06.10.2010
„Model International Criminal Court“
Von Sandra Hackert (Kreisau-Initiative Berlin e.V.)Die Kreisau-Initiative Berlin e.V. wurde 1989 als Bürgerinitiative von Ost- und Westberliner/innen gegründet, um den Aufbau und die Arbeit einer internationalen Begegnungsstätte in Kreisau/ Krzyżowa (Polen) ideell und materiell zu unterstützen. Zivilgesellschaftliches Engagement und die finanzielle Unterstützung der deutschen und der polnischen Regierungen haben es möglich gemacht: Dort, wo sich 1942/43 die Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“ traf um Visionen und konkrete Pläne für eine friedliche Zukunft Europas zu erarbeiten, wurde ein Ort geschaffen, an dem Menschen aus Ost und West zusammenkommen und sich zu sozialen wie politischen Themen austauschen.
Heute kommen jährlich über 10.000 junge Europäer/innen nach Kreisau/ Krzyżowa und nehmen an ganz unterschiedlichen Projekten teil. Das Themenspektrum ist vielfältig: Geschichte, gesellschaftspolitische Fragen, Menschenrechte, Inklusion, Dialog der Generationen, nachhaltige Entwicklung, Kunst und Kultur. Ziel der Bildungsarbeit der Kreisau-Initiative Berlin ist es, junge Menschen zu motivieren, sich politisch und sozial zu engagieren und ihnen die notwendige Methodenkompetenz zu vermitteln. Seit 20 Jahren organisiert die Initiative in enger Kooperation mit der polnischen Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung Jugendbegegnungen, Simulationen internationaler Institutionen und Planspiele, Seminare und Tagungen für unterschiedliche Zielgruppen. Das können benachteiligte und behinderte Jugendliche, Schüler/innen von Regelschulen, Studierende, Lehrer/innen, Multiplikator/innen und Pädagogen/innen des internationalen Austauschs sein. Bei ihrer Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit in Deutschland und Europa legt die Initiative besonderen Wert auf die Verbreitung des Gedankens der Völkerverständigung und möchte das Zusammenwachsen Europas voranbringen.
Seit 2005 ist das Projekt „Model International Criminal Court“ (MICC) fester Bestandteil des Bildungsangebots der Kreisau-Initiative Berlin. MICC ist eine Serie von Simulationen zum Internationalen Strafgerichtshof für junge Menschen aus ganz Europa, Israel und Palästina. MICC School richtet sich dabei an Schüler/innen und MICC University an Studierende. Das Projekt steht im Zeichen des Erbes des Kreisauer Kreises, der neben dem demokratischen Wiederaufbau Deutschlands auch Überlegungen zu der Bestrafung der Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten durch einen Internationalen Gerichtshof führte.
Beim MICC School simulieren Schüler/innen im Alter von 15 bis 19 Jahren aus verschiedenen Ländern Europas die Endphase mehrerer Prozesse vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Dabei setzen sie sich intensiv mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit und internationalem Strafrecht auseinander. Fälle aus historischen wie aktuellen Geschehnissen werden hier modellhaft verhandelt. Bisher wurden folgende Bereiche gewählt: Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des 2. Weltkrieges, Fälle, die vor dem Internationalen Jugoslawien Tribunal (ICTY) verhandelt wurden und Fälle des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda (ICTR), der bis heute die Verbrechen des Völkermords in Ruanda im April 1994 aufklärt. Ziel des Projektes MICC ist es, jungen Menschen die Bedeutung von Menschenrechten zu vermitteln und ihnen zu zeigen, dass es von großem Wert ist, sich für deren Einhaltung einzusetzen.
MICC University bietet 50 jungen Menschen – zumeist Studierenden des Rechts, der Internationalen Beziehungen oder des Journalismus – aus verschiedenen Nationen eine Möglichkeit, Menschenrechtsverletzungen in verschiedenen sozialen und politischen Kontexten zu reflektieren und sich über Möglichkeiten des Schutzes von Menschenrechten auszutauschen. Das Projekt will damit einen Beitrag zur Menschenrechtsbildung und
-ausbildung leisten. In der Simulation debattieren mehrere Studententeams einen hypothetischen Fall eines Kriegsverbrechens, von der Anklage bis hin zu den Verhandlungen über die Entschädigungszahlungen an die Opfer. Ein Presseteam von zehn Student/innen verfolgt die Verhandlungen des MICC und verknüpft die Berichterstattung mit realen Hintergründen zu aktuellen Menschenrechtsproblemen. Die Ergebnisse werden in Form einer Zeitung und einer Pressekonferenz präsentiert. Während des viertägigen Programms wird die Simulation mit Trainingseinheiten und Seminaren zu aktuellen Themen des Internationalen Strafrechts und Menschenrechts kombiniert.
Weitere Informationen zur Kreisau-Initiative Berlin und zum MICC finden Sie auf
