10.06.2010
Festakt/ Auszeichnung "Botschafter" 2007
Festakt zum Verfassungstag 2007 am 23. MaiBundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble und die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries, haben heute in Berlin die „Botschafter der Toleranz" ausgezeichnet. Preisträger sind Initiativen und Einzelpersonen, die sich ideenreich und engagiert für Demokratie und ein tolerantes Miteinander einsetzen. Die Auszeichnungen sind mit einem Preisgeld von jeweils 5.000 Euro verbunden.
Das „Bündnis für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt" verleiht diese Auszeichnung jährlich und lädt rund um den Verfassungstag mehr als 400 engagierte Jugendliche aus ganz Deutschland zu einem mehrtägigen Jugendkongress ein, der dieses Jahr unter dem Motto „Europa gestalten - demokratisch und tolerant" steht.
Die Preisträger sind:
- Norbert Geyer: Benachteiligten Jugendlichen eine Chance geben
- Manfred Lautenschläger: Für die Rechte von Sinti und Roma
- Fanladen St Pauli: Mit Fußball für sozialen Zusammenhalt
- Theater Kulturkate: Mit Kultur gegen Rechtsextremismus
- Treibhaus e.V.: Von Jugendlichen für Jugendliche
- Barbara Faccani: Eine Vita Activa für MigrantInnen
Preisträger
Norbert Geyer: Benachteiligten Jugendlichen eine Chance geben, Berlin
Unternehmen brauchen Nachwuchs - eigentlich eine Binsenweisheit, aber dennoch fehlen jedes Jahr wieder Ausbildungsplätze, insbesondere für Hauptschüler. Norbert Geyer ist ein Unternehmer, der seine soziale Verantwortung wahrnimmt und jenen Schülern, die es wegen schlechter Noten auf dem Ausbildungsmarkt schwer haben, eine Chance gibt. „Die Jugend bestimmt unsere Zukunft", davon ist Norbert Geyer überzeugt, und: „Was wir heute nicht bereit sind zu investieren, geben wir morgen für Personenschutz aus."
Als 2006 die Rütli-Schule bundesweit negativ in die Schlagzeilen geriet, bot Norbert Geyer dem Schuldirektor seine Hilfe an. Mit Beratung für praxisnahen Unterricht, der Besichtigung der Geyer-Werke für Schüler und Lehrer sowie Betriebspraktika und Ausbildungen in seiner Firma signalisiert Norbert Geyer vor allem Jugendlichen mit Migrationshintergrund seine Unterstützung. Die berufliche Integration von Jugendlichen ist sein Ziel, hierzu führt er einen intensiven Dialog mit den Schulen. Weil er die Schwächen, aber auch die besonderen Stärken der Schüler berücksichtigt und auf ihre individuellen Bedürfnisse eingeht, hat sein Wort bei den Jugendlichen Gewicht. Und jene Schülerinnen und Schüler türkischer oder arabischer Abstammung, die bereits einen Ausbildungsplatz erhalten haben, ermutigen und motivieren die anderen.
Positive Erfahrungen hatte Geyer zuvor mit Schülerinnen und Schülern der Neuköllner Herrman-von-Helmholtz-Gesamtschule gemacht. Er wurde für sein Engagement für die beiden Neuköllner Schulen mit dem Bürgerpreis 2006 ausgezeichnet. Für junge Unternehmer und mittelständische Firmen erfüllt Norbert Geyer eine Vorbildfunktion: Jugendlichen ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft eine Chance zu geben und damit Integration gelingen zu lassen.

