10.06.2010
Festakt/ Auszeichnung "Botschafter" 2001
Preisträger
"Ausländische" Betriebe bilden aus (Projekt von "Aktion Courage")
Dieses Projekt versucht, Ausbildungsplätze bei "ausländischen" Betrieben zu mobilisieren. "Ausländisch" ist in diesem Fall die Kurzbezeichnung für Migranten, die Inhaber von Betrieben sind, gleichgültig ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit haben oder nicht.
Nur 2,5 % der 300 000 Unternehmen mit "ausländischen" Inhabern in Deutschland bilden Lehrlinge aus. Andererseits wären drei Viertel dazu bereit, wenn sie ausreichend informiert wären und die formalen Voraussetzungen besäßen. Hier setzt das Projekt der AKTIONCOURAGE e.V. an, die vielfachen Hemmnisse zu überwinden. Das Projekt ist inzwischen in 30 Städten Nordrhein-Westfalens tätig, hat bisher knapp 200 zusätzliche Lehrstellen bereitstellen können und steht mit 254 Betrieben im Gespräch.
Das Projekt trägt nach zwei Seiten zur Integration von Ausländern in die deutsche Gesellschaft und zum Abbau von Fremdenfeindlichkeit bei. Die angesprochenen "ausländischen" Unternehmer erfahren durch die Hilfen, Lehrstellen bereitzustellen, eine ausdrückliche Wertschätzung. Zum anderen werden Auszubildende, die bisher auf dem deutschen Arbeitsmarkt keine Lehrstelle gefunden haben, durch ihre Beschäftigung bei einem "ausländischen" Unternehmer eine positive Einstellung zu "Ausländern" in Deutschland gewinnen und in der täglichen Zusammenarbeit eventuelle Vorurteile abbauen können.
Preisträger:

Jugendgeschichtswerkstatt Miphgash, Berlin
MIPHGASCH/BEGEGNUNG e.V. ist ein 1995 gegründeter Verein, der Brücken zwischen nichtjüdischen und jüdischen Jugendlichen bauen will. Die Jugendgeschichtswerkstatt ist ein Projekt dieses Vereins.
Die Jugendgeschichtswerkstatt hat als eine außergewöhnliche Aktion den Ausschluß jüdischer Bürger aus dem öffentlichen Leben in der Nazi-Zeit szenisch dargestellt: am 26. Januar 2001 hat die Jugendwerkstatt ganztags eine Aktion in der S-Bahn Strausberg-Spandau durchgeführt (die sogenannte "Fahrende Ausstellung"). Jüdischen Bürgern war 1942 die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln verboten. Diese Form des Ausschlusses vom öffentlichen Leben hat vielen Nutzern der S-Bahn am 26. 1. die alltäglichen Lebensbedingungen der jüdischen Bürger vor Augen geführt, sie nachdenklich gemacht und so neue Zugänge zum Thema eröffnet. Gestaltet wurde die "Fahrende Ausstellung" von Schülergruppen ab der 6. Klasse. Als Gäste nahmen u.a. Zeitzeugen teil.
Der Verein wurde ausgezeichnet, weil er junge Menschen motiviert, als Multiplikatoren eines toleranten Miteinanders unterschiedlicher Kulturen zu wirken. Bemerkenswert ist auch das Credo des Vereins: "Der Holocaust begann nicht erst im 'fernen‘ Auschwitz, er begann hier - vor unserer Tür. Sich dieses Unrecht bewußt zu machen, bedeutet aber auch, sein eigenes Verhalten in unserer Zeit zu hinterfragen. Denn bei allen Unterschieden zur damaligen Zeit, im politischen und gesellschaftlichen Sinne, gibt es auch heute viele Menschen, die andere auf der Grundlage von vorgefassten Stereotypen beurteilen."
Das außergewöhnliche Engagement der Gruppe wird außerdem deutlich, weil Sie nach einem Brandanschlag auf die vorhergehende Ausstellung in einem umgestalteten S-Bahnwaggon im vergangenen Jahr nicht aufgegeben hat, sondern das Thema in neuer Form darzustellen versucht hat.
