28.06.2013
"Hinter uns liegt eine Vergangenheit, die nicht vergehen will"
Literaturtipp
Das Buch "Wir sind, was wir erinnern" von Konrad Görg, Hartung-Gorre Verlag ist in einer neuen Auflage (gebunden) 2012 erschienen, 152 Seiten, 9,95 EuroISBN-10: 3-86628-425-X
ISBN-13: 978-3-86628-425-8

Für die zweite Auflage, die im Dezember 2009 erschienen ist, steuerte der Philosoph und Friedenskämpfer Horst-Eberhard Richter ein persönliches Geleitwort bei. Der Historiker und Soziologe Erhard Roy Wiehn verfasste das Vorwort des Bandes. Konrad Görg selbst ist Internist und am Universitätsklinikum Marburg tätig. Die Beschäftigung mit Nationalsozialismus und Antisemitismus begann für ihn in seiner Freizeit, durch Gespräche mit seinem langjährigen Freund Petr Abeles. Gewidmet ist das Buch ihm und dessen Onkel Erwin Katz, der im Alter von 10 Jahren in Auschwitz vergast worden ist.
„Wie kann und darf sich ein Nachgeborener der Tätergeneration, der sich nicht wissenschaftlich mit dem Holocaust beschäftigt hat, dem ´Abgrund der Geschichte` (Paul Valéry) nähern?“ fragt Görg in seiner Einleitung. Er beantwortet diese Frage, indem er die vielen verschiedenen Stimmen als Chor gegen- und nebeneinander auftreten lässt. Der Anspruch des Bandes ist nach Aussage des Herausgebers weder erschöpfend noch wissenschaftlich. Ungeachtet dessen ist es ihm gelungen, ebendiese Stimmenvielfalt so anzuordnen, dass die heterogene Geistesgeschichte und die vielen Einzelschicksale zu einem ergreifenden Bild verschmelzen. Die Geschichte des jungen Erwin Katz eröffnet den Band und bereitet den Weg für einen chronologisch und thematisch strukturierten Kanon, der die verschiedenen Stationen des Nationalsozialismus beleuchtet. Hier schließt der Herausgeber aber nicht ab: Die Aufarbeitung des Holocaust auf der Täter- und Opferseite nehmen einen bedeutenden Teil der Anthologie ein. Die existentiellen Fragen, die sich nach dem Zivilisationsbruch im Dritten Reich stellen, werden von verschiedenen Seiten beschrieben. In den Antworten klingen gleichzeitig immer auch Perspektiven für die Zukunft an.
Denn „Wir sind, was wir erinnern“ ist auch und gerade ein Buch für die „nachgeborenen“ Generationen. Ein Durchlesen „von vorn nach hinten“ bietet sich zwar nicht an, dafür lädt der Band zum Blättern und Verweilen ein. Die Lektüre macht dem Leser ein ganz besonderes Angebot: Die innere Feigheit zu überwinden und sich einen persönlichen Zugang zu diesem dunkelsten Kapitel europäischer Geschichte zu erarbeiten.