Manfred Lautenschläger: Für die Rechte von Sinti und Roma, Heidelberg (Baden-Württemberg)
Manfred Lautenschläger, Gründer des börsennotierten Unternehmens MLP, engagiert sich durch Finanzierung und persönliche Mitarbeit seit Jahren in zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen Rassismus und insbesondere für die Sinti und Roma in Deutschland und in verschiedenen Ländern Ost- und Mitteleuropas.
Beispielsweise finanzierte er Aufbauprojekte der deutschen Sektion des Internationalen Bauordens (Worms) für Roma-Familien in Osteuropa. In einem aktuellen Projekt wird in der Ostslowakei für die dort lebenden Roma eine verbesserte Infrastruktur geschaffen und ein Gemeinschaftszentrum aufgebaut. Als aktives Mitglied im Kuratorium des Dokumentations- und Kulturzentrums deutscher Sinti und Roma in Heidelberg arbeitet Manfred Lautenschläger in den Projekten des Zentrums mit. Zu seinen Aufgaben gehört es, Anregungen für verschiedene Tätigkeitsfelder der bundesweit einzigartigen Einrichtung zu geben und Vorschläge zur inhaltlichen Arbeit des Hauses zu entwickeln. Dabei geht es vor allem um die Bereiche Aufklärung über den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma sowie um die Öffentlichkeitsarbeit bei Veranstaltungen und Publikationen des Dokumentationszentrums gegen Vorurteile und Diskriminierung von Sinti und Roma.
Ohne seine finanzielle Unterstützung und sein persönliches Engagement wären viele Projekte, wie die ständige Ausstellung im staatlichen Museum Auschwitz und der dazugehörige Katalog über den Völkermord an den Sinti und Roma, nicht realisierbar. Manfred Lautenschläger ist nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer, sondern ein vorbildlicher Bürger, der sich gegen Rassismus und besonders für die Rechte von Sinti und Roma einsetzt.

Fanladen St Pauli: Mit Fußball für sozialen Zusammenhalt, Hamburg
Seit Jahren leistet der FC St. Pauli vorbildliche Arbeit gegen Rechtsextremismus. Maßgeblich hieran beteiligt sind die Mitglieder des Fanladens des FC St. Pauli. Im Jahr 2001 hatten die Mitglieder des Fanladens die Idee, etwas für die Kinder und Jugendlichen aus dem Viertel zu tun. Im Juli 2002 gelang es ihnen, in Kooperation mit einer lokalen Produktionsfirma sowie einer Werbeagentur ein Benefizspiel des FC St. Pauli gegen eine Prominentenauswahl mit einem bunten Rahmenprogramm zu organisieren. Finanziert durch die Spenden für diese Veranstaltung bietet seither der Fanladen St. Pauli fußballbegeisterten Jungen und Mädchen ein kostenloses Training an - unabhängig von der Mitgliedschaft in einem Verein.
Besonders hervorzuheben ist eine Trainingseinheit nur für Mädchen. Auch zusätzliche Aktionen, wie das im Juni stattfindende Jugend-Fußballturnier unter dem Motto „Kick ohne Rausch" werden vom Fanladen St. Pauli organisiert. Leistungsdruck herrscht beim Kiezkick nicht; es geht vielmehr darum, ein Kulturangebot zu schaffen, das Spaß macht und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in einem mit sozialen Problemen belasteten Kiez stärkt. Das interkulturelle und gemeinschaftsorientierte Potential des Fußballs hilft, soziale Integrationsprozesse von Kindern und Jugendlichen unterschiedlichster Herkunft zu fördern und zu verstärken.
Mit Begeisterung nehmen die Kinder und Jugendlichen aus dem Kiez dieses sinnvolle Freizeitangebot wahr - stolz ziehen sie mit den Kiezkick-T-Shirts durch die Straßen des Viertels und demonstrieren damit den identitätsstiftenden Effekt des Projekts.

Theater Kulturkate: Mit Kultur gegen Rechtsextremismus, Neu Lübtheen (Mecklenburg-Vorpommern)
Auf einem Bauernhof im südwestmecklenburgischen Lübtheen gründeten Volkert Matzen und Charlotta Bjelfvenstam 1998 das Theater Kulturkate, um für die Bevölkerung der ländlich geprägten Region das kulturelle Angebot zu bereichern. Bereits die ersten Freilichtsommerspiele des Theaters Kulturkate 1999 waren ein voller Erfolg. Mit der im September 2006 vor dem Hintergrund zunehmender rechtsextremistischer Aktivitäten sowie dem Einzug der NPD in den Landtag begonnenen Reihe „Kultur gegen Rechts" setzen die Betreiber der Kulturkate ein deutliches Zeichen gegen Extremismus und Intoleranz.
Das aktuelle Gastspiel des Tandera-Theaters mit dem Stück „1944 - Es war einmal ein Drache..." nach der gleichnamigen literarischen Vorlage von Bodo Schulenburg beispielsweise versetzt die Zuschauer in das Konzentrationslager Ravensbrück und regt sie zur Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus an. Auf diese Weise erfahren die Zuschauer nicht nur auf der Vernunftebene, sondern mit allen Sinnen, welche Absichten rechtsextreme Propaganda verfolgt.
Mit ihren kulturellen Aktivitäten zeigen die Betreiber der Kulturkate, dass in Lübtheen eine bunte, lebendige Zivilgesellschaft existiert, die den Rechtsextremen nicht das Feld überlässt. Volkert Matzen setzt sich im Rahmen eines lokalen Aktionsbündnisses, das die Stadt Lübtheen zurzeit mit Vertretern lokaler Initiativen vorbereitet, für ein durchdachtes Programm guter Kinder- und Jugendarbeit ein, an dem sich die Kulturkate mit Schülertheateraufführungen beteiligen will. Die Kulturkate leistet damit eine wertvolle Arbeit, um die Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts zurückzudrängen.

