16.08.2010

Erinnerungsfahrt nach Auschwitz zum Internationalen Roma-Gedenktag vom 31. Juli bis 4. August 2010

Gemeinsam erinnern, zusammen in die Zukunft schauen

Foto: Erinnerungsfahrt 2009
Foto: Erinnerungsfahrt 2009
Foto: Erinnerungsfahrt 2009
Am 2. August vor 66 Jahren wurde das „Zigeunerlager“ des Lagerabschnitts B II e in Auschwitz in einer Gewaltaktion über Nacht ausgelöscht. Seit 1985 reist der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma jedes Jahr mit einer Delegation an den Ort dieses Verbrechens, um an den Tag zu erinnern und zu trauern. Zum dritten Mal unterstützte das Bündnis für Demokratie und Toleranz (BfDT) die Erinnerungsfahrt nach Auschwitz zum Internationalen Roma-Gedenktag, an der auch BfDT-Geschäftsführer Dr. Gregor Rosenthal teilnahm. Das BfDT wie auch der Zentralrat möchten damit einen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten und gleichzeitig helfen, die größte Minderheit Europas noch stärker zu vernetzen.

50 Personen bildeten dieses Jahr die Delegation, die der Zentralrat gemeinsam mit dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma entsendet hatte. Unter ihnen waren Zeitzeugen, ihre Angehörigen, jugendliche Sinti und Roma und Vertreter von Organisationen und Projekten. Die Fahrt vom 31. Juli bis 4. August umfasste dabei verschiedene Stationen und Programmpunkte. Ein Großteil widmete sich dem Gedenken an die Ermordung der Sinti und Roma unter dem NS-Regime. Die Teilnehmer hatten auf der Fahrt die Möglichkeit, an die Geschichte ihres Volkes und ihrer Familien zu erinnern. Diesjähriger Höhepunkt war dabei die Enthüllung von Gedenksteinen und einer Informationstafel am Krematorium V in Auschwitz am 1. August, bei der unter anderem Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, eine Rede hielt. Erstmals wird dort nun auch explizit auf das Schicksal der Roma in Auschwitz hingewiesen. Am 2. August 1944 wurden hier 2900 Sinti und Roma ermordet. Ein erster Versuch im Mai 1944, das „Zigeunerlager“ mit seinen 6000 Insassen zu „liquidieren“ scheiterte am Widerstand der Häftlinge, woraufhin 3000 als „arbeitsfähig“ bestimmte Insassen zur „Vernichtung durch Arbeit“ in andere Lager deportiert wurden. Zurück blieben Alte, Kranke, Kinder und Mütter. Sie alle fanden in der Nacht zum 3. August den Tod in den Gaskammern.

Die Rückkehr an den Ort ihrer Leiden gibt den Überlebenden die Möglichkeit, ihren verstorbenen Angehörigen zu gedenken. An ihren Heimatorten gibt es keine Gräber, an denen sie sie beklagen könnten. Viele der Opfer bleiben namenlos. Um den Sinti und Roma trotz allem eine würdevolle Trauer zu ermöglichen, führt der Zentralrat die Erinnerungsreise durch. Die feierliche Kranzniederlegung an der sogenannten „Schwarzen Wand“ im Stammlager ist seit Jahren Bestandteil der Fahrt. Im Anschluss daran besuchte die Delegation die ständige Ausstellung im ehemaligen Häftlingsblock 13 zur Geschichte der Sinti und Roma unter den Nationalsozialisten. „Ihr Mut und Ihre Entschlossenheit, die Erinnerung an vergangenes Leid lebendig zu halten, wird die Zukunft der kommenden Generationen von Sinti und Roma in Deutschland und Europa prägen“, sagte Dr. Gregor Rosenthal, der dort das Wort an die Überlebenden richtete. Danach hatten die Teilnehmer der Delegation auch in diesem Jahr die Gelegenheit, den Nachmittag im früheren Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zu verbringen, an ihren persönlichen Leidensorten Kerzen anzuzünden und zu trauern.

Am zweiten Tag der Reise nahm die Delegation auch an der offiziellen Gedenkfeier zum Internationalen Roma-Gedenktag im Lagerabschnitt B II e in Auschwitz-Birkenau teil. Doch nicht nur der Blick zurück war Mittelpunkt der Reise, denn die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist ebenso wichtig für die Gegenwart und Zukunft. Wie bereits in den vergangenen zwei Jahren begleiteten jugendliche Sinti und Roma die Delegation der Holocaust-Überlebenden. Gemeinsam besuchten sie am 2. August die Internationale Begegnungsstätte in Krakau, wo sie von Dr. Heinz Peters, dem Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland empfangen wurden und auf junge Sinti und Roma aus anderen Ländern trafen. In Gesprächskreisen setzten sich die Nachgeborenen und die Überlebenden mit der Vergangenheit ihres Volkes auseinander und kamen ins Gespräch. Die Kenntnis der Geschichte der eigenen Vorfahren, des Leids, das sie erfahren mussten, ist wesentlich für den Umgang mit der eigenen Identität der folgenden Generationen. Dabei ist es ein besonderes Anliegen des Zentralrats wie auch des BfDT, die Vernetzung deutscher und europäischer Sinti und Roma weiter voranzutreiben. Denn bis heute bestehen Vorurteile und Ressentiments gegenüber dieser Minderheit fort.

Um die Toleranz gegenüber Sinti und Roma zu stärken, sind weitere Projektideen und Arbeitsansätze notwendig, für die eine starke Gemeinschaft die Voraussetzung bildet. Auch BfDT-Geschäftsführer Rosenthal betonte, wie wichtig dazu gerade die Motivation und die Einbeziehung jugendlicher Sinti und Roma seien. „Die Erinnerungsfahrt hat wieder einmal gezeigt, dass wir eine gute gemeinsame Basis haben“, so Rosenthal. „Nun geht es darum, weitere Kooperationsmöglichkeiten zwischen dem Zentralrat und dem Bündnis auszuleuchten.“ Ein nächster Schritt dazu wird ein Treffen im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma voraussichtlich im September sein, bei dem es vorrangig auch um die Jugendarbeit gehen wird.


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