02.12.2013
Der Deutsch-Ausländische Freundeskreis Sendenhorst e.V.
Preisträger im Wettbewerb "Aktiv für Demokratie und Toleranz 2007"
Von Ingrid Demmig (Der Deutsch-Ausländische Freundeskreis Sendenhorst e.V.)Der Deutsch-Ausländische Freundeskreis Sendenhorst e.V. entstand 1990 aus einer Protestbewegung von Anwohnern eines geplanten Übergangwohnheimes für Asylbewerber. Daraus entwickelte sich der Deutsch-Ausländische Freundeskreis, der seitdem ehrenamtlich hier in der Kleinstadt politische, soziale und gesellschaftliche Arbeit leistet.
Seit 2001 ist die Gruppe ein gemeinnütziger Verein und bei Stadtverwaltung, Ausländeramt, Schulen, Kindergärten, Ärzten, Rechtsanwälten und der Bevölkerung als offener und kompetenter Gesprächspartner anerkannt.
Die ersten Themen waren die Unterbringung, die damals zahlreich anhängigen Asylverfahren und Gesundheitsfragen der Flüchtlinge. Ein Beispiel ist der Umgang mit traumatisierten Frauen. Oft wurden Frauen mit ihren Kindern bei der Flucht ihrer Männer zurückgelassen. Die dortigen Behörden setzten sie unter Druck, um den Aufenthaltsort der Männer zu erfahren. Folter und sexuelle Übergriffe waren dabei nicht selten. Auch nach ihrer Flucht war das ein Tabuthema für die Frauen und konnte deshalb im Asylverfahren nicht thematisiert werden. Das Vertrauen der Frauen konnte erworben werden und psychosoziale Betreuung ermöglichte die Darstellung und Aufarbeitung der traumatischen Erlebnisse. Das führte zur Anerkennung im Asylverfahren oder zu humanitärem Schutz.
Immer wieder nahm der Deutsch-Ausländische Freundeskreis die Flüchtlingskinder in den Blick. Gerade sie waren durch das Miterleben von Misshandlungen an den Eltern und Fluchterlebnisse beeinträchtigt. Mal- und Musiktherapien konnten helfen, solange das Geld reichte. Die Schwierigkeiten einiger junger Leute heute zeigen, dass weitere derartige Maßnahmen notwendig gewesen wären.
Die Hausaufgabenbetreuung konnte einige Probleme auffangen. Eine Honorarkraft wird aus Mitteln der Betreuungspauschale des Landes NRW bezahlt, die durch die Stadtverwaltung an uns weitergeleitet wird. Sie kümmert sich intensiv und liebevoll um die Kinder. Als Beispiel der guten Erfolge kann A. (Name anonym) angesehen werden. In ihrem Elternhaus spielte Schule für Mädchen keine wichtige Rolle. Sie aber wollte und konnte lernen. Ermutigt durch die Hausaufgabenbetreuerin lernte sie eifrig und fleißig. Hatte sie tagsüber durch die häuslichen Pflichten keine Zeit mehr gefunden, so lernte sie abends per Taschenlampe unter der Bettdecke. Sie schaffte die Grundschule, sie schaffte die Realschule, sie schaffte eine Ausbildung als Arzthelferin. Andere sind gleich ihr auf einem guten Weg.
Neben diesen ernsthaften Aktivitäten kommt der Spaß auch nicht zu kurz. Jeden Monat gibt es das Café international, wo inzwischen verschiedene Themen angesprochen werden. Picknicks, Fahrradtouren, Nikolausfeiern runden das Angebot ab. Dabei gibt es immer auch ein Kinderprogramm, das natürlich auch bei den jährlichen Sommerfesten nicht fehlen darf.
Besondere Sorge hatten wir lange Zeit um die „Geduldeten", vor allem um die Jugendlichen. Eine Zeitungsaktion machte auf deren Probleme aufmerksam. Ein Teil von ihnen konnte von der Altfallregelung profitieren, nach der Menschen, die am 30.9.2007 sechs bzw. acht Jahre in Deutschland waren ein Bleiberecht bekommen können, wenn...der Lebensunterhalt ohne öffentliche Mittel bestritten werden kann. Das ist eine hohe Hürde für Menschen, denen es jahrelang verboten war zu arbeiten, die große Familien zu versorgen haben, die allein erziehend sind und die mit der augenblicklichen Arbeitsmarktsituation zurechtkommen müssen. Ganz zu schweigen von denen, die alt und krank sind. Auch sie dürfen nur bleiben, wenn sie ohne öffentliche Mittel hier leben können. Wenn auch Familienmitglieder sie ernähren und unterbringen können, so ist doch der Krankenkassenbeitrag unbezahlbar. Und was ist wenn die Eltern krank sind?
Hier versucht der Deutsch-Ausländische- Freundeskreis durch Öffentlichkeitsarbeit Verständnis zu wecken, vielleicht den einen oder anderen Arbeitgeber zu finden und nimmt auch die Hilfe von anderen Organisationen in Anspruch. Die KFD (Katholische Frauen Deutschlands) organisierte im Münsterland einen Aufruf zur Bereitstellung von Arbeitsplätzen. Die Sendenhorster KFD-Gemeinschaft hat versprochen, sich zu engagieren.
In Zukunft wird es die Arbeit des Deutsch-Ausländischen Freundeskreises sein, die inzwischen schon lange hier lebenden Flüchtlinge als Sendenhorster Bürger zu integrieren. So gibt es eine deutsch-ausländische Sportfrauengruppe, in dieser Woche beginnt ein Mutter- Kind Deutschkursus mit Kleinkindern, einige Mädchen gehen in einen Babysitterkurs des Familienzentrums, ein Elternkurs für Grundschulkinder steht auf dem Plan und die Hausaufgabenbetreuung soll spätestens im nächsten Schuljahr in die Offene Ganztagsschule übernommen werden.
Nicht, dass dem Deutsch-Ausländischen Freundeskreis dann die Arbeit ausginge. Private Besuche sind ein wesentlicher Bestandteil der Anteilnahme. Bei einer Tasse Tee ist Zuhören eine wichtige Aufgabe. Oft geht man dann mit einem Päckchen großer oder auch kleinerer Probleme nach Hause.