Preisträger:

"Bunt statt Braun - Köpenicker Jugendbündnis", Berlin
"Bunt statt Braun Köpenick" ist ein Zusammenschluss von 20 öffentlichen und freien Projekten der Kinder- und Jugendarbeit im Berliner Bezirk Köpenick, der von Jugendlichen und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Projekte getragen wird. Es entstand aus Anlass der Umsiedlung der NPD-Bundeszentrale nach Köpenick.
Das Bündnis hat vielfältige Aktionen gegen das NPD-Bundeszentrum organisiert, z. B. Demonstrationen, Informationen an Schulen im Bezirk und eine Ausstellung über Anne Frank. Typisch für die Arbeitsweise des Bündnisses ist, dass über die Auseinandersetzung mit dem Thema "Rechtsextremismus" politische Aktivitäten verstärkt in das Programmangebot im Jugendfreizeitbereich integriert werden.
Das Bündnis will "ein Klima der Ablehnung und der Auseinandersetzung mit rassistischen und ausländerfeindlichen Tendenzen" schaffen." Es geht aber nicht nur um Aktionen und Aufklärung gegen die NPD, sondern das Bündnis will auch "ein vielfältiges, tolerantes, kulturvolles und demokratisches Köpenick" entwickeln.
"Bunt statt braun" wurde als "Botschafter für Toleranz" ausgezeichnet, da sich hier Jugendliche zusammengeschlossen haben, eigenständig und ohne feste Organisationsform Aktionen entfalten. Das Jugend-Netzwerk kooperiert mit dem von der Bezirksverordnetenversammlung ins Leben gerufenen "Erwachsenen"-Bündnis für Demokratie und Toleranz - gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus".
Ziel von "Bunt statt Braun" ist: der alltäglichen Präsenz von NPD-Mitgliedern und Sympathisanten, von NPD-Fahne, Hetzrufen und fremdenfeindlichen Schmierereien mit Selbstvertrauen und Zivilcourage begegnen! Die Aktivitäten der Jugendlichen sind auch deshalb hoch zu bewerten, weil die NPD-Spitze versucht hatte, Diskussionen im Bezirksrathaus zu majorisieren, doch die Jugendlichen setzten durch Aufklärung ein Gegengewicht.
Preisträger: "Bunt statt Braun - Köpenicker Jugendbündnis"
N.O. - Initiative für ein gewaltfreies Miteinander, Neustadt (Thüringen)
Diese Initiative in Neustadt an der Orla (Thüringen) mit dem Motto "Lieber bunt und rund - statt rechter Winkel" war zunächst ein loser Zusammenschluss von Jugendlichen (v.a. Schülern), unterstützt von einigen Erwachsenen, die eine stillschweigende Duldung von verbaler und körperlicher Gewalt nicht mehr hinnehmen wollten. Anlass waren vermehrte Vorfälle rechtsextremistischer Gewalt in ihrer direkten Umgebung und in kürzester Zeit, die die Jugendlichen z. T. am eigenen Leibe erfahren mußten, sowie vor allem ein Klima der zunehmenden Bedrohung im öffentlichen Raum.
Die Jugendlichen schlossen sich zusammen und "eroberten" den öffentlichen Raum für sich und andere zurück. Inzwischen hat die Initiative Rückhalt in einem größeren Kreis von Organisationen und Personen gefunden und wird von zahlreichen lokalen Vereinen, Institutionen und Parteien unterstützt (Schulen, Sportvereine, Kirchen etc.). Die Initiative N.O. tritt ein "für eine demokratische und humane, bunte und kreative Kultur".
Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist und bleibt die Aufklärung und der Kampf gegen das "Nicht-Wissen-Wollen", das Wegsehen gegenüber dem "an vielen Ecken der Alltagskultur schwelenden Rassismus" und das Bagatellisieren gesellschaftlicher Konflikte.
Die Initiative wurde ausgezeichnet, weil sie in einem Klima, in dem aus Angst oder Gleichgültigkeit rechtsextreme Gewalt und Gesinnung häufig nicht thematisiert wird, durch beharrliche Öffentlichkeitsarbeit und begründete Argumentationen die lokale Öffentlichkeit sensibilisieren und so entscheidend zu einem öffentlichen Aufbegehren beitragen konnte. Die Initiative hält an ihrem Konzept fest: informieren - argumentieren und zum Mitmachen bewegen. Sie hat viele lokale Organisationen zur Unterstützung bewegen können und ihre Erfahrungen ins Umland weitergetragen.
Preisträger:
