21.04.2016

Preisträger im Wettbewerb "Aktiv für Demokratie und Toleranz" 2015 – Projekt "Shalom Rollberg"

Interview mit Frau Hagar Levin, Projektleiterin „Shalom Rollberg“

Eine Kunstgruppe im Rahmen von Shalom Rollberg (Foto: MORUS 14)Eine Kunstgruppe im Rahmen von Shalom Rollberg (Foto: MORUS 14)
MORUS 14 e.V. engagiert sich seit 2003 im Rollbergviertel in Berlin-Neukölln für Bildung, Integration und Gewaltprävention. Sein Ziel ist es, durch regelmäßige Veranstaltungen, Vernetzungsarbeit, Bildungs- und Mentoringprojekte einen nachhaltigen Beitrag zur sozialen Integration der Bewohner/-innen zu leisten und vor allem, das Bildungsniveau der Kinder und Jugendlichen zu erhöhen.
Mit „Shalom Rollberg“, das im Wettbewerb "Aktiv für Demokratie und Toleranz 2015" ausgezeichnet wurde, initiiert der Verein interkulturelle und interreligiöse Begegnungen auf Augenhöhe zwischen Menschen, deren Lebenswege sich in der Regel nicht kreuzen. Das Projekt bringt Vertreter/-innen der jüdischen Community mit jungen Neuköllner/-innen, vorwiegend Muslimen und Musliminnen, zusammen. Ziel ist es, den Dialog und die Sensibilisierung für Diskriminierung zu fördern, gegenseitige Vorurteile abzubauen und einen respektvollen Umgang miteinander zu erreichen.

Wie ist das Projekt Shalom Rollberg entstanden?
Im Rollbergviertel in Berlin-Neukölln leben ca. 5.700 Einwohner aus 30 verschiedenen Nationen. Der Anteil der Zuwanderer liegt bei ca. 70 %. Die rund 1.200 Kinder und Jugendlichen, die hier aufwachsen, sind in ihrer großen Mehrheit muslimisch-sozialisiert. Dabei bilden arabischstämmige Kinder und Jugendliche die größte Community im Kiez. In dieser Bevölkerungsgruppe herrschen Ressentiments gegenüber Juden im Allgemeinen und insbesondere gegen den Staat Israel.
Im Rollbergviertel wachsen die Kinder extrem kiezbezogen auf und ihre Wahrnehmung der Welt reicht selten über die Großfamilie hinaus. Daher zweifeln die meisten Kinder und Jugendlichen nicht an den Werten, Vorstellungen von der Gesellschaft und Feindbildern, die ihnen von Generation zu Generation vorgelebt werden.
Aus der Motivation, dieser Situation entgegenzuwirken, vorhandene Vorurteile abzubauen, Respekt und Toleranz zu entwickeln, ist „Shalom Rollberg“ entstanden.

Was sind Ihre Ziele und welche konkreten Botschaften versuchen Sie zu vermitteln?
Mit „Shalom Rollberg“ initiieren wir interkulturelle und interreligiöse Begegnungen auf Augenhöhe zwischen Menschen, deren Lebenswege sich in der Regel nicht kreuzen. Das Projekt bringt Vertreter der jüdischen Community mit jungen Neuköllner/-innen, vorwiegend Muslimen und Musliminnen, zusammen. Ziel ist es, den Dialog zu fördern, gegenseitige Vorurteile abzubauen und ein friedliches Miteinander zu erreichen.
Unser langfristiges Ziel ist, dass wir durch unsere Arbeit eine Atmosphäre von interkultureller Normalität schaffen. Zu dieser gehört, dass jüdische Anwesenheit in Neukölln ein Teil vom Alltag ist, in dem beispielsweise auch jüdische Männer mit Kippa ohne Bedenken auf der Straße laufen können. Wir wollen die Barrieren zwischen Parallelgesellschaften in Berlin brechen.

Was unternehmen Sie mit den Kindern und Jugendlichen?
Treffen der Englischgruppe von Shalom Rollberg beim Picknick im Park (Foto: MORUS 14)Treffen der Englischgruppe von Shalom Rollberg beim Picknick im Park (Foto: MORUS 14)
Die junge Zielgruppe, die schwer mit schriftlichen Informationen zu erreichen ist, sprechen wir durch Bildungs- und Freizeitangebote mit dem Spaßfaktor an. In diesem Rahmen findet der interreligiöse und interkulturelle Dialog und Austausch statt. Sei es beim Englisch lernen oder Theater spielen - dort, wo ein freundschaftliches und respektvolles Miteinander entsteht, können auch „heikle“ Fragen entspannter angesprochen werden. Im Vordergrund stehen im Sinne des „alltäglichen Beispiels“ die persönlichen Begegnungen - auf rein menschlicher Basis, fern ab von Feindbildern.
Konkret finden folgende wöchentliche Gruppenangebote statt: Englischgruppe, Kunstgruppe, Mode-Zeichnen-Gruppe und Theatergruppe, mit jeweils jüdischen Kursleiter/-innen. Zusätzlich nehmen unsere Jugendlichen an einer Ninjitsu Sportgruppe teil, die von einem jüdischen Familienzentrum organisiert wird. So üben die jungen Muslime zusammen mit jüdischen Kindern.
Einige Jugendliche aus den Gruppen und Mitglieder der jüdischen Community helfen regelmäßig ehrenamtlich in einer Unterkunft für Geflüchtete in Charlottenburg aus. Sie spielen mit den Kindern oder organisieren sportliche Aktivitäten. Diese Form der Begegnung ist eine sehr bereichernde Erfahrung für alle Beteiligten.

Was bedeutet die Auszeichnung für Ihr Projekt? Welche Auswirkungen wird der Gewinn auf Ihre Arbeit haben?
Für „Shalom Rollberg“ bedeutet die Auszeichnung durch das Bündnis für Demokratie und Toleranz eine wichtige Anerkennung der Qualität seiner Arbeit und eine Wertschätzung des ehrenamtlichen Engagements der jüdischen Kursleiter/-innen. Sie schenkt dem Projekt eine breitere Vernetzungsplattform und erhöhte Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Die Auszeichnung wird sich auch bei unserer zukünftigen Mittelakquise positiv auswirken: Sie setzt Zeichen für Seriosität, Nachhaltigkeit und Transparenz.

Welche Visionen haben Sie für die Zukunft?
„Shalom Rollberg“ und MORUS 14 sollen auch in Zukunft für das Leuchtturmprojekt in Neukölln stehen, das sich mit sehr unkonventionellen Mitteln und Arbeitsansätzen gegen Antisemitismus und für einen sachlicheren Umgang mit dem Nahost-Konflikt einsetzt. Wir wollen als Adresse in Neukölln für Leute bekannt sein, die gegen Rassismus und Diskriminierung eintreten.
Stellvertretend für viele Zukunftspläne möchten wir ein Beispiel nennen: Wir wollen ein Jugendaustauschprogramm zwischen Jugendlichen aus Neukölln und Israel aufbauen. Das befindet sich noch in der Planungsphase. Zurzeit überlegen wir, wie der Austausch vorangetrieben werden kann – angefangen mit einem Briefwechsel zwischen den Klassen bis hin zur Organisation eines Besuchs einer israelischen Schulklasse im Kiez.