich bietet der Verein Jugendlichen Seminare an – und spricht dabei ihre Sprache. Ein Dozent und zwei Schüler nahmen in Vertretung des Vereins die Auszeichnung entgegen. „Sie bringen uns die gleichen Dinge bei, die uns normale Lehrer komplizierter erklären“, sagte einer von ihnen im Gespräch. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Stadler lobte das Engagement des Vereins. „Es ist großartig, dass es Menschen gibt, die nicht akzeptieren, dass das kreative und produktive Potenzial von Menschen aus sozialen Brennpunkten nicht genutzt wird“, sagte er. Nachdem die Jugendlichen noch ihren Wunsch für die Zukunft geäußert hatten – mehr Frauenpower – gaben sie sogar noch eine Kostprobe von dem, was sie im Kreativ-Teil ihrer Ausbildung durch den Verein lernen – und rappten „freestyle“, also ohne Vorbereitung und improvisiert los.
Auch Franz Meurer hinterlässt Veränderung und Optimismus, wo immer er hingeht. Im Kölner Statdteil Vingst in Form von Anpflanzungen, Fahrrädern für Kinder und jeder Menge motivierter Mitstreiter für eine schönere und lebenswertere Umwelt. „Es ist nicht das Problem der Kinder, sondern unseres, wenn wir ihr Potential nicht erkennen und keine Angebote machen, um es zu fördern“, meinte auch Meurer. Ein Geheimnis seines Erfolgs sei die Struktur seiner Projekte. „Wir sind nicht organisiert wie die Kirche oder eine Partei, sondern wie Bayer Leverkusen – da wird nix von oben entschieden, sondern jede Gruppe entscheidet, was sie machen will.“
Zu Beginn und zum Abschluss spielte Sebastian Krumbiegel von der Band „Die Prinzen“ noch einige Lieder, bevor die Gäste sich zum gegenseitigen Austausch beim Empfang im Café des Hauses trafen. „Ich fand den Festakt sehr lebendig und erfrischend“, schilderte ein Gast, der auch in den vergangenen Jahren am Festakt teilgenommen hat, seine Eindrücke. Besonders der Gospelchor sei richtig bewegend gewesen. „Es war eine sehr gelungene Veranstaltung und ich hoffe sehr, dass es weitergeht!“ Auch Kazim Erdogan war begeistert: „Ich konnte wieder mal feststellen, was für Schätze es in diesem Land gibt. Wir müssen nur gemeinsam diese Schätze heraussuchen“, sagte der neu ernannte Botschafter. „Jeder von uns ist ein Schatz und ein Beispiel, das sehe ich hier.“
Auch wenn der Festakt damit beendet wurde, für alle Freunde des BfDT und für die Jugendlichen des Festakts ging es weiter: bei der großen Abschlussparty in der Kalkscheune, die noch bis zum Morgengrauen ging.

Übersicht: Jugendkongress und Festakt zum Tag des Grundgesetzes 2011
