08.02.2009
Theaterprojekt „RepuBlick Auf Schalke“
Preisträger im Wettbewerb "Aktiv für Demokratie und Toleranz 2007"
Von Sven Schneider (2. Vorsitzender der Schalker Fan-Initiative e.V.)Die Schalker Fan-Initiative gegen Rassismus ist ein Zusammenschluss von „ganz normalen" Schalke-Fans aus der Nordkurve, die sich anno 1992 zum gemeinschaftlichen Kampf gegen Dummheit und Vorurteile entschlossen hatten. Wir in Gelsenkirchen wussten daher schon vor der WM 2006 um die immense Integrationskraft des Fußballs. Die Idee zu einem Jugendtheaterprojekt entstand durch den Kontakt zu Jana Hansjürgen, die als Sozialarbeiterin „The Point" leitete, einen Treffpunkt insbesondere für homosexuelle Jugendliche. Mit ihrer Unterstützung und weiteren Partnern hatten wir im Vorjahr bereits eine viel beachtete Kampagne gegen Homophobie auf den Stadionrängen durchgeführt: „Out auf Schalke - Schwule und Lesben gibt's in jedem Stadion".
In einem der vielen Gespräche erzählte uns Jana, dass „The Point" sich bereits einmal zum Umzug gezwungen sah, weil sich die Jugendlichen permanent Anfeindungen ihrer Altersgenossen - v.a. solcher mit islamischem Hintergrund - ausgesetzt sahen. Um so waghalsiger mag in der Rückschau die daraus resultierende Idee anmuten: „Die bringen wir zusammen - durch Schalke!" Durch einige Kontakte in die regionale Theaterszene kamen wir auf den Gedanken, die Jugendlichen - deutsche, ausländische und homosexuelle - miteinander ein Theaterstück entwickeln zu lassen. Thema sollte die integrative Kraft der „RepuBlick auf Schalke" sein.
Für uns war ein Theaterprojekt komplettes Neuland. Um das Vorhaben zu verwirklichen, mussten wir ein kompetentes Team von Fachleuten aus den Bereichen Theater, Pädagogik und Fankultur zusammenstellen - und natürlich potenzielle Sponsoren überzeugen. Wir fanden dankenswerter Weise nicht nur echte Profis auf diesen Gebieten, sondern auch Menschen, die aus Spaß an der Sache fast alle auf Geld verzichteten, das wir auch nicht zur Verfügung hatten. Schalkes Ehrenpräsident Gerd Rehberg konnten wir zudem als Schirmherren gewinnen.
Und dann konnte es losgehen: Im Rahmen einer Pressekonferenz wurde das Projekt „RepuBlick auf Schalke" vorgestellt und Jugendliche zum Casting in das Ferdinand-Lassalle Haus der „Falken Bulmke-Hüllen" eingeladen. Die enorme Resonanz auf diesen Termin, zu dem 90 Jugendliche erschienen, räumten die letzten Zweifel an diesem Projekt aus.
Bei der Auswahl der Jugendlichen kam es weniger auf das schauspielerische Können an, sondern darauf, dass unterschiedliche Kulturen und Charaktere aufeinander treffen und Vorurteile abgebaut werden konnten. Das Resultat war eine 33-köpfige Truppe türkischer, afrikanischer, deutscher, schwuler und lesbischer Aktiver zwischen 12 und 18 Jahren. Die Jugendlichen waren nicht nur Darsteller, auch das Stück, Requisiten, Bühnenbild, Kostüme und Musikbeiträge entstanden in Eigenproduktion.
Das Theaterstück zeigt den Nachbarschaftsalltag in einem „typisch Gelsenkirchener" Viertel, zunächst geprägt von Abneigung, Diskriminierung und Generationskonflikten. Dabei bedient sich die „RepuBlick Auf Schalke" überzogener, aber auch verdrehter Klischeebilder: Die türkische Müllfrau darf nur den deutschen Teil der Straße fegen, die deutsche nur den türkischen. Das schwule Paar wohnt in einer rosa tapezierten Wohnung und genießt die Abneigung des deutschen Metzgers, der gegenüber der ihm verhassten Dönerbude seine Wurst verkauft. Und auch die deutsche Familie pflegt ihre Vorurteile und lebt, Gehässigkeiten von sich gebend, in ihrer Gelsenkirchener-Barock-Wohnung.
Die vorherrschenden Engstirnigkeiten werden humorvoll und selbstironisch dargestellt, bevor sich im zweiten Teil des Stückes das Blatt wendet. Die Nachbarn entdecken ihre Gemeinsamkeiten, die Liebe zum Fußball und zu Schalke 04. Sie gehen gemeinsam ins Stadion, feiern und leiden in der Schlussszene (die schmerzvoll unvergessene 4-Minuten-Meisterschaft), Arm in Arm, mit ihrem Verein.
Die vier restlos ausverkauften Vorstellungen im Gelsenkirchener Consol Theater waren ein voller Erfolg. Erwähnenswert ist auch die Zusammensetzung des Publikums: Durch den Fußballbezug und die unterschiedlichen gesellschaftlichen Hintergründe der Eltern und Freunde der Akteure war ein sehr heterogenes, nicht „theatertypisches" Publikum im Saal, das das Stück als Anstoß nahm, sich (wie gehofft) mit den eigenen Vorurteilen auseinanderzusetzen und sie zumindest in Frage zu stellen, wie sich aus Gesprächen nach den Vorstellungen ergab.
Ein weiterer Höhepunkt war sicherlich die gemeinsame Fahrt zur alljährlich stattfindenden antirassistischen Fan-Weltmeisterschaft in Italien - einer gigantischen Veranstaltung mit Fans aus aller Welt. Hier führte das Ensemble Auszüge des Stückes auf und trat beim Turnier als eigenes Team „RepuBlick auf Schalke" an: Jung, bunt gemischt, nicht immer mit der Rundheit des Balles vertraut, aber mit viel Spaß und Engagement bei der Sache. Unerreicht auch ihr Support für das ebenfalls antretende Team der Schalker Fan-Initiative. Und das war und ist eben nicht „nur Fußball": Wer gesehen hat, wie selbstverständlich die Jugendlichen mittlerweile miteinander umgingen, welche Freundschaften über die vermeintlichen Grenzen von Herkunft, sexueller, weltanschaulicher oder religiöser Orientierung hinweg geschlossen wurden, dem konnte nur das Herz aufgehen. Wir meinen jedenfalls: Die Arbeit und das Risiko haben sich gelohnt!