Treibhaus e.V.: Von Jugendlichen für Jugendliche, Döbeln (Sachsen)
Um in eigener Regie soziale und kulturelle Projekte zu verwirklichen, gründeten 30 Jugendliche im Februar 1997 das Treibhaus Döbeln. Die inzwischen rund 100 Mitglieder des Vereins setzen sich für ein demokratisches, tolerantes Miteinander in ihrem Landkreis ein. Das vereinseigene Café Courage bietet ein umfangreiches, abwechslungsreiches und anspruchsvolles Programm mit Lesungen, Kabarett, Konzerten und alternativem Kino und hat sich inzwischen zu einer beliebten Begegnungsstätte für Jung und Alt entwickelt.
Die Aktivitäten von Treibhaus e.V. reichen jedoch noch weiter: von außerschulischer Bildungs- und Antirassismusarbeit bis hin zu sozialer Beratung, Hilfe im Umgang mit Behörden sowie Sprachkursen und Kinderbetreuung für Asylbewerber und MigrantInnen. Im letzten Jahr veranstaltete das Treibhaus zum ersten Mal die Interkulturelle Woche in Döbeln. Weil diese auf starke, positive Resonanz stieß, laufen schon die Vorbereitungen für die diesjährige Interkulturelle Woche.
Bei einer Veranstaltung gegen Rechtsextremismus im Februar 2007 wurde das Café Courage von Skinheads zerstört. Aber die Mitglieder von Treibhaus e.V. ließen sich nicht einschüchtern, sondern setzen ihre Arbeit unbeirrt fort. Damit leisten sie einen mutigen und unschätzbar wichtigen Beitrag für eine starke Zivilgesellschaft und ein demokratisches, tolerantes Döbeln und Umgebung. In ihrem Bemühen, ein demokratisches und antirassistisches Bewusstsein zu schaffen und zu stärken, animieren die Mitglieder von Treibhaus e.V. vor allem Jugendliche, sich ehrenamtlich zu engagieren.

Barbara Faccani: Eine Vita Activa für MigrantInnen, Berlin
Barbara Faccani kämpft seit über 30 Jahren für die Verbesserung der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von MigrantInnen und Flüchtlingen und engagiert sich zudem auch in Einzelfällen für deren Belange. 1971 verfasste sie den ersten Bericht über die damals noch als „Gastarbeiter" bezeichneten, in Deutschland lebenden MigrantInnen für den Leiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt. Daraufhin wurde sie in den Kirchenleitungsausschuss für Ausländerarbeit berufen.
Barbara Faccanis Engagement geht jedoch weit über ihre Tätigkeit im Rahmen der evangelischen Kirche hinaus - so initiierte sie in Berlin 1975 den „Tag der ausländischen Mitbürger" und gründete den ökumenischen Vorbereitungsausschuss für die „Woche der ausländischen Mitbürger - Interkulturelle Woche"; sie ist dort bis heute aktiv. Darüber hinaus setzt sie sich in zahlreichen anderen Gremien dafür ein, MigrantInnen ein besseres Leben zu ermöglichen und ihre Rechte zu stärken. Sie gründete die Vereine „Hilfe für ausländische Frauen und Kinder" e.V. und den Türkisch-Deutschen Frauenverein. Die Projektmittel mobilisierte sie in eigens initiierten Kunstauktionen, durch politische Lobbyarbeit sicherte sie den Erfolg der Projekte. Bei Vertretern der Wirtschaft warb Barbara Faccani für mehr Problembewusstsein für die Belange von MigrantInnen und erhielt finanzielle Unterstützung für verschiedene Projekte.
Als stellvertretende evangelische Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit setzt sich Barbara Faccani gegen jede Form von Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ein.