20.01.2011
„Alles andere als cool“
Gefangene helfen Jugendlichen Hamburg e.V.
Interview mit Volkert Ruhe, der den Verein vor 10 Jahren mit gegründet hat und heute sein Geschäftsführer ist.Wie kamen Sie auf die Idee Ihre eigenen Erfahrungen als Häftling in Santa Fu für die Jugendarbeit zu nutzen?
Volkert Ruhe: Es gibt zwei Möglichkeiten. Man kann sich im Gefängnis als Opfer widriger Umstände begreifen oder man kann sagen, okay, ich habe Fehler gemacht. Dafür übernehme ich Verantwortung. Was kann ich in Zukunft besser machen? Ich wählte den zweiten Weg, habe meine mittlere Reife nachgemacht, ein Fernstudium begonnen und mich als Insassenvertreter für die Interessen der Gefangenen im Knast eingesetzt. 1996 beschlossen wir Insassen der JVA „Santa Fu“ den Verein „Gefangene helfen Jugendlichen“ zu gründen, in dem kriminelle Jugendliche mit den Folgen ihres Handelns konfrontiert werden.
Was genau macht Ihr Verein?
Wir richten uns an Jugendliche zwischen 12 und 20 Jahren, die bereits kriminelle Handlungen begangen haben. Auch an Schüler mit massiven Schulproblemen, an Mitarbeiter von Schule und Jugendhilfe. Die Jugendlichen, die in der Regel eine völlig falsche Vorstellung von Gefängnis haben und meinen, sie könnten dort den „dicken Max“ geben, werden von im Strafvollzug einsitzenden Männern mit langen Haftstrafen in den Knast eingeladen, um sich zu unterhalten. Diese Konfrontation mit dem JVA-Alltag ist für die meisten eine regelrechte „Schocktherapie“.
Wie muss man sich das vorstellen?
Wir verlangen, dass der Jugendliche ausgeschlafen, ohne Restalkohol und nicht bekifft erscheint. Jeder Jugendliche muss durch die Türschleusung mit anschließender Leibesvisitation und Routinekontrolle des Körpers. In die JVA darf nichts mitgenommen werden, kein Geld, kein Handy, keine Zigaretten. Wir machen einen Rundgang über das triste Gelände, werfen einen Blick in den Zellentrakt und dabei bekommen die Jugendlichen eine anschauliche Vorstellung davon, wie das Leben innerhalb der Anstalt ist. Die Jugendlichen werden drei Minuten in eine Zelle gesperrt, sehen das Fesselbett für Randalierer oder Suizidgefährdete. Sie bekommen den kahlen Besuchsraum zu sehen und erfahren von Sanktionen wie Wochenendverschluss, Isolierhaft und Hofgang mit Fesseln.
Was berichten die Gefangenen?
Sie erzählen ganz offen ihren Werdegang, ihren Weg in die Kriminalität, die Haftbedingungen, unter denen sie leben. In diesen Gesprächen erfahren Jugendliche, was Inhaftierung für den Einzelnen wirklich heißt und dass der Alltag im Gefängnis alles andere als cool ist. Einige Insassen genießen das Privileg, arbeiten zu dürfen. Der Rest verbringt 23 von 24 Stunden in seiner Zelle. Illusionen und unrealistische Fernsehbilder werden hier gründlich korrigiert.
Wie hoch ist die Erfolgsquote dieser Arbeit?
Sie ist recht hoch. Gott sei Dank, denn so kostet Prävention den Steuerzahler erheblich weniger als der Strafvollzug. Wir arbeiten beispielsweise mit einem Elmshorner Polizeirevier sehr intensiv zusammen. Und von 65 Jugendlichen, die wir begleitet haben, sind nur 13 wieder auffällig geworden. Wir vermitteln einfach sehr abschreckend, dass man den Knast zwar überleben kann. Allerdings kann man ihn nicht auf einer Arschbacke absitzen.
Wie finanzieren Sie sich?
Aus öffentlichen Geldern und Spenden.
Infos unter:
