10.06.2010

Festakt/ Auszeichnung "Botschafter" 2003

Preisträger




Café International, Monschau-Imgenbroich (Nordrhein-Westfalen)


Die ehrenamtliche Initiative wurde ausgezeichnet, weil sie für fast 300 Flüchtlinge, Asylbewerber und Migranten Alltagshilfe leistet, Begegnungen organisiert und so zur Integration beiträgt. Eine beispielhafte Arbeit in einer ländlichen Gegend, die in anderen Regionen ohne großen Aufwand nachgeahmt werden kann.

Man kennt sich für gewöhnlich auf dem Land. Wer aber fremd ist, fällt auf und wird schwer angenommen. Flüchtlinge, Asylbewerber und Migranten haben es in einer ländlichen Gegend in der Regel noch schwerer. Wer in der Abgeschiedenheit eines Heimes lebt, dem fällt es zudem schwer, sich wirklich willkommen zu fühlen. Im Café International in Monschau-Imgenbroich ist die Welt allerdings wirklich zu Gast. Menschen aus 18 Ländern treffen hier zusammen, die ansonsten in den Heimen der Umgebung leben. Seit 1994 betreiben 10 ehrenamtliche Helfer, überwiegend Hausfrauen, diese Begegnungsstätte. „Unser Ziel ist es, die ausländischen Mitbürger in die Gemeinschaft zu integrieren", sagt Inge Theissen. Sie ist von Anfang an dabei. Es waren vor allem die rechtsradikalen Übergriffe auf Asylbewerberheime, die sie und die anderen animierten, sich noch stärker zu engagieren. Die Initiative wollte den ausländischen Mitbürgern ein Gefühl des Vertrauens geben, dass man in Deutschland auch in Sicherheit leben kann. Sie organisierten Telefonketten für die Asylbewerber und regelmäßige Treffen.

Seitmehr als10 Jahren fahren inzwischen jeden Montag Busse die Asylbewerberheime in der Umgebung ab. Einmal wöchentlich sollen all die zusammen kommen, die sonst völlig isoliert leben. Ein regelmäßiges wöchentliches Erlebnis, auf das sich alle freuen. Im Café International gibt es Kaffee und Kuchen und Zeitungen aus der Heimat. „Wir machen ihnen die Nachmittage schön und versuchen den Menschen positive Erlebnisse zu verschaffen", erläutert die Hausfrau Lotte Brune, die zu den ständigen Mitarbeitern gehört. Im Café International werden aber auch die Fragen des Alltags geklärt. Egal welche Fragen und Schwierigkeiten auch immer auftauchen - die Mitarbeiter des Café International leisten entweder selbst versierte Hilfe oder greifen auf das von ihnen aufgebaute Netzwerk zurück. Unterstützung erhält man dabei von den Pfarrgemeinden, Verbänden und Sozialämtern, mit denen man im ständigen Kontakt steht. Um die Integration zu beschleunigen, werden über die Volkshochschule zudem spezielle Deutschkurse für Asylbewerber, Flüchtlinge und Migranten angeboten. Durch die Hilfe des Café International wird so erreicht, dass sich die meisten der fast 300 Fremden schon nach kurzer Zeit in Monschau und Umgebung gar nicht mehr so fremd fühlen. Vielen Einheimischen ist das Wirken im Laufe der Jahre so vertraut geworden, dass auch sie diese unentgeltliche ehrenamtliche Integrationsarbeit mit großem Respekt würdigen.

Preisträger: Café International, Monschau-Imgenbroich







Buna Sow Leuna Olefinverbund GmbH / The Dow Chemical Company (Sachsen-Anhalt)


Respekt und Akzeptanz, Vielfalt und Gleichbehandlung gehören zu den fortschrittlichen Werten der Unternehmenskultur. Das amerikanische Unternehmen Dow hat in seinen mitteldeutschen Produktionsstandorten (Schkopau, Böhlen, Leuna, Teuschenthal) bereits das umgesetzt, was europäische Richtlinien für alle Betriebe vorsehen.

Die Muttergesellschaft hat ihren Sitz in den USA, der Vorsitzende Geschäftsführer der mitteldeutschen Produktionsstandorte stammt aus den Niederlanden, die Facharbeiter kommen aus Spanien, Brasilien, Amerika und allen Teilen Deutschlands. Dow ist ein multikulturelles Unternehmen, das in Sachsen-Anhalt und Sachsen 2.300 Mitarbeiter beschäftigt. Viele Fachgespräche werden dort anstatt auf Sächsisch in Angelsächsisch, sprich auf Englisch geführt. Für die Alteingesessenen des ehemaligen Chemiedreiecks der DDR war das zwar eine große Umstellung, doch für die Mitarbeiter aus dem Ausland ist es eine echte Erleichterung. Bart J. Groot, Vizepräsident von Dow Chemical für Osteuropa: „Unsere Definition ist, dass wir nicht diskriminieren. Wir achten auf Leistung, ungeachtet, wer die Leistung bringt: Jung, alt, männlich, weiblich, Deutsche, Ausländer."

Bart J. Groot legt als Vorgesetzter großen Wert auf Offenheit und Respekt, Akzeptanz und Toleranz, Vielfalt und Gleichbehandlung. Diese Werte bilden die Richtlinie der Unternehmenskultur. Respektvolles Verhalten untereinander und menschenwürdiger Umgang miteinander sollen jedem Mitarbeiter die Entfaltung seines gesamten Potenzials ermöglichen. Ein Führungsstil, der gut ankommt, weil er von den Mitarbeitern des Unternehmens auch selbst erarbeitet wurde. Von mehr Selbstbewusstsein ist die Rede, weil sich jeder Beschäftigte als Teil des Systems ernst genommen fühlt. Der Wettbewerbsvorteil eines multikulturellen Unternehmens liegt in seiner Vielfalt und Unterschiedlichkeit, den Dow mit Produktionsstandorten in 38 Ländern besitzt. Bart J. Groot hätte jedoch gerne mehr von diesen multikulturellen Einflüssen in seinen vier Werken in Sachsen-Anhalt und Sachsen: „Man muss schon feststellen, dass gerade in den neuen Bundesländern zu wenig Ausländer sind, und wenn es wenig sind, gibt es auch wenig Akzeptanz für Ausländer. Und das muss man durchbrechen", sagt der holländische Geschäftsführer. Damit erst gar keine Fremdenfeindlichkeit aufkommt gibt es für die Azubis Projektwochen und für alle anderen Mitarbeiter Gesprächsrunden zum Thema Rechtsradikalismus. Diese gesamte Unternehmenskultur stößt bei den Mitarbeitern auf große Resonanz. 90 Prozent der Beschäftigten stimmen jedenfalls der Aussage zu, dass Dow seine Mitarbeiter fördert, ungeachtet des Alters und Geschlechts, der Rasse und des kulturellen Hintergrunds.

Preisträger: Buna Sow Leuna Olefinverbund GmbH / The Dow Chemical Company







„Eltern helfen Eltern gegen Rechtsextremismus“, Bezirk Marzahn-Hellersdorf, Berlin


Hochhäuser und Plattenbauten prägen überwiegend die Silhouette des Berliner Bezirks Marzahn-Hellersdorf. Über 250.000 Menschen leben hier, leider häufig auch im anonymen Nebeneinander. Die Treffpunkte rechtsextrem organisierter Jugendlicher und deren Gewalttaten bringen den Stadtteil immer wieder in Verruf. Doch Rechtsextremismus ist nicht nur ein Problem „der Straße", sondern auch in den Familien. Deshalb gründeten zwei Mütter im Jahr 2002 „Eltern helfen Eltern". Die Initiative möchte betroffenen Familien die Scheu nehmen, über die rechtsextreme Einstellung ihrer Kinder zu reden. „Wer meint, dass sein Kind in der rechten Szene ist, oder fürchtet, dass es reingerät, kann zu uns kommen", sagt Carmen Haverbeck, eine Gründerin des Projektes.

Über Faltblätter, Anzeigen in Lokalzeitungen sowie die Elternvertreter der Schulen bietet die Initiative alle 14 Tage Sprechstunden an. Es sollen vor allem Familien angesprochen werden, denen professionelle Angebote des Jugendamtes oder anderer Beratungsstellen bereits zu offiziell sind. Wichtig ist den Mitarbeitern vor allem, dass besorgten Eltern die Schwellenangst genommen wird und sie über ihre Schuldgefühle reden können. Ein Angebot, das Martina Reimling gern angenommen hat. Ihr 19-Jähriger Sohn gehört schon seit Jahren zur rechtsextremen Szene in Marzahn-Hellersdorf. „Er organisiert Veranstaltungen, Treffen oder Feiern zu Rudolf Heß' Geburtstag. Solche Dinge koordiniert er", schildert die bekümmerte Frau. „Eltern helfen Eltern" konnte ihre große Last und das Gefühl der Hilflosigkeit so weit lindern, dass Martina Reimling inzwischen wenigstens über das Problem reden kann. Durch den Rat und die Hilfe der Initiative kam sie auch wieder ins Gespräch mit ihrem Sohn. Nun hofft sie darauf, dass er den Rechtsextremen doch noch den Rücken kehrt. Für Martina Reimling ist das Büro der Initiative jedenfalls eine wichtige Anlaufstelle geworden.

Wer sich nicht persönlich in die Gesprächsstunde traut, kann sich bei „Eltern helfen Eltern" auch anonym über eine Telefonhotline Rat holen. Doch selbst in der Sprechstunde muss niemand seinen Namen nennen. Die Kontaktaufnahme und das Gespräch mit betroffenen Eltern stehen im Vordergrund. „Es geht uns erst einmal darum, dass die Leute ihr Herz ausschütten", erklärt die ehrenamtliche Mitarbeiterin Sibylle Büring. Wer weitergehende Hilfe möchte, bekommt von „Eltern helfen Eltern" aber auch Fachleute und professionelle Anlaufstellen genannt. Die Initiative versteht sich als Teil des Netzwerkes gegen Gewalt und Rechtsextremismus im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Gemeinsam mit dem Schülernetzwerk „MUT", dem Lehrernetzwerk „Standpunkte" sowie einem Beratungsteam von Schulpsychologen sollen Kontakte zu Eltern hergestellt werden, deren Kinder rechtsextrem sind oder in die Szene abzudriften drohen.

Preisträger: „Eltern helfen Eltern gegen Rechtsextremismus“, Bezirk Marzahn-Hellersdorf







RAA (Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen) Rostock (Mecklenburg-Vorpommern)


Dieses ausgezeichnete Projekt ist aus einer Eigeninitiative entstanden. Ohne Vereinsstruktur kümmern sich die Mitarbeiter um die Sorgen und Probleme von Eltern, deren Kinder zur rechtsextremen Szene gehören.
Seit 1994 arbeitet der Verein überwiegend ehrenamtlich für die Integration von Zuwanderern. Mit der Auszeichnung soll die unermüdliche Arbeit in einem schwierigen Umfeld gewürdigt werden, die auch positiv auf die ländliche Umgebung ausstrahlt.

Molotow-Cocktails, brennende Wohnungen, Menschen in Todesgefahr und auf der Flucht vor einem randalierenden rechtsradikalen Mob. Rostock-Lichtenhagen 1992. Bilder, die in Erinnerung geblieben sind. Die Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen (RAA) in Rostock will nicht mehr wegsehen, sondern handeln, bevor es zu spät ist. Man will den Anfängen wehren und präventiv arbeiten. „Wir setzen uns für ein kulturelles Miteinander und für die gleichberechtigte Behandlung von Menschen unterschiedlichster Herkunft und Kultur", so Jana Hoffmanns Beschreibung für die Ziele und Absichten der 1994 gegründeten RAA Rostock. Jugendliche lernen bei dem Verein zu argumentieren, Streit zu schlichten und sich gegen Diskriminierung und Rechtsextremismus einzusetzen. „Peerleader" nennen sie sich nach diesem Training. Als akzeptierte Vorbilder unter den Gleichaltrigen sollen die Teenager nach dieser Ausbildung besser mitbestimmen und Dinge verändern können. Die Jugendlichen werden dadurch in die Lage versetzt, in ihren Schulklassen demokratisch zu wirken, gegen Mobbing vorzugehen und andere Schüler vorbildhaft mitzuziehen. „Peerleader" sind deshalb wichtig, weil ihr Wort bei bestimmten Sachverhalten mehr gilt als das der Eltern, Lehrer oder irgendwelcher Berater.

Ein anderes Betätigungsfeld der RAA Rostock sind konkrete Integrationshilfen. Bärbel Theophil unterstützt ausländische Kinder bei Hausaufgaben und berät die Eltern bei ganz alltäglichen Problemen. „Wenn die zum Beispiel einen Brief bekommen, den sie nicht verstehen, erkläre ich ihnen um was es in dem Schreiben überhaupt geht."

Die Räume des weitgehend ehrenamtlich arbeitenden Vereins sind seit 9 Jahren ein internationaler Treffpunkt. Für die Erwachsenen eine Begegnungsstätte für Gespräche und die Kinder erhalten dort Nachhilfeunterricht, wodurch ein Vertrauensverhältnis zwischen den Mitarbeitern des Vereins und den ausländischen Familien entsteht. „Es ist für die Migranten wichtig, dass sie lernen, dass alle Menschen das Recht haben, gleichberechtigt behandelt zu werden." Die Erfahrung hat Jana Hoffmann gelehrt, dass viele Asylbewerber Angst haben, weil sie in ihren eigenen Ländern immer nur Unterdrückung erleben mussten. Vorurteile abbauen und sich für Toleranz einsetzen sieht die RAA Rostock als Hauptaufgaben an. Damit auch die Hansestadt und Umgebung wieder ein besseres Image bekommen.

Preisträger: RAA (Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen) Rostock